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Sachverständiger Ritz, Torgau

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Überflutung präventiv vorbeugen

Durch mehrfache Nutzung des Betriebswassers in einem Gartencenter kann die Grundwasserentnahme drastisch reduziert werden

Landwirtschafts- und Gartenbaubetriebe erhalten eine wasserrechtliche Erlaubnis zur kostenlosen Entnahme von Grundwasser für die Bewässerung ihrer Kulturen, sofern die Bereitstellung von Trinkwasser in der Region dadurch nicht gefährdet ist. Eine solche Erlaubnis hat auch das Gartencenter Göppert in Haslach/Kinzigtal für seinen Produktionsbetrieb. Dennoch wurde nach Überflutungen durch Starkregen massiv in Regenspeicher investiert. Ein Trend im Gartenbau?

Das Unternehmen Göppert wurde 1986 gegründet. Es hat sich vom einfachen Blumenladen zum Gartencenter mit Feinkostabteilung und Gastronomie entwickelt, das mit Freilandpflanzen überwiegend aus der angegliederten eigenen Gärtnerei versorgt wird. Beide Betriebe sind im Familienbesitz und befinden sich direkt nebeneinander am Stadtrand von Haslach/Ortenaukreis, unmittelbar an der Bundesstraße 33, die von Offenburg in den mittleren Schwarzwald führt. Betriebserweiterungen wurden 2004 und 2019 durchgeführt, die letzte mit Umstellung der Bewässerung auf die Wiederverwendung von Niederschlagswasser.

Den Starkregen bändigen – vorsorglich!

„Wasser gibt es hier genug, auch ohne Regenspeicher“, sagt Johannes Wöhrle, Betriebsleiter des Unternehmens Göppert. Durch den vorhandenen Brunnen herrscht kein Wassermangel. „Die Auflage der Baubehörde zur Versickerung des gesamten Niederschlags von den Dachflächen unserer Gewächshäuser haben wir schon vor einigen Jahren umgesetzt. Bei der letzten Baugenehmigung wurde noch ein zusätzliches Rückhaltevolumen gefordert.“ In Kooperation mit dem ortsansässigen Bauunternehmer Herbert Hansmann hat er Lösungen erarbeitet und verglichen. Schließlich betrugen die Mehrkosten der inzwischen realisierten Speicheranlage zur Nutzung des Regenwassers mit Versickerung des Überlaufs nur ca. 10.000 Euro gegenüber einer reinen Rückhalte- und Versickerungsrigole, wie sie in der Baugenehmigung gefordert war. Jeder zur Bewässerung genutzte Kubikmeter Regenwasser erhöht das Rückhaltepotenzial der gesamten Anlage und verbessert so die Starkregenvorsorge. „Auch darauf kommt es an“, sagt Hansmann, „denn tiefliegende Teile der Gärtnerei waren nach Starkregenereignissen schon zweimal überflutet.“ Die in Eigeninitiative des Unternehmens erweiterte Regenwasserbewirtschaftung funktioniert optimal, wenn in Trockenperioden die Speicher voll, in Regenzeiten aber möglichst leer sind, damit ein Starkregen so gepuffert werden kann, dass die Versickerung hydraulisch nicht überlastet wird.

(1) Seit der Betriebserweiterung 2019, als die Verwendung von Niederschlagswasser in das Bewässerungssystem integriert wurde, gehören zur Gärtnerei Göppert ca. 7.000 m² Produktionsfläche unter Glas und Folie sowie ca. 3.000 m² Produktionsfläche im Freiland.
© Bild Dipl.-Ing. Klaus W. König

(2) Gartencenter Göppert am Stadtrand von Haslach im Kinzigtal/Ortenaukreis. Bei der letzten Betriebserweiterung 2019 wurde u. a. die Wiederverwendung von Niederschlagswasser in das Bewässerungssystem integriert. Ungenutztes Regenwasser wird versickert. Die Kunden-Stellplätze sind wasserdurchlässig.
© Bild Dipl.-Ing. Klaus W. König

Doch es gibt noch einen weiteren Aspekt, der für die Nutzung des Niederschlags spricht: Warum das für den Gartenbau hervorragend geeignete Regenwasser versickern, wenn um diese Menge weniger Brunnenwasser gefördert werden muss? Beides benötigt elektrische Pumpen, beides ist frei von Wassergebühr, doch das weiche Regenwasser ist laut Wöhrle universell einsetzbar. Brunnenwasser hingegen enthält gelöste Stoffe, die von Ort zu Ort unterschiedlich sind und je nach Kulturen im Gartenbau stören können, das heißt vor Verwendung erst entfernt werden müssen. Auch weiß niemand, ob die Erlaubnis zur Entnahme von Brunnenwasser immer wieder verlängert wird und der Grundwasserspiegel so hoch bleibt, wie er aktuell ist. Grundwasserentnahme reduzieren ist jedenfalls praktizierter Umweltschutz. Allerdings muss der Wasserstand im Vorratsbehälter für Brunnenwasser an die Wetterlagen angepasst werden. Wöhrle kann ihn vom Smartphone aus regeln. Maßgeblich sind der bevorstehende Bewässerungsbedarf und der momentane Regenwasservorrat. Die Daten der eigenen Wetterstation und die allgemeine Wettervorhersage spielen dabei eine Rolle.

Gereinigtes Regenwasser sammeln – wie?

Aktuell entwässern ca. 4.000 m² Glasdachfläche in unterirdische Regenspeicher. Im Gegensatz zu früher werden solche Speicher wegen der kurzen Bauzeit und hohen Materialqualität nicht mehr vor Ort betoniert, sondern aus vorgefertigten Elementen montiert. „Ist die Baugrube ausgehoben und mit Sand oder Splitt belegt, werden wie hier etwa 200 m³ Behältervolumen an einem Tag installiert“, sagt Günter Noack vom Hersteller Mall. Zwischen 7.00 und 10.30 Uhr lieferten acht Fahrzeuge die Betonbehälter an, die kontinuierlich vom Autokran versetzt und in der Baugrube als Regen- und Brunnenwasserspeicher montiert wurden. Voraussetzung für den reibungslosen Transport auf der Straße ist eine Spedition, die Erfahrung mit den erforderlichen Sondergenehmigungen bei Überbreite solcher Bauteile hat.

Am Ende der beiden regenwasserführenden Grundleitungen sitzt zur Vorreinigung jeweils ein Sedimentationsschacht mit 1,5 m Innendurchmesser, obwohl sich auf Glasflächen wenig Schmutz ablagert. Doch im Zyklus von mehreren Jahren ist starker Pollenflug von den Nadelbäumen des umliegenden Schwarzwaldes zu erwarten. Übliche Regenfilter sind dafür weniger gut geeignet als die hier verwendeten Sedimentationsschächte, an deren Wasseroberfläche der Blütenstaub schwimmt, bevor er verklumpt und wie sandige Partikel an den Behälterboden sinkt. Die Speicherbatterie selbst besteht aus weiteren zwölf zylindrischen Betonbehältern mit je 2,5 m Innendurchmesser, die oberhalb des Behälterbodens mit Rohren zu einem kommunizierenden Gefäß von ca. 170 m³ Fassungsvermögen verbunden sind. Der zwölfte Behälter sitzt etwas tiefer als die anderen, sodass sich dort der sogenannte Pumpensumpf zur Entnahme des Regenwassers bildet. Bei vollen Speichern und weiter anhaltendem Regen mündet der Überlauf direkt in die schon vorhandene Versickerungsrigole.

Vier weitere Behälter mit zusammen 30 m³ Volumen, Nr. 13 bis 16 mit Innendurchmesser 3,0 m, vervollständigen die Speicheranlage. Nummer 13 ist mit dem calciumhaltigen Brunnenwasser gefüllt, denn in regenarmen Perioden wird das Bewässerungssystem aus dem Grundwasserbrunnen nachgespeist. Die in Haslach-Bollenbach geförderte Grundwasserqualität eignet sich erfreulicherweise für viele Arten von Topfpflanzen. In Behälter Nr. 14 sammelt sich der Rücklauf der gefluteten Pflanztische vor der Wiederverwendung. Und in Nr. 15 und 16 werden daraus sowie aus reinem Regenwasser von Behälter Nr. 12 zwei düngerhaltige Wasserqualitäten gemischt und zur automatischen Bewässerung vorgehalten. Mit dem pH-Wert, der regelmäßig kontrolliert wird, gibt es keine Probleme.

(3) Lieferung von Betonbehältern, die miteinander verbunden den unterirdischen Wasservorrat von ca. 200 m³ Volumen bilden: Behälter und Schachtbauteile wurden im Halb-Stunden-Takt vom Hersteller zum Einbauort transportiert. Das Versetzen erfolgte per Autokran an einem Vormittag.
© Bild Klumpp

Den Bewässerungskreislauf schließen

Neben der Wassermenge sind für jede Kultur die erforderliche Wasserqualität und die Art der Bewässerung unterschiedlich. Auf einfachen Flächen im Freiland wird der Wurfregner oder die wassersparende Tropfbewässerung eingesetzt. Topfpflanzen im Glashaus erhalten Sprühnebel von oben oder einen Wasserfilm von unten durch das Fluten der Tische, auf denen Topf an Topf steht. In allen Fällen werden Leitfähigkeit und automatische Dosierung der Düngemittel eingestellt, bevor das Wasser die jeweilige Pflanzengruppe erreicht.
Licht, Luftfeuchte und Temperatur in den Glashäusern sind weitere Parameter, die eine permanente Regelung erfordern, um das gewünschte Pflanzenwachstum und Aussehen zu erreichen. Nach dem Eintopfen werden die Pflanzen auf die Transport- und Mobiltischsysteme gesetzt und auf den richtigen Abstand „gerückt“. Dann werden sie in das für die jeweilige Kultur vorgesehene Glashaus verschoben. Dabei dient das gesamte System der Tisch-Untergestelle als Schiebebahn für die darauf beweglich gelagerten Tischrahmen. In jedem Rahmen befindet sich eine Kunststoffwanne, damit für die Bewässerung der Topfpflanzen die Tischoberflächen geflutet werden können. Die Anstauhöhe wird über die eingestellte Bewässerungszeit gesteuert. Im Rücklauf werden Substratpartikel durch einen sog. „Hollandfilter“ ausgesiebt. Gelöste Düngemittel gelangen mit dem Restwasser in den unterirdischen Auffangbehälter zur Wiederverwendung und Ergänzung durch frisches Wasser und zusätzliche Düngerlösung. Die Automatik für die Dauer und stoffliche Zusammensetzung des richtigen Bewässerungsintervalls wird vom verantwortlichen Gärtner, dem „Kultivator“, im zentralen Rechner eingestellt und mit den Klimadaten im Umfeld der Kulturen abgeglichen. Durch dieses geschlossene und durch Computertechnik optimierte Kreislaufverfahren wird Abwasser vermieden und die Zugabe von Additiven in die Bewässerung auf ein Minimum begrenzt.

(4) Die Regenspeicher stehen nebeneinander und sind unterirdisch zu einem kommunizierenden Gefäß von ca. 170 m³ Fassungsvermögen verbunden. Das zulaufende Regenwasser wird in zwei Sedimentationsbehältern gereinigt. Der Dachflächenanteil, der in die Regenspeicher entwässert, beträgt ca. 4.000 m².
© Bild Göppert

(5) Installation der Bewässerungstechnik, von der für jede Pflanzenkultur eine andere Wassermenge und -qualität bereitgestellt wird: Das erfordert passende Leitungen und Pumpen sowie unterschiedlichen Wasserdruck für Wurfregner im Freiland bzw. Handbrausen, Sprühdüsen und Flutventile der Pflanztische im Gewächshaus.
© Bild Dipl.-Ing. Klaus W. König

Zusätzlich Kosten und Ressourcen sparen

Ebenso wie Wassermenge, Wasserqualität und Bewässerungsart je nach Kultur unterschiedlich sein müssen, bedarf es auch verschiedener Leitungen und Pumpen im Bewässerungssystem. Der Volumenstrom (Wassermenge pro Zeit) ist bei Wurfregnern im Freiland um ein Vielfaches höher als beim Verwenden einer Handbrause im Gewächshaus. Auch der Wasserdruck muss unterschiedlich sein, abhängig von Durchmesser, Länge und Material der Leitungen. Diese Zusammenhänge zu berechnen und mit den richtigen Komponenten zu kombinieren, ist Sache von Spezialisten, z. B. bei Otte Metallbau in Niedersachsen. Sie haben bei diesem Objekt die Pumpen, Filter, Ventile, Leitungen und mobilen Pflanztische mit Untergestellen geplant, geliefert und installiert. Die zugehörige Regeltechnik stammt von Elektrotechnik Eckmann – auch der Klimacomputer, welcher Temperatur, Luftfeuchte und Belichtung der Glashäuser steuert. Abhängig von den im Umfeld der Kulturen herrschenden Klimaverhältnissen regelt dieser zentrale Rechner auch die komplette Hydraulik, das heißt die Bewässerung, nach Art, Menge und Dauer. Das Ziel ist, unter idealen Bedingungen bestmögliche Ergebnisse für den Verkauf zu erzielen, aber auch Kosten für Ressourcen wie Energie, Wasser und Düngemittel einzusparen.
Geschäftsführerin Stefanie Göppert und Betriebsleiter Johannes Wöhrle waren und sind sich mit Bauunternehmer Herbert Hansmann einig, dass das ökologische Konzept im Betrieb Göppert weiter ergänzt werden soll, um nachhaltig und zeitgemäß die Umwelt zu entlasten. So wurden die Fahrzeugstellplätze vor dem Gartencenter wasserdurchlässig befestigt, beim Rückbau mehrerer Glashäuser die anfallenden Kies-, Beton- und Steinabfälle zerkleinert und bei den neu erstellten Gebäuden als Unterbau verwendet. Auch die Umstellung der Heizzentrale bei Grundlastbetrieb auf den regional verfügbaren Brennstoff Holzpellets ist ein umweltfreundlicher Aspekt. Doch schon 1999 hatte der inzwischen verstorbene Firmengründer Albert Göppert die wichtigste ökologische Entscheidung getroffen: Die eigene Gärtnerei sollte als Produktionsbetrieb das Gartencenter mit Freilandpflanzen weitgehend versorgen. Damit entfallen Verpackungen sowie lange Transporte über den Großhandel. Zu 95 % ist das aktuell noch der Fall, und darauf ist man bei Göppert besonders stolz. In Zukunft wird neben dem bisher bezogenen Ökostrom auch elektrische Energie aus eigener Photovoltaik eine Rolle spielen. Die nicht aus Glas bestehenden Dächer des Gartencenters wurden vorsorglich darauf ausgelegt. Und weitere Produktionsflächen unter Glas sollen nach und nach an den geschlossenen Wasserkreislauf zum Recycling von Wasser und Düngemittel angeschlossen werden.

Sammeln, speichern, gießen …

Die Technischen Regeln für den Umgang mit Regenwasser werden aktuell neu geschrieben. Speziell das im Dezember 2020 als Entwurf veröffentlichte Arbeitsblatt DWA-M 102-4 verlangt künftig bei Baumaßnahmen, auf die örtliche Wasserhaushaltsbilanz zu achten. Demnach soll der Niederschlag wie auf naturbelassenen Flächen der jeweiligen Region verteilt werden. Im Allgemeinen bedeutet das, den Verdunstungsanteil auf ca. 60 % zu erhöhen, etwa 30 % zu versickern und die Ableitung auf ca. 10 % zu reduzieren. Gründächer werden für ihren Verdunstungsanteil gelobt. Aber sie können in der Regel nur dann Wasser verdunsten, wenn es kurz zuvor auch geregnet hat. Anders bei der Bewässerung: Gesammeltes Regenwasser wird genau dann ausgebracht, wenn es nicht regnet und die Pflanzen besonders viel Bedarf haben – also zu einer Zeit, in der an anderer Stelle Niederschlag zur Verdunstung nicht bereitsteht. Nach der Bewässerung verdunstet die Pflanze einen Teil des aufgenommenen Gießwassers und erbringt dabei für ihre Umgebung eine Kühlleistung – genau zur richtigen Zeit – an heißen und trockenen Tagen.

Der Autor

Dipl.-Ing. Klaus W. König

ist selbstständig tätig und lebt in Überlingen am Bodensee. Als freier Fachjournalist und Buchautor veröffentlicht er regelmäßig Artikel in Umwelt-, Architektur-, GaLaBau-, Heizungs- und Sanitärzeitschriften. Er ist Mitarbeiter des DIN-Ausschusses für Wasserrecycling, Regen- und Grauwassernutzung.

Kontakt:

www.klauswkoenig.de

Schwindrisse, Sackrisse & Co.

Beispiele zur Beurteilung von Rissen im Außenputz

Risse im Außenputz bilden sich manchmal erst Jahre nach dem Bau oder einer Sanierung. Bei der Ursachenermittlung ist es wichtig, auch unter den „Putz“ zu sehen, um der Rissentstehung auf den Grund zu gehen, wie die folgenden Beispiele zeigen.

An Fassaden und Außenputzen kann es eine Vielzahl von unterschiedlichen Rissen in Art, Form und Größe geben. Die Tatsache, dass ein Riss im Außenputz vorhanden ist, muss zwangsläufig noch nicht bedeuten, dass ein Mangel vorliegt oder ein Schaden entstanden ist. Grundsätzlich kann die Aussage getroffen werden, dass eine völlig rissfreie Oberfläche nicht bzw. nur bedingt herzustellen ist. Dies führt dazu, dass die Putznorm DIN 18550-1 [1] vereinzelte Haarrisse mit einer Rissweite < 0,2 mm als hinnehmbar bewertet, da sich der technische Wert des Putzes nicht verändert. Die Frage, ob ein Riss im Putzsystem hinnehmbar ist oder nicht, wird von der Rissweite und der Beeinträchtigung der geforderten technischen Funktion bestimmt.

Neben der technischen Bewertung findet auch eine optische Bewertung unter den gebrauchsüblichen Bedingungen statt. Das heißt, die Beleuchtungsbedingungen, der normale Nutzerabstand sowie die übliche Nutzung sind bei einer Beurteilung zu berücksichtigen. Eine Vorgabe, aus welchem Abstand die Beurteilung erfolgt, gibt es dabei nicht. Bereiche um eine Eingangstür werden z. B. aus ca. einem Meter Abstand bewertet, während Bereiche in den Obergeschossen vom Geländeniveau aus betrachtet werden.

Die Unterscheidung von Rissen im Außenputz erfolgt nach ihrer möglichen Schadensursache. Zur Beurteilung ist es erforderlich, so viele Informationen wie möglich über die Beschaffenheit der Bausubstanz einzuholen. Im Vorfeld sind alle entsprechenden Grundlagen zu hinterfragen. Welcher Untergrund bzw. welche Art von Mauerwerk besteht? Welches Putzsystem wurde ausgeführt? Zu welchem Zeitpunkt wurden die Arbeiten ausgeführt? Eine Bauteilöffnung erfolgt im Anschluss nur als zusätzlich unterstützende Maßnahme.

Eine grobe Unterteilung der Risse erfolgt in baudynamische und putzbedingte Risse. Gemäß dem BFS Merkblatt Nr. 19 Risse in Außenputzen – Beschichtungen und Armierungen [2], das sich mit der Überarbeitung von Rissen beschäftigt, werden die Rissarten wie folgt unterschieden:

  • A – Putzrisse, nicht vom Putzträger ausgehend
  • A1 – Putzoberflächenrisse
  • A2 – durch Putzlagen gehende Risse
  • B – Risse vom Putzträger ausgehend
  • B1 – Risse an Stoß- und Lagerfuge
  • B2 – Risse durch Formveränderung unterschiedlicher Wandbildner
  • C – baudynamische Risse
  • C1 – bautechnische und konstruktionsbedingte Risse
  • C2 – baugrundbedingte Risse

 

Beurteilen der Rissbildung

Bei der Beurteilung gerissener Putzsysteme sollten grundlegend folgende Fragen beantwortet werden:

Wird die technische Funktion der Putzfassade durch die Rissbildung beeinträchtigt?
Durch eine technische Beeinträchtigung kann die Putzfassade nicht mehr im vollen Umfang den erforderlichen Fassadenschutz vorhalten. Es kann zu partiellen Verwitterungsschäden kommen, und durch eindringende Feuchtigkeit wird auch die Wärmeströmung beeinträchtigt.

Ist das Rissbild aufgrund einer Veränderung des Bauteils entstanden?
Durchaus sind erkennbare, harmlos aussehende Risse auf eine starke Veränderung im Baugrund zurückzuführen. Im schlimmsten Fall beeinträchtigt diese Veränderung die Statik, somit wird aus einer einfachen Rissbildung ein schwerwiegendes Problem.

Ist der Riss in einem Endzustand oder muss zukünftig mit einer weiteren Veränderung gerechnet werden?
Der überwiegende Teil von auftretenden Rissen tritt einmalig auf. Mit zunehmender Standzeit klingen die Spannungen, die zur Rissbildung geführt haben, ab, und die Rissbildung kommt zur Ruhe.

Ist die Rissbildung in der Putzschicht oder in der Baukonstruktion?
Während Putzrisse lediglich an der Oberfläche der Putzschicht auftreten oder die komplette Putzschicht trennen, sind Risse, die aufgrund der Baukonstruktion entstanden sind, immer in Verbindung mit dem Untergrund zu bringen. Hierzu zählen z. B. die Rissbildung aufgrund eines nicht fachgerecht verfugten Mauerwerks oder Risse im Bereich einer Gebäudetrennung, die nicht ordnungsgemäß ausgebildet wurden sowie Risse aufgrund von Geländesetzungen.

Ist durch die Rissbildung die optische Gebrauchsfunktion beeinträchtigt?
Ob ein Riss optische Auswirkungen auf eine Putzfläche hat, hängt von der Sichtbarkeit und Lage des Risses ab. Geprüft wird unter einem gebrauchsüblichen Abstand. Der gebrauchsübliche Abstand bezieht sich nicht auf eine genau Entfernung, sondern ist je nach Nutzung entsprechend auszulegen. Dabei sind weiterhin die Blickposition und auch die Beleuchtung einzubeziehen.

Wie die Beurteilung der Rissbildung konkret erfolgt, wird im Folgenden an unterschiedlichen Fallbeispielen aufgezeigt.

 

Fall 1: Kleiner Riss mit großer Wirkung

Putzrisse, die vom Untergrund ausgehen

In diesem Fall wurde eigentlich kein Riss bemängelt, sondern ein recht großer Wasserschaden in einem Mauerwerk. Der Wasserschaden war deutlich von innen erkennbar. Auch im Außenbereich zeichneten sich Verfärbungen durch Feuchtigkeit ab. Ein Schaden aus einer wasserführenden Leitung war auszuschließen, so blieb nur eine genaue Begutachtung der Fassade. Der Zugang wurde dabei über ein Gerüst gesichert.

Oberhalb der Feuchtigkeitsflecken an der Fassade war ein geradliniger Riss erkennbar. Die Rissbreite betrug nur 0,2 mm und war daher eher als klein zu bezeichnen. Trotzdem verlief die Feuchtigkeitsgrenze parallel zum Rissverlauf. Die Ausrichtung der Mauerwerksfläche liegt genau zur Wetterseite, und auftreffender Regen beansprucht diese Fläche in besonderem Maße. Zur weiteren Überprüfung und zur besseren Orientierung wurden zerstörungsfreie Feuchtigkeitsmessungen durchgeführt. Damit lässt sich relativ unkompliziert eine Aussage zum Verlauf der Feuchtigkeit im Mauerwerk treffen.

Tatsächlich weitete sich die Feuchtigkeit nur unterhalb des Risses aus. Eine Klopfprobe zeigte weder Hohlstellen noch sonstige Auffälligkeiten. Nachdem augenscheinlich keine weiteren Komponenten erkennbar waren, musste die Fassade in diesem Bereich geöffnet werden. Die Bauteilöffnung zeigte die Ursache für die Rissbildung und somit auch für die eindringende Feuchtigkeit. Das Mauerwerk wurde mit hochdämmenden Hochlochziegelsteinen mit Mörtelfuge errichtet. Dabei wurde die Mörtelfuge nicht vollflächig verschlossen. Ein Riss bildete sich. Der Riss ließ Feuchtigkeit durch Winddruck bis tief in das Mauerwerk eindringen und verursachte eine Auffeuchtung im Untergrund. Ein Austrocknen des Mauerwerks in der Trockenzeit war nicht möglich, da die Wasseraufnahme durch den Riss größer war als die Diffusion und die damit verbundene Austrocknung.

 

Fall 2: Horizontaler Rissverlauf an einer Garage

Putzrisse aufgrund von Materialwechsel (untergrundbedingt)

Beim Betrachten der Fassadenfläche der Garage war der horizontale Riss mit einer Breite von 3 mm sofort sichtbar. Aufgrund seiner Größe war er als störend zu bezeichnen, Feuchtigkeit konnte hier ebenfalls eindringen. Auffällig war, dass der Rissverlauf über die komplette Breite der Garage erkennbar war. Im Bereich der Garagentüre sprang der Riss nach unten auf die Höhe des Türsturzes. Der Putz an den angrenzenden Bereichen des Risses ist als fest zu bezeichnen.

Auch hier war es besonders wichtig, alle Komponenten im Vorfeld zusammenzutragen, um den Sachverhalt zu analysieren. Die Lage der Betondecke verriet, dass die Rissbildung mit dem Verlauf des Ringankers übereinstimmen könnte. Rissbildung aufgrund unterschiedlicher Materialien oder Bewegungen aus dem Untergrund sind keine Seltenheit. Im Bereich der Tür bzw. des Türsturzes war es einfach, ein Stück aus dem Putz zu lösen, um einen Blick auf den Untergrund zu bekommen. In diesem Bereich wurde sichtbar, dass die Ursache für die Rissbildung vom Betonanker ausgeht.

Der Beton und die Mauerwerksflächen sind bündig ausgeführt. Der Putz (Leichtputz) wurde direkt aufgetragen. Eine Gewebearmierung im Bereich der wechselnden Untergründe zwischen Mauerwerk und Beton war nicht vorhanden. Da der Ringanker und der Türsturz am Stück betoniert wurden, er klärt sich auch, warum der Riss in diesem Bereich verspringt. Hier wäre ein Ringanker aus Schalsteinen oder eine Dämmung im Bereich des Betons sicherlich von Vorteil gewesen. Auf jeden Fall hätte jedoch vor den Putzarbeiten eine entsprechende Armierung ausgeführt werden müssen.

Fall 2 – geradliniger Rissverlauf mit Rissbreite von 3 cm

© Jörges

Fall 3: Schollenartige Risse im Bestandsgebäude

Risse aufgrund der Putztechnik

Diese Art der Risse treten zwar relativ schnell während der Trocknungsphase auf, jedoch werden sie manchmal erst nach vielen Jahren sichtbar. Das Gebäude ist mit der Zeit einer natürlichen Verschmutzung unterworfen. Die bislang unentdeckten Risse bieten der Feuchtigkeit Gelegenheit, in den Untergrund zu gelangen. Dabei werden kleinste Schmutzpartikel mitgeschwemmt, und es kommt mit der Zeit zur deutlich sichtbaren Rissbildung. In den seltensten Fällen durchdringen sie die komplette Putzstärke. Sie entstehen im Zuge der Trocknung nach dem Aufbringen des Putzmörtels.

Die Schrumpfrisse zeigten sich netzförmig an der Putzoberfläche des Gebäudes. Ihre Rissweite kann bis ca. 0,5 mm betragen. Sie entsteht durch zu schnelles Austrocknen des Putzmaterials an der Putzoberfläche. Die Putzschicht ist fest am Untergrund verankert.

Wie immer beginnt die Schadensanalyse mit dem Sammeln von Daten und Fakten. Dabei hilft durchaus ein Blick in die Bauakte. Darin finden sich Hinweise, in welcher Art und Weise das Gebäude errichtet und welche Steine verwendet wurden.

Das Gebäude wurde mit Gasbetonplanblocksteinen gemauert. Es handelt sich hierbei um einen relativ weichen Stein. Das Putzsystem muss auf die Eigenschaften dieses Untergrunds abgestimmt sein. Ist der Putz zu hart oder trocknet die Putzschicht aufgrund einer fehlenden Grundierung zu schnell aus, kommt es zu Rissbildungen, die sich hier erst nach Jahren abzeichneten.

Für die Überprüfung der Putzschicht sollte vermieden werden, sofern möglich, das Gebäude mit einer Bauteilöffnung zu beschädigen. Durchdringungen wie Lüftungsrohre oder Ähnliches verbergen hinter ihrer Abdeckung meistens die Aspekte, die zur Beurteilung notwendig sind, und somit ist diese auch ohne Zerstörung der Putzschicht möglich. Zur Ursachenermittlung wurde die Bauakte herangezogen, um zu überprüfen, auf welches Baumaterial gemauert und überputzt wurde. Dabei wurde klar, dass das System starrer als der Stein war und es dadurch zur Rissbildung kam.

 

Fall 4: Riss im Neubau

Putzrisse aufgrund mangelhafter Vorarbeit/Putztechnik

Wenn die Rissbildung geradlinig im Verlauf der Stoß- und Lagerfugen zu sehen ist, ist eine Bauteilöffnung unumgänglich. Der Rissverlauf lag mitten in der Fläche. Es gab keinerlei Hinweise darauf, dass ein Materialwechsel als Ursache in Betracht gezogen werden konnte. In erster Linie mussten deshalb der Untergrund und das ausgeführte Putzsystem beurteilt werden. Daher wurde der Rissbereich mit einer Bohrkrone geöffnet. Nachdem der Putz im Inneren der Bohrung entfernt wurde, konnte in diesem Bereich der Untergrund bewertet werden, während gleichzeitig an der Flanke der Öffnung ein Querschnitt durch das Putzsystem zu sehen war. So entsteht das zur Analyse nötige Gesamtbild.

Das Mauerwerk besteht aus einem Hochlochziegelstein. Im Bereich der Bauteilöffnung ist erkennbar, dass die Steine geklebt wurden und keine dicke Lagerfuge vorhanden war. Festzustellen war jedoch ebenfalls, dass die Mauersteine nicht eben vermauert waren. Ein Versprung in der Fläche war deutlich sichbar.

Der ausgeführte Unterputz war in seiner Schichtstärke weit vom Soll-Zustand entfernt. Unterputze werden in der Regel mit einer Stärke von 15–20 mm im Außenbereich ausgeführt. In diesem Fall war bei der Bauteilöffnung ersichtlich, dass die Putzstärke mit maximal 8 mm nicht diesen Anforderungen entspricht und zu dünn aufgetragen worden war. Die Rissbildung erfolgte aus dem Versprung der Mauerwerkssteine in Verbindung mit einem zu dünnen Unterputz. Auftretende Spannungen konnten so nicht abgefangen werden.

 

Fall 5: Riss im Bereich einer Rollladenschiene

Risse durch mangelhafte Ausführung

Bei einem Mehrfamilienhaus verliefen rechts und links Risse im Putz als Verlängerung des Fenstersturzes (Bild 7). Die Risse waren in ihrer Rissbreite sehr unterschiedlich, hatten jedoch alle den gleichen Ursprung. Die Metallkante des Rollladenkastens als unterer Abschluss ragte in das Putzsystem hinein. Auftretende thermische Spannungen führten zur unerwünschten Rissbildung. Die Metallschiene hätte vor der Ausführung der Verputzarbeiten zurückgeschnitten werden müssen. In diesen Fällen ist eine Bauteilöffnung nicht notwendig.

Literatur

[1] DIN 18550-1:2018-01 Planung, Zubereitung und Ausführung von Außen- und Innenputzen – Teil 1: Ergänzende Festlegungen zu DIN EN 13914-1:2016-09 für Außenputze

[2] BFS-Merkblatt Nr. 19 Risse in Außenputzen: Beschichtung und Armierung; BFS Bundesausschuss Farbe und Sachwertschutz im Hauptverband Farbe Gestaltung Bautenschutz, Frankfurt/Main; Ausgabe 1997

BFS-Merkblatt Nr. 19.1 Risse in unverputztem und verputztem Mauerwerk, in Gipskartonplatten und ähnlichen Stoffen auf Unterkonstruktionen; Ursachen und Bearbeitungsmöglichkeiten; BFS Bundesausschuss Farbe und Sachwertschutz im Hauptverband Farbe Gestaltung Bautenschutz, Frankfurt/Main; Ausgabe 1991

WTA-Merkblatt 2-4-08/D Beurteilung und Instandsetzung gerissener Putze an Fassaden, Ausgabe 08/2008, Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege
e. V. – WTA –, München

Der Autor

Jürgen Jörges ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Rhein-Main. Über 29 Jahre als Handwerksmeister mit 2 Meistertiteln und 20 Jahre Sachverständigentätigkeit sind die Grundlage für Expertisen aus der Praxis. Auf seiner Homepage berichtet er auf unterhaltsame Art und Weise in einem Blog über Geschichten aus seinem Sachverständigenalltag. Bei seiner Arbeit legt er Wert darauf, Menschen bei ihrem Problem zu helfen.

Brandschutz im Dialog

Denkmalgerechte Sanierung von Schloss Steinen

Die Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes ist oftmals komplex, da es den aktuellen Sicherheitsanforderungen entsprechen muss und trotzdem die Bausubstanz so wenig wie möglich beeinträchtigt werden soll. Wie das gelingen kann, zeigt die Sanierung von Schloss Steinen, bei welcher die Ausarbeitung und Ausführung eines denkmalgerechten Brandschutzkonzepts im Fokus stand.

Erstmals erwähnt wird eine frühere Burg im Jahr 1278. Wo sich die Burgstelle befand, lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei klären. Vermutlich stand sie auf dem Platz des heutigen Schlosses. Im Jahr 1563 wurde das damalige Wasserschloss von Gregorius Krafft von Dellmensingen von Grund auf erneuert, die eingemeißelte Jahreszahl 1563 über der Eingangstür und ein Fenstergewände an der Südseite zeugen von diesem Umbau. Im November 1745 wurden das baufällige Schlossgut zu Steinen und das umgebende Land Stück für Stück vom Markgraf versteigert. Das heutige Aussehen des Schlosses wird stark durch die Erneuerung des alten Wahrzeichens Steinens durch Wilhelm Friedrich Reinau nach 1888 bestimmt.

Schloss Steinen schlummerte über viele Jahre im Dornröschenschlaf. Eingewachsen zwischen Gestrüpp und Bäumen, war es selbst von der nahe gelegenen Straße kaum zu erkennen. Auch im Inneren waren – abgesehen von ein paar notdürftig in der Nachkriegszeit eingerichteten Dachgeschosswohnungen und einigen Behelfsreparaturen – kaum Veränderungen vorgenommen worden. Aus denkmalschutzperspektive ein Glücksfall.

Für den neuen Eigentümer, die Innenarchitektin und den Generalübernehmer stand bei der Sanierung deshalb von vornherein fest, dass mit der bestehenden Bausubstanz behutsam umgegangen werden musste. Gleichwohl war es nötig, die Ausstattung der darin geplanten Wohnungen den heutigen Bedürfnissen und dem deutlich gestiegenen Komfortniveau anzupassen, um die Wohnungen im Schloss vermieten zu können.

 

Denkmalgerechtes Brandschutzkonzept

Die wichtigste Aufgabe des Brandschutzes ist, allen Bewohnern im Brandfall das sichere Verlassen des Gebäudes zu ermöglichen. Aus denkmalrechtlicher Sicht kommt außerdem noch der weitgehende Erhalt des Baudenkmals hinzu, unter der Prämisse, dass gleichzeitig möglichst wenig in die Bausubstanz und das Erscheinungsbild des Gebäudes eingegriffen wird. Aus diesen drei Anforderungsbereichen und den Gestaltungswünschen des Bauherrn ergab sich ein Spannungsfeld, dem das aufzustellende Brandschutzkonzept gerecht werden musste.

Dass die Umsetzung zur allseitigen Zufriedenheit gelang, ist letztlich der Tatsache geschuldet, dass von Anfang an das Gespräch mit allen Beteiligten gesucht wurde und alle Beteiligten zu einem echten Dialog bereit waren. Entscheidend für den Austausch war auch, dass beim Aufstellen des Sanierungskonzepts keine Einzelabstimmungen, sondern gemeinsame Termine mit allen Beteiligten vor Ort stattfanden. So ließen sich auch vor dem Hintergrund der straffen Zeitvorgaben schnell geeignete Lösungen für alle Fragestellungen finden.

 

Erschließung

Die Hauptzufahrt des Schlosses erfolgte über eine schmale Stichstraße von der Schlossstraße aus. Wunsch des Denkmalamts war das Beibehalten der bisherigen Erschließungssituation. Aufgrund des begrenzten Platzangebots an dieser Stelle wären jedoch Konflikte zwischen parkenden Anwohnern und der im Brandfall anrückenden Feuerwehr unvermeidbar gewesen. Außerdem waren die Hauptzufahrt und der Platz für Feuerwehraufstellflächen im Bestand nur bedingt gegeben. Abhilfe schaffte eine zweite Feuerwehrzufahrt von der Rückseite des Gebäudes, die sich schlussendlich auch als beste Entscheidung im Sinne des Denkmalschutzes herausstellen sollte. Durch die neue Zufahrt konnten vor dem Schloss parkende Fahrzeuge weitgehend vermieden werden, wodurch das Erscheinungsbild des Schlosses erhalten werden konnte. Gleichzeitig konnte die zusätzliche neue Zufahrt allen Bedürfnissen der Feuerwehr gerecht werden und ausreichende Stellplätze für die zukünftigen Bewohner des Gebäudes geschaffen werden.

 

Gebäudeklasse und Feuerwiderstandsdauer

Die Entscheidung für die neue Feuerwehrzufahrt hatte auch Auswirkungen auf den Umgang mit der Feuerwiderstandsdauer der tragenden und raumbildenden Bauteile. Hätte für die Regelgeschosse, bezogen auf die Höhenlage der alten Zufahrt, sogar eine Feuerwiderstandsdauer von lediglich 30 Minuten genügt, wären es mit den neuen Dachgeschosswohnungen bereits 60 Minuten Feuerwiderstandsdauer gewesen. Bedingt durch die tiefere Lage der neuen Feuerwehrzufahrt waren die Dachgeschosswohnungen von hier aus nur noch mit der Drehleiter zu erreichen, wodurch sich die geforderte Feuerwiderstandsdauer der Bauteile auf mindestens 90 Minuten erhöht hätte. Diese Forderung wäre mit den Gesichtspunkten des Denkmalschutzes nicht vereinbar gewesen und hätte massive gestalterische Einbußen bedeutet.

Doch der Kreisbrandmeister und das Baurechtsamt honorierten den Invest des Bauherrn in die deutlich verbesserte Zufahrtsituation. In Verbindung mit einer Brandmeldeanlage wurde die Feuerwiderstandsdauer auf 30 Minuten beschränkt und hierfür im Bauantragsverfahren eine Abweichung unter Bezug auf den Denkmalschutz bewilligt.

 

Schutzziel Personenrettung

Die deutlich reduzierte Feuerwiderstandsdauer wäre mit dem Schutzziel der Personenrettung nicht vereinbar gewesen. Im Falle eines nächtlichen Brandes wäre die Gefahr, dass der bestehende Treppenraum bereits frühzeitig nicht mehr zur Selbstrettung zur Verfügung gestanden hätte, erheblich gewesen. Gleichzeitig hätten aufgrund der reduzierten Feuerwiderstandsdauer nicht alle Bewohner des Hauses über Geräte der Feuerwehr gerettet werden können.

Das Schutzziel der Personenrettung wurde deshalb über ein aufeinander abgestimmtes Maßnahmenpaket gelöst:

  • Durch den Einbau einer Brandmeldeanlage mit automatischen Brandmeldern in den Allgemeinbereichen und in den Fluren sämtlicher Wohnungen wurde eine Brandfrüherkennung eingerichtet, die es den Bewohnern ermöglicht, das Gebäude selbstständig zu verlassen, bevor die Fluchtwege mit Brandrauch beaufschlagt sind.
  • Der notwendige Treppenraum ist analog zu den übrigen Innenräumen in den Obergeschossen mit Fachwerkwänden und Holzbalkendecken ausgeführt. Hier lag teilweise das Tragwerk offen, da der ursprüngliche Putz von den Vorbesitzern nicht ausgebessert worden war. Dem Wunsch des Bauherrn, das Tragwerk der Wände sichtbar zu erhalten, konnte im Treppenraum aus Brandschutzgründen nicht entsprochen werden. Der notwendige Treppenraum wurde als einziger Bereich des Gebäudes durch Kapselung der bestehenden Holzbauteile durch den Einbau von Brandschutzdecken und Trockenestrichen ertüchtigt, um eine Eigenrettung der Bewohner des Gebäudes möglichst lange sicherzustellen.
  • Die Eingangstüren der Wohnungen wurden in Abweichung zu den Forderungen der Landesbauordnung rauchdicht und feuerhemmend ausgeführt.
  • Das oberste und unterste Fenster des Treppenraums wurden mit einem motorischen RWA-Antrieb ausgestattet, wodurch eine gezielte Entrauchung erheblich erleichtert wird.

 

Fit für die Zukunft

Wie bewertet man ein Schloss aus dem sechzehnten Jahrhundert bezogen auf die heutigen baurechtlichen Vorgaben? Wie lassen sich bestehende Bauteile bewerten, für die es weder Prüfzeugnisse noch CE-Kennzeichnungen gibt?

Was zunächst klingt wie die Quadratur des Kreises, stellte sich im Zuge der Analyse der Bausubstanz bald als einfacher heraus, als zunächst angenommen. Denn insbesondere historische Bauteile lassen sich – allen EN-Normen zum Trotz – sehr einfach mithilfe der DIN 4102 bewerten.

In einfacheren Gebäuden scheitert die Klassifizierung bisweilen daran, dass die Bauteile nicht die in der Norm geforderten Mindestabmessungen einhalten. Dies ist häufig der Fall, wenn sie in Notzeiten errichtet wurden. Zur Erbauungszeit des Schlosses verfügte der Bauherr jedoch über ausreichende finanzielle Mittel, um nicht an der Konstruktion sparen zu müssen.

 

Untersuchen und Heilen

Eine stichprobenartige Untersuchung der Bausubstanz war an mehreren Stellen, an denen die Tragstruktur durch unterlassene oder unsachgemäße Instandsetzungsarbeiten ohnehin frei lag, auch zerstörungsfrei möglich. Dies war in allen Geschossen in unterschiedlichen Räumen sowohl an den Decken, als auch an den Wänden möglich. An anderer Stelle konnten die Bauteile durch behutsamen Rückbau späterer Eingriffe in Augenschein genommen werden. Insgesamt ergab sich bezüglich der ursprünglichen Bauausführung ein sehr einheitliches Bild, wodurch sich die über die Bauteile gewonnenen Erkenntnisse ohne größere Bedenken auf die übrigen Raumbereiche übertragen ließen, an denen die historischen Decken und Bodenbeläge unangetastet belassen werden sollten.

Es stellte sich heraus, dass die historische Bausubstanz im Fall einer fachgerechten Instandsetzung ohne Weiteres den geforderten Feuerwiderstand erreicht hätte, ohne dass hierzu nennenswerte Nachweise durch einen Tragwerksplaner erforderlich gewesen wären. Anders sah es in Bereichen mit behelfsmäßigen Reparaturen aus. Dies betraf insbesondere die Deckenbalken an der westlichen Außenwand, wo Balkenköpfe durch einen nicht rechtzeitig beseitigten Feuchteschaden abgefault waren und behelfsmäßig durch einen Stahlträger abgefangen wurde. Aber auch einige Wandfelder waren betroffen, in denen die ursprünglichen Gefache beschädigt und nur behelfmäßig verschlossen waren. Hierdurch wurden an mehreren Stellen die Bauteile so weit geschwächt, dass sie einem Brandereignis nicht oder nicht ausreichend Widerstand hätten leisten können. Damit war klar, dass dem Sanierungskonzept eine dreistufige Betrachtungsweise zugrunde gelegt wurde:

  1. Bauteile, bei welchen der Feuerwiderstand ursprünglich ausreichend war, wurden in historischer Weise wieder instand gesetzt (z. B. beschädigte Deckenfelder oder Gefache).
  2. Bauteile, die durch spätere Einbauten verändert wurden, sollten in den Ursprungszustand versetzt oder mit gleichwertigen modernen Bauweisen saniert werden (z. B. abgefaulte Balkenköpfe).
  3. Bauteile, bei welchen eine Instandsetzung in historischer Bauart nicht möglich war, sollten in moderner Bauweise ertüchtigt werden (z. B. nachträglich eingebaute Stahlträger).

Im Zuge der Sanierung wurde die ursprüngliche Schadenskartierung fortgeschrieben und an mehreren Stellen im Zuge der Fachbauleitung der Brandschutz nachjustiert. Erforderlich war dies v. a. dort, wo sich während der Arbeiten zeigte, dass der historische Putz weniger gut erhalten war, als bei der zerstörungsfreien Analyse angenommen, und an den Stellen, an welchen der Bauherr sich im Zuge der Bauausführung entschloss, Teile der Tragstruktur aus gestalterischen Gründen sichtbar zu belassen.

Test bestanden: Anleiterprobe an die neuen Dachgauben der Dachgeschosswohnungen

© Nübold Architekten

Nachweisführung

Die Sanierung fand in den Jahren 2015/16 statt. Zu dieser Zeit gab es nur eine begrenzte Auswahl an Schottsystemen, die für den Bereich Holzbau zugelassen waren. Inzwischen kommen fast täglich Zulassungen für neue Systeme hinzu oder bestehende Zulassungen werden erweitert, wodurch die Verwendung bekannter Systeme auch im Bereich Holzbau möglich wird. Insbesondere an den Durchdringungspunkten der Holzbalkendecken musste bei der Sanierung deshalb detailliert geplant werden, um mit dem begrenzten Sortiment zugelassener Systeme zurechtzukommen.

Bewährt hat sich im Zuge der Sanierung das System IBS 90, das mehrfach eingesetzt wurde, um Installationen in einem Schacht ohne Brandschutzanforderungen geschossweise zu schotten.

Teilweise musste auch von modernen Kunststoff- oder Verbundrohren auf klassische Metall- oder Gussrohre gewechselt werden, die sich entsprechend der Leitungsanlagenrichtlinie vergießen lassen. Hierdurch konnte am Bauzeitenplan festgehalten werden, ohne dass eine Zulassung im Einzelfall beantragt werden musste.

Heute stünden für die Sanierung eine ganze Reihe weiterer Systeme zur Verfügung, für die damals noch keine Nachweisführung möglich war.

 

Fazit

Der Schutz vor Bränden war von je her ein Thema im Baubereich. Wir sollten deshalb weniger erstaunt sein, dass gerade im Holzbau auch vor mehreren Jahrhunderten bereits Konstruktionen verbreitet waren, die auch nach heutigen Maßstäben eine ausreichende Feuerwiderstandsdauer aufweisen. Wichtig ist aber, dass wir ihren Feuerwiderstand nicht durch unüberlegte Eingriffe und haustechnische Installationen beeinträchtigen oder zerstören.

Der Autor

Mark Schwarzenberger begann seine berufliche Laufbahn mit einer Schreinerlehre bei der Adi Hummel GmbH, Werkstätte zur Erhaltung und Pflege historischer Bausubstanz. Nach seiner Ausbildung studierte er Architektur an der Universität Karlsruhe (heute KIT). Für zwei Auslandssemester erweiterte er seinen Horizont an der École d’Architecture de Nantes (EAN), bevor er das Studium im Jahr 2007 mit dem Diplom beendete. Berufsbegleitend absolvierte er das Masterstudium für Brandschutz und Sicherheitstechnik am DISC der Universität Kaiserslautern, das er im Jahr 2013 mit dem Master-Titel abschloss. Seitdem bearbeitet er neben den klassischen Architektenleistungen auch die unterschiedlichsten Brandschutzaufgaben. Seit 2014 ist er außerdem als Geschäftsführer für die Th3 Standard GmbH tätig.