Zur Beurteilung
Hölzerne Bauteile im Fokus
Beurteilung von Schäden in Holzkonstruktionen mittels Bohrwiderstandsmessungen
Text: Sven Golling M.A. | Foto (Header): © S. Golling
Die Sanierung von alten, aber auch neueren Gebäuden ist immer wieder eine Herausforderung für Planer und Handwerker, insbesondere, wenn es sich um den Erhalt und die Beurteilung der Standfestigkeit von Holzbauteilen handelt, denn vielfach sind die Schäden am Bauteil nicht von außen erkennbar. Die Bohrwiderstandsmessung stellt dabei eine hilfreiche Methode zur genaueren Analyse von Holzschäden und deren Umfang dar. Dieser Beitrag zeigt die fachgerechte Durchführung sowie die Möglichkeiten der Beurteilung der vorliegenden Schäden.
Auszug aus:
der SanierungsVorsprung
Ausgabe Juni / Juli 2024
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Wie jedes biologische Material ist Holz in der Natur einem natürlichen Abbauprozess unterworfen. Organismen wie Insekten und Pilze sorgen dafür, dass abgestorbenes Material wieder in den biologischen Kreislauf der Natur zurückgeführt wird. Was im Wald seine Berechtigung hat, ist im Gebäude i. d. R. unerwünscht. Dennoch beginnen auch hier Mikroorganismen und Insekten mit der Entsorgung von Holz, wenn die Umstände wie Bauteilfeuchte, Nährstoffgehalt etc. günstig sind.
Das Sichtbare ist oft nur die Spitze des Eisbergs
Für das Auge des Planers oder Handwerkers sind die Schaden oft nur in Teilbereichen ersichtlich, denn 80 % der Holzschädigungen spielen sich im Verborgenen ab. Durch Pilze verursachte Holzfaule ist oft erst im Endstadium sichtbar, wenn die Holzsubstanz soweit zersetzt ist, dass die Oberflache des Bauteils zerstört ist oder der Pilz mit seinen Fruchtkörpern an die Oberflache tritt, um sich zu vermehren. Im Inneren reichen die Schädigungen häufig aber noch weiter in die Substanz hinein, da sich das Mycel des Pilzes weiter entlang der Faser bewegt, um immer neue Nahrungsquellen zu erschließen. Da Pilze i. d. R. UV-Licht und Zugluft vermeiden, sind die Schäden z. B. bei Schwellen oder nicht allseitig einsehbaren Sparren oft auf der nicht sichtbaren Bauteilseite. Diese Schädigungen zu finden und einzugrenzen stellt eine besondere Herausforderung dar.
Um befallene Bereiche komplett zu entfernen und ein erneutes Wachstum der Fäule, besonders beim sehr zerstörerischen und schnell wachsenden Echten Hausschwamm, zu unterbinden, ist eine genaue Erfassung des befallenen Bereichs notwendig.
Die DIN 68800-4 besagt, dass geschädigte Bauteile 30 cm über den sichtbar geschädigten Bereich gesundgeschnitten werden müssen, bei Echtem Hausschwamm sogar 60 cm. Diese Angaben beziehen sich jedoch nicht auf den äußeren sichtbaren Bereich, sondern auf den letzten sichtbaren Bereich in der Schnittfläche. Was sich im Inneren des Holzes abspielt, ist also von großer Wichtigkeit für die Beurteilung.
Verborgene Schäden sichtbar machen
Schon früh wurde von Zimmerleuten festgestellt, dass mit einer Bohrung in das Bauteil Hohlräume festgestellt werden konnten und die Farbe des Bohrmehls über eine Fäule Auskunft geben kann. Für einen groben Überblick wird diese Methodik auch teilweise heute noch angewendet, wobei die Diagnostik des Bauteils hierbei nur in einem sehr überschaubaren Bereich erfolgen kann und keinen exakten Einblick in das Holzbauteil gibt, sondern nur eine Auskunft über eventuelle Zerfallsprodukte und Hohlräume liefert
Einen genaueren Einblick in die Struktur des Holzes und seine Beschaffenheit bieten dagegen elektronische Bohrwiderstandsmessgeräte. In diesem Beitrag soll es ausschließlich um die elektronischen Geräte gehen, da sie eine viel höhere Genauigkeit erreichen als die ebenfalls erhältlichen mechanischen Gerate. Die Methode wurde bereits vor über 30 Jahren entwickelt und erlaubt die schnelle und zerstörungsarme Untersuchung von Bauteilen mit einer sofortigen Darstellung des Holzquerschnitts noch in der laufenden Messung. Während diese anerkannte Methode weltweit bei der Untersuchung von Bäumen und hölzernen Spielgeräten zum Einsatz kommt, ist die Verbreitung in der Bauwerksdiagnostik geringer. Dies ist auf die viel höhere Komplexität der Einsatzmöglichkeiten im Bauwesen und die damit verbundenen Kenntnisse über Holzbau und Holzbearbeitung zurückzuführen.
Das Bohrwiderstandsmessgerät bohrt unter Vorgabe einer festen Drehzahl und mit konstantem Vorschub eine meist 40 cm lange Federstahlnadel mit O 3,0 mm an der Spitze und 1,5 mm am Schaft in das Holz. An der Spitze wird hierbei das Holz abgeschabt und der dazu benötigte Kraftaufwand elektronisch gemessen und als Kurve dargestellt. Da ein Jahrring aus Frühholz und Spätholz besteht und Frühholz eine geringere Dichte als Spätholz besitzt, kann so jeder Jahrring sichtbar gemacht werden. Dieser wird noch während der Messung vor
Ort auf einem Thermodrucker oder Display, beispielsweise das eines Smartphones, dargestellt.
Auf diese Weise wird es dem Prüfenden ermöglicht, die Schädigung bis zu ihrer äußersten Ausdehnung nachzuverfolgen, ohne das Bauteil massiv zu zerstören. Es bleibt lediglich ein kleines 3,0 mm großes Loch übrig.
Durch die hohe Auflösung der elektronischen Bohrwiderstandsmessgeräte können bereits feinste Veränderungen in der Jahrringstruktur festgestellt werden und es wird deutlich sichtbar, wann das Holz in der Dichte zu variieren beginnt.
Anwendungsbereich der Methode
Die Anwendung der Bohrwiderstandsmessung ist aber nicht nur auf die Erfassung von Fäuleschäden beschränkt. Die Tiefe eines Insektenbefalls kann, wenn er intensiv ausgeprägt ist, vor der Bebeilung festgestellt werden. Auch kleinste Risse und Abweichungen im Material, wie beispielsweise Äste, zeichnen sich im Bohrprofil ab.
Eine Überprüfung von Holzverbindungen ist ebenfalls möglich, beispielsweise die Zapfloch- bzw. Zapfverbindungen bei Fachwerkhäusern oder der Fußbodenaufbau in Altbauobjekten.
Auch nach Wasserschäden kommt die Bohrwiderstandsmessung zum Einsatz. Wenn Holz betroffen war und sich bereits verfärbt, kann hier eine beginnende Zersetzung durch Mikroorganismen schnell erfasst und können Gegenmaßnahmen getroffen werden. Partielle Schädigungen an Leimbindern und ihren Lamellen können genauso registriert werden. Ein Vorteil der Bohrwiderstandsmessungen ist die Anwendbarkeit in jeder Bauphase. Auch bei plötzlich auftretenden Schäden während der Sanierungsmaßnahme kann die Ausdehnung auf diese Weise schnell ermittelt und eingegrenzt werden.
Der Nutzen der Bauteiluntersuchung durch Bohrwiderstandsmessungen liegt auf der Hand: Die Substanz wird nur wenig geschädigt, und es kann eine vergleichsweise genaue Aussage über das Bauteil und die Holzqualität vor Ort getroffen werden. Mittlerweile verlangen viele Denkmalbehörden im Vorfeld von Baumaßnahmen eine exakte Erfassung des Zustands der historischen Konstruktionshölzer. Mit einer solchen Zustandskartierung kann mehr historische Bausubstanz erhalten werden, als dies mit herkömmlichen Methoden der Fall ist.
Gerade im Bereich hochwertiger Denkmale sind Sonderlösungen unter Zuhilfenahme der Bohrwiderstandsmessung möglich. Sollen beispielsweise Deckenbalkenköpfe im Bereich des Mauerauflagers auf ihren Zustand untersucht werden, so ist dies im Regelfall nur möglich, wenn die Decke von der Unterseite geöffnet oder von der Oberseite der Bodenbelag entfernt wird, um die Balken einzusehen. Für die Untersuchung der Holzbauteile geht folglich andere wertvolle historische Bausubstanz verloren. Mittels Bohrwiderstandsmessungen lassen sich die Deckenbalken aber durch den Dielenoder Parkettboden ohne gravierende Eingriffe in die Bausubstanz untersuchen. Diese Methode erfordert lediglich einen Zusatzaufwand, um die Deckenbalken ausfindig zu machen. Dies geschieht unter Zuhilfenahme eines Metalldetektors, der die Nägel zur Befestigung der Dielen findet.
Bohrwiderstandsmessung als Teil einer Schadensbeurteilung
Vor einer Sanierung bei größeren Baumaßnahmen am Gebälk empfiehlt sich prinzipiell eine Untersuchung und Kartierung der Schäden, um eine genauere Planung der Sanierungsmaßnahme zu erreichen und Kosten besser im Griff zu behalten. Hierzu werden die Hölzer zuerst visuell und manuell (durch Abklopfen) begutachtet, um dann an verdächtigen Stellen oder bekannten Schwachstellen mittels Bohrwiderstandsmessungen in die Tiefe zu gehen und genauere Informationen zu erhalten.
In Kombination mit Holzfeuchtemessungen kann auch ein Rückschluss auf die Aktualität der Schädigungen gezogen und die zukünftige Vermeidung eines erneuten Schadens erreicht werden Die Praxis zeigt jedoch, dass Schäden an den Konstruktionshölzern zwar oft repariert, die Ursachen für die Schädigung aber nicht oder nur unzureichend beseitigt werden. Ein festgestellter Schaden muss also auch immer zusammen mit seinem Umfeld betrachtet werden, um nachhaltig saniert werden zu können.
Die Schwierigkeit der Anwendung der Bohrwiderstandsmessmethode im Baubereich liegt im Gegensatz zur Anwendung am Baum in der Kenntnis der Bauteilabfolge und der Anatomie der einzelnen Hölzer. Bei der Untersuchung von Bäumen sind i. d. R. die Bohrrichtung und das Zentrum der Jahrringe ersichtlich. Bei Bauhölzern ist dies oft nicht der Fall, insbesondere, wenn sie verdeckt eingebaut sind oder mehrere Bauteile aufeinanderfolgen.
Der Anwender muss also eine konkrete Vorstellung des Aufbaus der Konstruktion mitbringen, an der er bohrt, und Erfahrung haben, wie sich die einzelnen Schadensbilder im Messdiagramm darstellen. Ansonsten kann es schnell zu einer Fehlinterpretation der Messung kommen und ein potenzieller Schaden bleibt unentdeckt oder ein intaktes Holz wird als defekt deklariert. In beiden Fällen können hohe ungewollte Folgekosten entstehen. Eine Schulung beim Gerätehersteller ist notwendig, um die Bedienung des Gerätes zu beherrschen, sowie eine regelmäßige Anwendung, um Erfahrung zu sammeln und Sicherheit in der Interpretation der Messkurve zu erreichen.
Letztendlich kann mit Bohrwiderstandsmessungen eine nachhaltige und schnelle Aussage über ein Holzbauteil oder über ganze Holzkonstruktionen getroffen werden. Mit dieser haben Bauherren, Architekten, Tragwerksplaner und Handwerker sowie Denkmalbehörden eine solide Grundlage zur Sanierungsplanung, Aussagen über die Standfestigkeit sowie Kostenkalkulation an der Hand. Nachträge im Bereich der Holzsanierung werden reduziert.
Literatur
DIN 68800 Holzschutz im Hochbau
Ehlbeck, Jürgen/Görlacher, Rainer: Bohrwiderstandsmessungen an eingebautem Konstruktionsholz. Sonderdruck im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 315 (Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke) der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Universität Karlsruhe, 1990.
Leitfaden zur Dokumentation im konstruktiven Holzbau, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hg.), 2020.
Rinn, Frank: Erfassung und Dokumentation des Zustands hölzerner Konstruktionen, in: Dieter Ansorge, Gerd Geburtig (Hg.): Historische Holzbauwerke und Fachwerk. Instandsetzen – Erhalten. Teil 1: Schwerpunkt Warme- und Feuchteschutz, Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag 2008.
Rinn, Frank: Gucken, Klopfen, Bohren. Zerstörungsfreie Bohrwiderstandsmessung als Teil der ingenieurtechnischen Holzuntersuchung, in: Bausubstanz (Mai 1993) S. 49–52.
WTA Merkblätter, Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V. -WTA-, Referat 1 Holz und Holzschutz, München: 2024.
WTA Merkblätter, Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V. -WTA-, Referat 8 Fachwerk und Holzkonstruktionen, München: 2023.
Zur Person
Sven Golling M.A.
arbeitete nach seinem Studium an der Universität Heidelberg an unterschiedlichen Projekten in der Bauforschung und Bauarchäologie. Von 2007 bis 2014 war er als Mitarbeiter im Ingenieurbüro Frank Rinn zum Thema Holz tätig und ist seit 2014 als selbstständiger Sachverständiger für Holzkonstruktionen mit Schwerpunkt auf Altbau und denkmalgeschützten Gebäuden in Bruhl (Baden) ansässig.
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