Im Detail

Die Signifikanz von Hohlraumerkennung

Einblasdämmung als Schlüsseltechnologie energetischer Altbausanierung

Text: Arnold Drewer | Foto (Header): © Arnold Drewer

Die Energiewende im Gebäudebestand kann nur gelingen, wenn flächendeckend der Wärmeschutz der Gebäudehülle wesentlich verbessert wird. Nur bei gut gedämmten Gebäude ist eine kostengünstige und ökologische Beheizung mit Wärmepumpen möglich. Warum hohlschichtige Bauteile für die Gebäudedämmung eine alternativlose Rolle spielen, erläutert dieser Beitrag. Der Fokus liegt dabei auf der Erkennung der Hohlräume – denn nur so kann eine fachgerechte Dämmung der Gebäudehülle gelingen.

Auszug aus:

der SanierungsVorsprung
Ausgabe Juni / Juli 2024
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Unzureichende Gebäudehüllen senken die Jahresarbeitszahlen (JAZ) der Wärmepumpen und es werden Unmengen an wertvollem Strom verbraucht. Deutsche Gebäude haben eine Hüllfläche von ca. 10 Mrd. m² Wand, Decken und Dächern. Dazu kommen noch die Fensterflächen. Etwa 2,5 Mrd. m² Gebäudehüllfläche können mit Einblasdämmverfahren kostengünstig, bauphysikalisch geboten und vor allem in kürzester Zeit gedämmt werden. Dabei kommt den hohlschichtigen Bauteilen eine besondere Bedeutung zu, da es aktuell dort keine Alternative zu Einblasdämmverfahren gibt.
Welche baulichen Situationen kommen infrage?

  • Das zweischalige Mauerwerk, vorzugsweise in Nord-, West- und Ostdeutschland, aber punktuell auch in Bayern und Baden-Württemberg vertreten,
  • weit verbreitet – aber wenig gesehenes Bauteil: die hohle, belüftete Holzbalkendecke zum unbenutzten und unbeheizten Spitzboden,
  • belüftete Flachdächer – sowohl im mehrgeschossigen Wohnungsbau, bei Gewerbebauten als auch bei Bungalows
  • Holzfußböden (auf Balkenlage) im Erdgeschoss,
  • schwach belüftete oder offene Gebäudetrennfugen bei Reihen- bzw. Doppelhäusern sowie
  • ungedämmte Drempelhohlräume und Abseiten.

Das zweischalige Mauerwerk

Nach wie vor hält sich hartnäckig das Gerücht der „ruhenden Luftschicht“, die aus Wärmeschutzgründen gebaut worden sei. Um es kurz und knapp zu sagen: Eine „ruhende Luftschicht“ gibt es nicht. Luftschichten – z. B. bei Außenwänden – wurden auch nie aus Wärmeschutzgründen zweischalig erstellt, sondern, um Feuchtigkeitsprobleme (z. B. durch Schlagregen) in den Griff zu bekommen.

Deshalb findet man diese Bauweise auch vorzugsweise in den europäischen Regionen, die stärker von Schlagregen betroffen sind: BeNeLux-Staaten, Dänemark, Norddeutschland sowie die baltischen Staaten. Die dieser Bauweise zugrunde liegende Idee: Die Vorsatzschale hält den Regen ab, und die Luftschicht verhindert den Feuchtigkeitstransport zum Tragmauerwerk bzw. der Innenschale. Aufgrund der starken Temperaturunterschiede zwischen Außen- und Innenschale entsteht in der Luftschicht eine starke Thermik, Öffnungen in den Wänden – sowohl nach innen, nach außen als auch nach oben (Mauerkrone) – sind allgegenwärtig, wie die Abbildungen 1 und 2 zeigen.

Wie wird gedämmt?

Die vollständige Verfüllung des zweischaligen Mauerwerks mit einem hydrophoben, bauaufsichtlich zugelassenen Kerndämmstoff kann bei ca. 30 % der deutschen Gebäude durchgeführt werden. Dabei stehen faserförmige Kerndämmstoffe wie Glaswolle oder Steinwolle oder rieselfähige Produkte wie Polystyrol- Kügelchen, recyceltes PU, SLS2 0 und PU-Gießschaum zur Verfügung. Nicht geeignet für die Verwendung im Hohlschicht- Mauerwerk ist beispielsweise Zellulose.

Die Maßnahme dauert bei einem durchschnittlichen EFH weniger als einen Tag, der Kostenrahmen liegt bei unter 5.000 €. Eine Außendämmung wie z. B. ein WDVS oder eine Vorhangfassade wirft nicht nur Kosten bis zu 10-fachen Höhe auf, sondern ist aufgrund der Hinterlüftungseffekte als nahezu wirkungslos anzusehen.

Der U-Wert der Wand sinkt von ca. 1,4 W/ m²K auf unter 0,38 W/m²K [1]. Die Maßnahme – seit den 1960er-Jahren bekannt – kann noch bei 3,5 Mio. Gebäuden durchgeführt werden, sie wird vom Staat mit 15 % (20 % mit individuellem Sanierungsfahrplan [iSFP] bzw. Steuerförderung) gefördert und amortisiert sich in einem Zeitraum von unter 5 Jahren. Diese Angabe ist abhängig von der Entwicklung der Heizkosten und der CO₂-Abgabe. Der Gesamt-Energieverbrauch eines Standardgebäudes (2-geschossig) kann um bis zu 20 % sinken, abhängig von der Luftschichtstärke, dem verwendeten Material und der speziellen Gebäudegeometrie.

Soll der Energiestandard des Gebäudes auf einen „KfW-x-Standard“ sinken, kann nach der Kerndämmung zusätzlich ein WDVS aufgebracht werden. Dieses jedoch kann auch dünner installiert werden (was unter Umständen eine Verlängerung des Dachüberstands auf den Giebelseiten überflüssig machen kann). Wenn alle noch möglichen Kerndämmungen in Deutschland (680 Mio. m² Fläche) durchgeführt würden, könnten 57 TWh Heizenergie bzw. 18 Mio. t CO₂-Äquivalente eingespart werden.

INHALT

 

Holzbalkendecke zum unbewohnten/unbeheizten Spitzboden

Nahezu ¾ der EFH Deutschlands und auch viele NWG haben eine Holzbalkendecke, die den oberen Abschluss der beheizten Hülle darstellt. Hier wird nicht auf die Problematik eingegangen, dass sehr häufig das Dach anstelle der Decke gedämmt wird – was physikalisch und rechnerisch als nicht sinnvoll zu sehen ist. Eine Dachdämmung anstelle der Deckendämmung erzeugt bei gleicher Leistung (Energieeinsparung) bis zu 20-fach höhere Kosten. Man dämmt logischerweise die „beheizte Hülle“.

Auch diese Holzbalkendecke („Kehlbalkenlage“) ist häufig hohlschichtig ausgeführt. Manchmal ist dort Asche/Schlacke/Lehm enthalten, manchmal (rudimentär verlegte) Dämmwolle, meistens aber ist die Decke komplett hohl. Sie wird entlang der Kehlbalken von Dachseite zu Dachseite hin belüftet. Wie bei der oben beschriebenen Wanddämmung, ist auch eine oberseitige Dämmung einer (belüfteten) Kehlbalkenlage wirkungs- und damit sinnlos.

Wie wird gedämmt?

Einzelne Holzdielen werden entfernt, die dann sichtbaren Gefache werden mit faserförmigen Einblasdämmstoffen gefüllt. Aus Feuchtigkeitsgründen (unterhalb der Holzdielen kann mit geringem Tauwasseranfall gerechnet werden) wird die kapillaraktive Zellulose empfohlen. Das erschließbare Potenzial liegt bei 500 Mio. m² Fläche, hier könnten 28 Mio. TWh Heizenergie bzw. 9 Mio. t CO₂ pro Jahr eingespart werden. Die wirtschaftliche Amortisationszeit dieser Maßnahme liegt bei 5 Jahren. Eine reine Einblasdämmung des i. d. R. 14 bis 16 cm dicken Hohlraums wird nicht gefördert – ein Argument mehr dafür, noch 26 cm weiter aufblasen zu lassen. Dann nämlich gibt es die Bundesförderung von 15 (bzw. 20) %. Sollte danach der Spitzboden für Aufbewahrungszwecke oder als Trockenboden benutzt werden, sind auch „begehbare“ Konstruktionen möglich.

 

Belüftete Flachdächer im mehrgeschossigen Wohnungsbau

Flachdächer gibt es sowohl in Betonausführung als auch als Holzkonstruktionen mit oberseitiger Bitumen-Abdichtung. Gemeinsam ist beiden Varianten, dass die Flachdächer fast immer zweischalig ausgeführt und i. d. R. belüftet sind (ersichtlich oft an Lüftungsöffnungen unterhalb der Attika). Auch hier wäre eine Flachdachdämmung mit oben installierten Dämmplatten wirkungs- und sinnlos, außerdem viel zu teuer. Abhilfe schafft das Einblasen von faserförmigen Dämmstoffen. Dazu werden die Flachdächer von oben punktuell geöffnet, ein Einblasschlauch eingeführt und der Hohlraum vollgeblasen.

Aus Brandschutzgründen empfiehlt sich die Verwendung von Glaswolle- oder Steinwolle- Einblasdämmstoff. 80 Mio. m² zu dämmende Flachdächer stehen noch zur Verfügung. Bei deren Dämmung, würden 7 TWh Heizenergie bzw. 3 Mio. t CO₂ pro Jahr bei einer Amortisationszeit von 7 Jahren eingespart.

 

Einblasdämmung Holzböden (auf Balkenlage) im EG

Das Dämmen von Kellerdecken mit Dämmplatten von unten ist meistens sehr aufwendig und damit teuer. Kappendecken können von unten so gut wie gar nicht gedämmt werden. Wer Glück hat, besitzt einen alten Dielenfußboden im Erdgeschoss (oft braun oder rot angestrichen). Dieser ist konstruktiv bedingt auf eine Balkenlage genagelt, der so entstandene Hohlraum kann schnell und damit preiswert mit Einblasdämmstoffen gefüllt werden.

Über 300 Mio. m² EG-Fußböden könnten auf diese Weise schnell und v. a. preiswert gedämmt werden. Es ergibt sich ein Einsparpotenzial von 16 TWh bzw. 5 Mio. t CO₂ bei einer Amortisationszeit von 15 Jahren. Dieser Hohlraum ist der einzige ohne Verbindung zur Außenluft, die Decke könnte also ohne Verlust der Dämmwirkung auch von unten gedämmt werden. An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass das Einsparpotenzial von Kellerdeckendämmung aufgrund der höheren Temperaturen im Keller im Vergleich zur Außentemperatur nicht sehr groß ist. Der Wohnkomfort steigt jedoch erheblich. Bei diesem Verfahren ist der Kostenvorteil wichtig. Selbiges gilt aber auch für andere Einblasdämmverfahren.

 

Belüftete Gebäudetrennfugen bei Reihen- bzw. Doppelhäusern

Nahezu unbekannt ist die Tatsache, dass bei Reihenhäusern die einzelnen Gebäudescheiben aus Schallschutzgründen oft voneinander durch eine Luftschicht zwischen 5 und 10 cm Dicke getrennt sind. Da diese Luftschicht nicht luftdicht ausgeführt wurde (und auch nicht werden kann), ist sie belüftet. Beide Gebäudetrennwände (beider Nachbarn) sind also energetisch gesehen „Außenwände“. Ähnliches gilt häufig für Doppelhäuser.

Es ist technisch fast unmöglich, eine luftdichte Verklebung der Gebäudetrennfuge zu erreichen. Und, falls doch, verbliebe eine starke Thermik innerhalb der Fuge. Ein einfaches, probates Mittel besteht darin, die Fuge einfach mit einem Einblasdämmstoff zu verfüllen. Dieser muss unbrennbar sein, darf nicht rieseln und muss hydrophob
(wasserabweisend) sein. Insofern kommen nur Stein- oder Glaswolleprodukte infrage.

Bemerkenswert ist, dass durch dieses Verfahren zwei Wände (beider Nachbarn) energetisch gesehen „eliminiert“ werden, nach der Dämmung gibt es keinen Wärmestrom mehr. Daher ist dieses – als recht unbekannt einzuschätzende – Verfahren eines der effektivsten überhaupt. Es wird geschätzt, dass für dieses Verfahren noch 110 Mio. m² Fugen infrage kämen. Dadurch würden jährlich 18 TWh Heizenergie und 6 Mio. t CO₂ eingespart, bei einer Amortisationszeit von unter 3 Jahren.

 

Fazit

Einblasdämmverfahren sind bauphysikalisch geboten, um Hinterlüftungseffekte zu eliminieren. Sie sind politisch/gesellschaftlich geboten, da sie aufgrund der äußerst niedrigen Amortisationszeiten sehr preiswert und damit auch für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind. Sie sind klimapolitisch geboten, da sie einen Einstieg in die „CO2-Neutralität“ des Gebäudebestands darstellen können und dienen als ein Anfang in die energetische Sanierung. Wenn 2,5 Mrd. m² Gebäudehüllfläche mittels Einblasdämmverfahren gedämmt würden, betrüge das Einsparpotenzial 185 TWh Heizenergie bzw. 8 Mrd. m³ Gas und das Äquivalent in Öl. 59 Mio. t CO₂ bei einer Amortisationszeit über alles hin gesehen von 7 Jahren (Gesamtinvestment deutschlandweit ca. 90 Mrd. Euro) [1]. Die kurzen Amortisationszeiten entlasten und ermöglichen ein Ansparen der Heizkostenersparnis für weitere Energiesparmaßnahmen.

Dabei gilt es, in einem Schritt, wie dieser Beitrag deutlich macht, die Hohlräume zu erkennen, um eine spätere fachgerechte Ausführung einer Hohlraumdämmung sicherzustellen. Nur dort, wo Hohlräume erkannt werden, kann auch eine nachträgliche Dämmung durchgeführt werden.

Literatur

Referenzierte Berechnungen in diesem Beitrag sind folgender Studie entnommen:
[1] Studie: Das Heizenergieeinsparpotenzial durch Einblasdämmung im Wohngebäudebestand, Frankfurt am Main/Paderborn 2022.
www.fved.net/2022/03/15/studie-niedriginvestive-energiespartechniken-fuer-dieenergiewende-im-gebaeudesektor

Zur Person

Arnold Drewer

ist seit über 25 Jahren mit nachträglicher Wärmedämmung im Altbau befasst. So ist er seit 1999 Mitinhaber und Geschäftsführer der Firma BIOHAUS in Paderborn sowie der Firma InnoDämm mit Spezialisierung auf nachträgliche Wärmedämmung im Altbau. Zudem ist er seit 2006 als Geschäftsführer des IpeG-Instituts tätig. Ebenfalls ist Arnold Drewer im Fachverband Einblasdämmung aktiv. Zudem ist er in diversen Gremien aktiv und tritt als Autor und Referent in Erscheinung.

Kontakt:
E-Mail: a.drewer@fved.net
Internet: www.fved.net

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