Im Blickpunkt

Ein Markt mit Wachstumsaussicht

Trends und Entwicklungspotenziale zur Gebäudebegrünung

Text: Gunter Mann | Foto (Header): © Bundesverband GebäudeGrün

Noch nie waren Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünungen so präsent wie heute. Wir werfen einen Blick auf aktuelle Trends und deren Entwicklungspotenziale.

Auszug aus:

der bauschaden
Ausgabe Juni / Juli 2023
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Bei keiner der zahlreichen Veranstaltungen zu Klimawandel, Klimafolgenanpassung oder zur Stadt der Zukunft bleibt die Gebäudebegrünung unerwähnt. Noch nie haben so viele deutsche Städte Dach- und Fassadenbegrünungen mit Zuschüssen gefördert. Und noch nie liefen so viele verschiedene Forschungs- und Förderprojekte zu Wirkungen, Weiter- und Neuentwicklungen von Gebäudegrün.

Blick auf den Dach-und Fassadenbegrünungsmarkt

Die Gebäudebegrünung ist längst kein „Nischenprodukt” mehr. Der Markt wächst, und das spiegelt sich in einer Vielzahl an Projekten wider. Im Zuge der Klimaanpassungsmaßnahmen spielen Dach- und Fassadenbegrünungen vor allem mit Blick auf die Hitze- und Überflutungsvorsorge eine große Rolle. Nachfolgend einige interessante Zahlen des „BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2022”, um den Dach- und Fassadenbegrünungsmarkt zu skizzieren.

  • Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 8.681.416 m² Dachfläche neu begrünt. Das sind etwa 9,7 % der 2021 neu entstandenen Flachdachflächen.
  • Der Gründachmarkt ist von 2020 zu 2021 um fast 11 % gewachsen
  • In Deutschland liegt die Summe der über die Jahre hinweg begrünten Dachflächen in der Größenordnung von 150.000.000 m².
  • Mit 4,1 m² Gründach pro Einwohner führt Stuttgart die BuGG-Gründach-Bundesliga nach dem Grünflächen-Index an 2021 wurden in Summe etwa 86.000 m² Fassadenflächen mit bodengebundener Fassadenbegrünung mit Kletterhilfen und wandgebundener Fassadenbegrünung geschaffen.
  • 44 % bzw. 37 % der Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern fördern Dach- bzw. Fassadenbegrünungen und bieten auch finanzielle Zuschüsse an.

Trends und Entwicklungspotenzial

Wir haben in Deutschland eine etwa 50 Jahre alte Gründachtradition – seit den 1970ern setzen wir Dachbegrünungen professionell um. Oft gehören begrünte Fassaden mit Efeu und wildem Wein bei älteren Bauwerken und Gebäuden zu einem traditionellen Stadtbild im ländlichen Raum dazu.

Dennoch sehen wir heute gewisse Entwicklungen und Trends: Produkt- und Systemlösungen wurden und werden verbessert bzw. neu entwickelt.

Aus verschiedenen Gründen haben sich die Trends der letzten Jahre etabliert, und sie sind schon mehr als nur Trends: Retentionsgründächer, Biodiversitätsgründächer und Urban-Farming-Dächer sind bei Städten und Planenden inzwischen gut bekannt und werden immer häufiger geplant und ausgeführt. Neu hinzugekommen dagegen ist z.B. der Aspekt der Gesundheitsvorsorge (Planetary Health), zu dem die vielen Wohfahrtswirkungen von Dach- und Fassadenbegrünungen erheblich beitragen können.

Der eigene Dachgarten – nie war er so wertvoll wie heute!
Der Dachgarten bietet zusätzliche Nutz- und Freizeitflächen für Menschen und dient als krisensichere Freizeit-, Erholungs- und Bewirtschaftungsfläche. Betrachtet man die Zahlen von 2008 bis 2021, dann geht die Entwicklung eindeutig in Richtung „Intensivbegrünung“ (Dachgarten). Wurden im Jahr 2008 nur 11,4 % der Dachbegrünung als Intensivbegrünung ausgeführt, so waren es 2021 schon 17,5 %.

Die Dachflächen werden multifunktional mit Sport-, Spiel- und Urban-Farming-Arealen genutzt. Das Obst und Gemüse wird auf dem eigenen Dach selbst angebaut und geerntet. Dächer bei Mehrfamilienhäusern werden vor allem in Großstädten immer häufiger mit Flächen und Hochbeeten für das eigene Gärtnern ausgelegt.

Retentionsgründach
Das Top-Argument für Dachbegrünungen, Wasserrückhalt und Minderung der Abflussspitzen, wird bei den sog. Retentionsgründächern noch deutlich verstärkt. Hierbei wird unter dem Gründachaufbau (extensiv oder intensiv) mit einem „Retentionsraum“ eine weitere Lage eingebaut, die in Kombination mit einem Drosselablauf zusätzlich bis zu 160 l/m² Wasser speichern kann. Mit dieser Entwicklung kann das Regenwasser noch besser gemanagt, die zunehmenden Vorgaben der Einleitbeschränkung erfüllt und die Kanalisation entlastet werden.

Biodiversitätsgründach und Biodiversitätsgrünfassade
Ein Biodiversitätsgründach zeichnet sich durch Struktur- und Artenvielfalt aus. Immer mehr Dachbegrünungen werden mit diesen Kriterien gefordert, gefördert und umgesetzt. Auf Grundlage einer artenreichen Vegetation erhöhen „Biodiversitätsbausteine“ in Form von Totholz, Steinen, Sandlinsen, Kiesflächen, Substratmodellierungen und Wasserflächen die ökologische Wertigkeit und führen zu größerem Artenreichtum bei Flora und Fauna.

Selbst Fassadenbegrünungen werden immer häufiger nicht nur bewusst artenreicher gestaltet, sondern zusätzlich mit Biodiversitätsbausteinen wie z.B. Nisthilfen ausgestattet.

Solar-Gründach (Photovoltaik und Begrünung)
Durch die aufkommende Solar-Pflicht vieler Bundesländer scheint ein Zielkonflikt zwischen Solardach und Gründach aufzukommen. Hier gilt es, das Wissen und die Möglichkeiten der Solar-Gründächer breiter zu kommunizieren. Solar-Gründächer verbinden Klimaschutz und Klimawandelanpassung, dienen u.a. der Überflutungs- und Hitzevorsorge und schützen die Dachabdichtung. Die Anzahl umgesetzter Solar-Gründächer ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Die Lösung gewinnt an Popularität.

Dennoch muss die Kombination aus Photovoltaik und Dachbegrünung viel stärker als Pflicht gefordert oder mit zusätzlichen Zuschüssen gefördert werden.

Begrünung im Bestand
Viele Städte fördern vor allem nachträglich an- und aufgebrachte Dach- und Fassadenbegrünungen im Bestand, um im wahrsten Sinne des Wortes „Hotspots“ zu entschärfen und die Begrünungen mit ihren Kühlleistungen gezielt einzusetzen. Das lässt sich oftmals aufgrund der zu geringen Statik der bestehenden Gebäude nicht oder nur bedingt umsetzen. Hier sind innovative Lösungen (z. B. Leichtbauweise mit/ohne Bewässerung) gefragt und geben Produkt- und Systemherstellern Möglichkeiten weiterer Einsatzbereiche.

Auch im Bereich Fassadenbegrünung müssen kostengünstigere und pflegeleichtere Varianten für den kleinflächigen Einsatz im Bestand konzipiert werden.

Fassadenbegrünungen
Es ist schwieriger, bei den Fassadenbegrünungen Trends zu erkennen. Deutlich wahrnehmbar sind jedoch das stark steigende Interesse und die zunehmende Akzeptanz von begrünten Fassaden. Bodengebundene Fassadenbegrünungen (mit Kletterhilfen) nehmen gegenüber wandgebundenen Fassadenbegrünungen den deutlichen höheren Anteil ein (ca. 85 %), dennoch ist auch bei den wandgebundenen Begrünungen ein starkes Wachstum zu beobachten. Im Trend liegen auch Objekte in horizontaler Regalbauweise, bei denen bepflanzte Gefäße oder Rinnen an der Fassade oder vorangestellten Regalkonstruktionen befestigt werden. Die Anzahl dieser Projekte hat in den letzten Jahren stark zugenommen.

Pflegekonzepte und Monitoring
Die Sorge um die Pflege und deren Kosten ist einer der meistdiskutierten Punkte bei den Hemmnissen und Hürden in Sachen Gebäudegrün. Hier müssen Bauende und Planende umdenken: Bereits bei der Planung müssen Pflege und Wartung im Folgebetrieb berücksichtigt werden, so wie es schon bei Aufzügen, Sonnenschutz und anderen technischen Einrichtungen selbstverständlich ist. Die automatisierte Pflege von Gebäudebegrünungen durch Mähroboter sowie wie Ansätze zu Monitoring-Verfahren für die Fernüberwachung sind aktuell Gegenstand der Forschung und Entwicklung. Fernüberwachung gilt bei wandgebundenen Fassadenbegrünungen hinsichtlich der Bewässerung inzwischen allerdings schon als Standard.

 

Fazit

Obwohl wir eine große Vielzahl an unterschiedlichen Begrünungsvarianten haben, gibt es immer noch ausreichend Potenzial für Weiter- und Neuentwicklungen. Das betrifft auch die Förderlandschaft. Bundesförderungen sollten nicht nur auf Klimaschutzmaßnahmen (Photovoltaik, Heizungen, E-Mobilität usw.), sondern auch auf Klimawandelanpassungsmaßnahmen (z.B. Gebäudebegrünung) ausgeweitet werden.

Zur Person

Dr. Gunter Mann
Dipl.-Biologe mit Diplom- und Doktorarbeit über „Tiere auf begrünten Dächern“.
Präsident und Geschäftsführer des Bundesverbands GebäudeGrün e.V.
(BuGG) mit Sitz in Berlin.
Seit 30 Jahren beruflich in der Branche aktiv mit zahlreichen Fachvorträgen und Veröffentlichungen zum Thema  Dach- und Fassadenbegrünung.  Mitglied in den FLL-Regelwerksausschüssen „Dachbegrünung“ und „Fassadenbegrünung“.

Kontakt
Internet: www.gebaeudegruen.info
E-Mail: info@bugg.de

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