Zur Beurteilung

Luftwechselmessung

Wie kann die tatsächliche Infiltrationsrate nachgewiesen werden?

Text: Thomas Schilling | Foto (Header): © finecki – stock.adobe.com

Im Zuge zunehmender Luftdichtheit von Gebäuden kommt es häufiger zu problematischen Konzentrationen an Innenraumschadstoffen, die bei früher üblichen Luftwechseln in wesentlich niedrigeren Konzentrationen aufgetreten und deshalb unauffällig geblieben wären. Insbesondere bei energetischen Sanierungen, bei denen häufig nur Veränderungen an der Gebäudehülle mit Verbesserung der Luftdichtheit, jedoch ohne Einbau einer Lüftungsanlage, vorgenommen werden, treten Probleme auf. Eine Prüfung des Luftwechsels kann bei der Beurteilung helfen.

Auszug aus:

der bauschaden
Ausgabe Juni 2018
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Im Zusammenhang mit einem reduzierten Luftwechsel erhöhen sich im Vergleich zu normal gelüfteten Räumen insbesondere die Konzentrationen von leichtflüchtigen, gasförmigen Verbindungen. Dies beginnt bei Gerüchen und zu hoher Luftfeuchte mit dadurch verursachter Schimmelbildung, über ausgeatmetes CO2, das z. B. in Schulen und Versammlungsstätten die Konzentrationsfähigkeit einschränken kann, und führt bis zum umfangreichen Spektrum der Lösemittel. Aber auch die Konzentration von mittel- und schwerflüchtigen Verbindungen erhöht sich in gewissem Maße mit abnehmenden Luftwechsel, soweit diese Verbindungen, teilweise mithilfe von Partikeln, luftgetragen sind.

Erster Schritt: Raumluftanalyse

Neben einer Raumluftanalyse mit dem Ziel, die Ursache von aufgetretenen Beschwerden der Raumnutzer zu benennen und gegebenenfalls Emissionsquellen zu lokalisieren und zu beseitigen, kann die Prüfung des vorhandenen Luftwechsels Hilfestellung bei der Beurteilung leisten. Neben der Stärke einer Emissionsquelle spielt der Luftwechsel innerhalb von Räumen eine maßgebliche Rolle bei der Wirkung von Innenraumschadstoffen. Bei unterdurchschnittlichen Luftwechselzahlen kann die Lösung von Problemen mit Innenraumschadstoffen eine Erhöhung des Luftwechsels sein, wenn davon auszugehen ist, dass es bei normalem Luftwechsel nicht zu problematischen Schadstoffkonzentrationen kommt. Aus hygienischen Gründen wird in Aufenthaltsräumen ein Mindestluftwechsel von ca. 0,5/h empfohlen bzw. eine personenbezogene Luftwechselrate von 30 m³/h (vgl. z. B. DIN 1946-6, Tabelle 5 [1]).:

Hinweise auf einen eventuell zu geringen Luftwechsel geben eine vorhergehende Sanierung mit Verbesserung der Luftdichtheit, nach der es zu Problemen mit Innenraumschadstoffen kam, eine fehlende Lüftungstechnik oder aus baulichen Gründen nur schwer zu belüftende Räume wie etwa Keller. Nicht ohne Grund schreibt die DIN 1946-6 seit 2009 vor, dass bei einer Veränderung der Luftdichtheit eines Gebäudes ein Lüftungskonzept zu erstellen ist, das nutzerunabhängige Lüftungsmaßnahmen vorsieht. Auch wenn es hierbei v. a. um den Feuchteschutz, also die Vermeidung von Schimmelbildung, geht, ist der damit verbundene Mechanismus auf alle anderen luftgetragenen Innenraumschadstoffe übertragbar.

In Abhängigkeit vom Raumvolumen werden bei der Erstellung eines Lüftungskonzepts unter Berücksichtigung der Luftdichtheit der Gebäudehülle, der daraus resultierenden Infiltrationsrate und deren energetischer Qualität ein nutzerunabhängig sicherzustellender Mindestluftwechsel für den Feuchteschutz berechnet und darüber hinaus Empfehlungen für einen aus hygienischen Gründen zu empfehlenden Luftwechsel (Grundlüftung und Intensivlüftung) gegeben. Der Luftwechsel kann dabei auch durch den Nutzer selbst, z. B. durch Fensteröffnen sichergestellt werden. Die Infiltrationsrate wird bei der Erstellung eines Lüftungskonzepts meist nicht gemessen, sondern nur anhand von Tabellenwerten und von der Gebäudesituation abhängigen Korrekturfaktoren abgeschätzt.

Blower-Door-Messung ungeeignet

Den meisten Baufachleuten wird die Blower- Door-Messung bekannt sein, bei der die Luftdichtheit eines Gebäudes mittels eines durch ein Gebläse mit Volumenstrommessung hergestellten Druckunterschieds zur Außenluft von 50 Pascal gemessen wird. Dieser Druckunterschied entspricht jedoch einem Sturm, der im normalen Nutzungszustand selten vorkommt. Die Blower-Door-Messung ist folglich sinnvoll zur Beurteilung der Gebäudedichtheit und zum Aufspüren von Leckagen, nicht jedoch zur Beurteilung des normalen Luftwechsels, das heißt der Infiltrationsrate in einem geschlossenen Volumen. Solche Messungen sollten ohne künstlichen Druckunterschied im üblichen Nutzungszustand durchgeführt werden, wobei die klimatischen Randbedingungen zu berücksichtigen und gegebenenfalls durch Mehrfachmessungen einzuordnen sind. Der Luftwechsel wird bei Wind und/oder größeren Temperaturunterschieden zwischen innen und außen höher als bei Windstille und sommerlichen Temperaturen sein.

Luftwechselmessung

Das für eine sinnvolle Charakterisierung der Lüftungsbedingungen anzuwendende Messverfahren wird Messung zur Bestimmung des lokalen Alters der Luft genannt und beschreibt, wie lange die Luft in einem definierten Raumvolumen verweilt bzw. wie viel Zeit bis zu einem vollständigen Austausch von Luft diesen Volumens benötigt wird. Die hierzu anwendbaren Verfahren sind in der VDI 4300 Blatt 7 [2], der DIN ISO 16000-8 [3] und DIN EN ISO 12569 [4] beschrieben. Die beiden ersten Normenreihen beschäftigen sich mit Luftverunreinigungen, wogegen die DIN ISO 12569 für wärmetechnische Beurteilungen gedacht ist, für die es ausreicht, dass zwischen dem Gebäudeinneren und der Außenluft unterschieden wird.

Im Zusammenhang mit Innenraumschadstoffen ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass ein Gebäude meist aus mehreren Zonen besteht, zwischen denen es ebenfalls zum Luftaustausch kommt. Folglich kann Luft, bevor sie in die interessierenden Räume gelangt, bereits Innenraumschadstoffe aufgenommen haben. Gegebenenfalls müssen mehrere Zonen eines Gebäudes in die Messplanung mit aufgenommen und geprüft werden, um unterscheiden zu können, ob Luft von außen oder aus anderen Zonen die Luft innerhalb des Prüfvolumens im Rahmen eines Luftwechsels ersetzt.

Für die Messung werden Prüfgase (auch Tracergase genannt) verwendet, bei denen entweder das Abklingen der eingebrachten Gaskonzentration (Abklingverfahren) oder die sich bei einem konstanten Einbringvolumen des Prüfgases einstellende Gleichgewichtskonzentration (homogenes Injektionsverfahren) gemessen wird. Als Indikatorgas kommen je nach Fragestellung unterschiedliche Gase zum Einsatz, die jedoch alle im verwendeten Konzentrationsbereich ungiftig, chemisch inert, stabil, geruch- und geschmacklos, nicht adsorbierbar, nicht brennbar und nicht explosiv und nicht in relevanter Konzentration in der Luft vorhanden sein sollten. Verwendete Gase sind je nach Fragestellung z. B. Schwefelhexaflourid (SF6), Perfluorkohlenwasserstoffe wie Hexafluorbenzol (C6F6), Lachgas (N2O) und Kohlendioxid (CO2). Letzteres ist zwar in der Umgebung vorhanden und wird auch von Personen emittiert, ist jedoch leicht zu handhaben und zu messen. Zudem erlaubt es bei Berücksichtigung allgegenwärtiger CO2-Konzentrationen auch eine gute Beurteilung insbesondere bei dem meistens verwendeten Abklingverfahren.

Abklingverfahren

Das Abklingverfahren ist relativ einfach zu realisieren, maximal für Luftwechsel bis ca. 10/h geeignet und sinnvoll auch nur bei einer überschaubaren Raumanordnung durchzuführen, da eine gleichmäßige Verteilung des Prüfgases sonst nur sehr aufwendig sicherzustellen ist. Das Prüfgas wird in die zu prüfende Zone (und gegebenenfalls die angrenzenden Zonen, sofern der Außenlufteinfluss gemessen werden soll) bis zum Eintritt einer Gleichgewichtskonzentration eingebracht und z. B. mit einem Ventilator verteilt. Anschließend wird dessen Abklingen in regelmäßigen Intervallen bis zum Erreichen der vor Messbeginn vorhandenen Hintergrundkonzentration gemessen. CO2 lässt sich mit einer Druckflasche und Ventilator gut einbringen, SF6 kann z. B. aufgrund der guten Empfindlichkeit des Verfahrens mit handelsüblichen 50-ml-Plastikspritzen und Ventilator eingebracht und die Proben ebenfalls mit Spritzen gezogen werden. Andere Prüfgase werden, insbesondere bei größeren Raumanordnungen, zum Teil über ein verzweigtes Schlauchsystem oder funkgesteuerte Dosiereinrichtungen mit nachgeschalteten Ventilatoren verteilt, was eine aufwendigere Messausrüstung erfordert.

Die Anfangskonzentration des Indikatorgases sollte zur Einhaltung einer ausreichenden Genauigkeit mindestens dem hundertfachen der Nachweisgrenze des Analysesystems entsprechen. Die Messdauer sollte mindestens das Zweifache des angenommenen Alters der Luft betragen, das heißt, bei einem angenommenen Luftwechsel von 0,5/h, wie er in Wohnräumen anzustreben ist, wäre mindestens 4 h zu messen. Bei energetischen Sanierungen ohne Einbau von Lüftungsanlagen oder in Kellerräumen sind jedoch auch deutlich geringere Luftwechsel anzutreffen, so dass mit einer Messdauer von bis zu 24 h gerechnet werden sollte. Eine ausreichende zeitliche Sicherheit sollte in jedem Fall berücksichtigt werden.

Anhand einer Abklingkurve lässt sich anschließend der Luftwechsel bestimmen. Das Abklingen kann je nach Gas anhand von intervallweisen Luftmessungen entweder mit direkt anzeigenden Geräten (CO2), mittels Infrarotspektroskopie oder Gaschromatografie dokumentiert werden. Die Auswertung kann mit geeigneter Ausrüstung vor Ort, ansonsten im Labor durch spätere Analyse der Probenahmemedien erfolgen.

Es liegt auf der Hand, dass die Kontrolle über die Messung und insbesondere die Beurteilung, ob die Messung schon als abgeschlossen betrachtet werden kann, bei Messungen mit direkt anzeigenden Geräten wesentlich einfacher als bei erst im Labor auszuwertenden Proben ist. Auch kann die Anzahl der Proben zur Berechnung einer aussagekräftigen Abklingkurve, die naturgemäß in ihren einzelnen Messpunkten Schwankungen aufgrund von Messunsicherheiten ausgesetzt ist, nicht beliebig reduziert werden. Die Norm schreibt folglich mindestens 7 Proben vor.

Bei Messungen mit Datenloggern sollte ein Messintervall von 1 bis max. 5 Minuten je nach zu erwartendem Luftwechsel gewählt werden. Zu beachten ist, dass eine längere Anwesenheit von Personen bei Messungen mit CO2 aufgrund personenbezogener CO2-Emissionen die Ergebnisse verfälschen kann, weshalb Messungen mit Schwefelhexaflourid (SF6) aufgrund der guten Eigenschaften des Prüfgases (u. a. hohe Genauigkeit auch bei großen Luftwechseln, Anwesenheit von Personen während der Messung unschädlich) trotz höherer Kosten häufig anzutreffen sind.

Das lokale Alter der Luft erhält man aus dem Quotienten des Integrals der abnehmenden Konzentration des Prüfgases über die Zeit und der Anfangskonzentration. Zur Auswertung werden üblicherweise Tabellenkalkulationsprogramme verwendet. Bei einer richtig angelegten Messung sollten die Ausschläge von der sich ergebenden Trendlinie sehr gering sein, so dass sich ein sogenanntes Bestimmtheitsmaß > 0,98 ergibt. Gegebenenfalls sind nicht lineare Anfangs- und Endabschnitte der Kurve zu vernachlässigen. Eine nicht lineare Kurve lässt ansonsten vermuten, dass entweder die Messtoleranzen zu groß sind oder der Messort nicht repräsentativ gewählt wurde. Dies kann mit parallel durchgeführten vergleichenden Messungen in unterschiedlichen Raumbereichen geprüft werden. Unterschiedliche lokale Luftalter können Hinweise auf schlechter belüftete Raum- oder Gebäudeteile geben.

Homogenes Injektionsverfahren

Bei größeren zu erwartenden Luftwechseln, etwa an Arbeitsplätzen, in großen Gebäuden oder Räumen, bei denen eine ausreichend schnelle homogene Verteilung des Prüfgases für das Abklingverfahren nicht möglich ist und bei Fragestellungen, bei denen die zeitliche Veränderung des Luftwechsels, z. B. aufgrund von Klimaveränderungen oder Änderungen an lüftungstechnischen Einrichtungen dokumentiert werden sollen, sind Injektionsverfahren zu empfehlen. Dabei wird entweder aktiv über Einspritzung oder passiv über Diffusionsquellen Prüfgas in konstanten Mengen, die jeweils proportional zum Volumen der zu prüfenden Zonen sein müssen, eingebracht. Anschließend wird die Ausgleichskonzentration gemessen, gegebenenfalls über einen längeren Zeitraum und in verschiedenen Zonen.

Solche Messungen können mit automatischen Systemen, wenn notwendig über Wochen betrieben werden und ergeben ein gutes Bild über Schwankungen des Luftwechsels und über den Luftwechsel in unterschiedlichen Zonen. Auf eine genauere Beschreibung dieses Verfahrens wird an dieser Stelle aufgrund der sehr individuellen und aufwendigen Anwendung verzichtet.

Das lokale Alter der Luft ergibt sich hier aus dem Quotienten der Gleichgewichtskonzentration und dem Injektionsvolumen je Volumeneinheit der zu prüfenden Zone..

Literatur

[1] DIN 1946-6:2009-05 Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe/ Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung

[2] VDI 4300 Blatt 7:2001-07 Messen von Innenraumluftverunreinigungen – Bestimmung der Luftwechselzahl in Innenräumen

[3] DIN ISO 16000-8:2008-12 Innenraumluftverunreinigungen – Teil 8: Bestimmung des lokalen Alters der Luft in Gebäuden zur Charakterisierung der Lüftungsbedingungen

[4] DIN EN ISO 12569:2018-04 Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden und Werkstoffen – Bestimmung des spezifischen Luftvolumenstroms in Gebäuden – Indikatorgasverfahren

Zur Person

Dipl.-Ing. Architekt Thomas Schilling
ist seit der Gründung des Planungsbüros Schilling 2002 in München tätig als Architekt mit zahlreichen realisierten Projekten und als Sachverständiger zu Schäden an Gebäuden mit Schwerpunkt energiesparendes Bauen und Sanieren und Schimmel und Schadstoffe. Er ist von der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schimmelpilze in Innenräumen. Versicherungen, Hausverwaltungen, Gewerbetreibende und Privatpersonen sind Kunden des Büros, das im Jahr rund 80 Begutachtungen durchführt.

Kontakt
www.pb-schilling.de

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