Im Detail

Natürliche Dämmalternative Leichtlehm

Ein Interview mit Fachexperte Andreas Link

Text: Andreas Link und Lioba Listl | Foto (Header): © Andreas Link

Bei der Dämmung von Gebäuden können auch alternative Wege gegangen werden – so bietet sich in manchen Anwendungsfällen die Dämmung mit Leichtlehm an. Der Baustoff Lehm findet seit Jahrtausenden in verschiedenen Zusammensetzungen Verwendung in Bauprojekten. Auch in näherer Vergangenheit erlebt Lehm einen Boom und wird gerne bei Neubauten und der Sanierung von Bestandsgebäuden eingesetzt. Ob und vor allem wo eine Dämmung mit Lehm sinnvoll ist und worauf es bei der Umsetzung ankommt, weiß Fachexperte Andreas Link.

Auszug aus:

Der SanierungsVorsprung
Ausgabe Oktober / November 2024
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Herr Link, einleitend möchte ich auf den Baustoff Lehm an sich eingehen. Ganz grundsätzlich: Für welche Zwecke und Projekte eignet sich der erprobte Baustoff? Wie stellen sich die Einsatzmöglichkeiten dar?

Andreas Link: Generell eignet sich der Baustoff Lehm aufgrund seiner nahezu ubiquitären Verfügbarkeit für fast jedes Bauprojekt. Er ist vielleicht nicht immer die allerbeste Lösung für jedes Problem, aber seine Einsatzbereiche sind riesig. Mit dem „einfachsten“ Stampflehm können wir dekorative Blöcke, Mauern oder Fußböden bis hin zu tragenden Gebäude erstellen und das teilweise mit dem vorhandenen Aushub.

Wir können aus Lehm verschiedenste Steine mit geringem energetischen Aufwand produzieren. Es können damit z. B. alte Fachwerkhäuser neu ausgefacht sowie tragende und nichttragende Wände erstellt werden. Im Neubau können schwere Lehmsteine in zügiger Stapeltechnik die erforderliche Masse in schnell gebaute Holzrahmenbauten bringen und so die Energieeffizienz steigern. Neue Lehmbaustoffe wie Lehmbauplatten beschleunigen zudem das Bauen mit Lehm.

Das häufigste Lehmbauprodukt aber ist der Lehmputz, welcher inzwischen immer stärker in den Fokus rückt. Durch Sanierung und Renovierung werden unsere Häuser zunehmend luftdichter, und das Risiko von Feuchte- und Schimmelschäden steigt immens. Hier kann Lehm Abhilfe schaffen. Mit Lehmputz gelingt dies am Einfachsten und eigentlich auch in jedem Gebäude. Lehm ist ein wunderbarer Baustoff, seine Energiebilanz ist hervorragend, er ist äußerst benutzerfreundlich und unschädlich in der Verarbeitung, verbessert das Wohnraumklima bezüglich Feuchtigkeit und Temperatur, bindet Gerüche und Schadstoffe und ist zu guter Letzt einer der wenigen Baustoffe, die immer wieder verwendet werden können.

Dabei ist Lehm einer von vielen Baustoffen, die zur Wahl stehen. Welche Vorteile ergeben sich bei der Nutzung von Lehm – sowohl in der Bauphase selbst, als auch in der späteren Nutzung des Gebäudes?

Aus meiner Sicht ist einer der größten Vorteile von Lehm, dass er fast überall verfügbar ist und nach entsprechender Überprüfung und Tauglichkeit direkt als Baustoff herangezogen werden kann. So kann aus dem Aushub, der sonst teuer abgefahren werden muss, ein Baustoff für ein Gebäude gemacht werden.

Aber auch bei gekauften Lehmprodukten überwiegen die Vorteile. Lehm ist, wie oben erwähnt, sehr benutzerfreundlich, sodass nicht der Stress besteht, z. B. alles Werkzeug sofort sauber zu machen, wie es beispielsweise bei Zement oder Gips der Fall ist. Außerdem ist er gesundheitsunschädlich, was bei anderen Bauprodukten nicht unbedingt der Fall sein muss. Wird Lehm in ausreichender Menge verbaut, wirkt er zudem regulierend in Bezug auf Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Es stellt sich eine Luftfeuchtigkeit von ca. 50 bis 55 % im Gebäude ein, was baubiologisch als ideal gilt.

Gerade bei Neubauten in schneller Holzrahmenbauweise fehlt es an Masse, hier bietet sich Lehm als Baustoff an, die hohe Masse des Lehms speichert hervorragend Wärme im Winter oder Kälte im Sommer. Außerdem bindet Lehm Gerüche und Schadstoffe und schirmt sehr gut gegenüber elektromagnetischer Strahlung ab.

Nun soll es in diesem Gespräch um natürliche Dämmalternativen gehen. Ich gehe davon aus, dass Sie mir Recht geben, wenn ich die Aussage tätige, dass Lehm an sich nicht dämmt. Deswegen sprechen wir konkreter von Leichtlehm. Was muss passieren, damit aus Lehm Leichtlehm wird? Und warum ist reiner Lehm per se nicht geeignet zur Verwendung als Dämmstoff?

Zuerst einmal: Reiner Lehm verhält sich eigentlich wie ein massiver Stein, auch seine Rohdichte ist mit ca. 2.200 kg/m³ sehr hoch. Bei einem Dämmstoff jedoch sind die Lufteinschlüsse entscheidend, da diese die Dämmwirkung erzeugen, und das ist bei reinem Lehm nicht gegeben. Um aus Lehm einen Leichtlehm zu machen, müssen wir ihm dämmende Zuschlagstoffe beimischen. Die gängigsten sind hier Hanfschäben, Holzhackschnitzel, Blähton oder Stroh. Leichtlehm wird hier über die Rohdichte definiert, diese reicht von 200 bis 1.200 kg/m³.

Leichtlehm wiederum kann zur Dämmung verwendet werden. Dabei gibt es verschiedene Dämmaufbauten, in welchen Leichtlehm verwendet werden kann. Gehen Sie gerne auf die verschiedenen Dämmaufbauten ein und teilen Sie mit unseren Lesern, was diese ausmacht und inwiefern Leichtlehm in diesen zum Einsatz kommt.

Leichtlehm lässt sich eigentlich nur im Innenbereich und hier meist in zwei Formen zur Dämmung einsetzen. Zum einen findet er Anwendung als Leichtlehmstein, um damit entweder Holzrahmen auszufachen oder Leichtlehmwände vor bestehende Außenwände zu setzen. Aber auch Decken können mit Leichtlehmsteinen belegt werden. Zum anderen findet Leichtlehm als Leichtlehmschüttung Einsatz. Für den eben beschriebenen Anwendungsfall der Decken eignet sich dies sogar besser.

Leichtlehmschüttungen (LLS) weisen meist eine Rohdichte von 200 bis 500 kg/m³, auf und Leichtlehmsteine reichen von ca. 700 bis 1.200 kg/m³. Vorteil der Leichtlehmsteine ist die recht zügige Verarbeitung und eine geringe Trocknungsdauer, dafür ist der Dämmwert etwas schlechter als bei einer Schüttung. LLS werden in verschieden Klassen unterteilt.

Dies kann beispielhaft anhand von Hanfschäben als Zuschlag erklärt werden. Die LLS 200 ist die leichteste Schüttung, hat den höchsten Dämmwert und besteht aus 100 kg Hanfschäben, was ca. 1 m³ entspricht, und 100 kg trockenem Lehmpulver. Das wird mit etwas Wasser vermischt und leicht feucht eingebracht. Die LLS 200 ist aber wegen des geringen Lehmanteils nicht stabil genug und wird daher nur für Fußbodenschüttungen verwendet.

Eine LLS 300 besitzt bereits 200 kg Lehmanteil und ausreichend Stabilität, um an einer Wand hinter einer verlorenen Schalung (meist Schilfrohrgewebe) als Innendämmung an einer Außenwand aufgebracht zu werden. Ab der LLS 400 mit 300 kg Lehmanteil auf 100 kg Hanfschäben können dann Vorsatzwände aus Leichtlehm mittels Kletterschalung erstellt werden, die sich selbst tragen. Das bedeutet, dass ein Traggerüst als Latten mit einem Abstand von z. B. 10 cm zur bestehenden Außenwand erstellt wird, drei bis vier Bretter davor geschraubt werden und mit leichtem Druck die leicht feuchte LLS in die Form gestopft wird. Danach können die unteren Bretter abgeschraubt und ein Stück nach oben gerückt werden. So kann direkt weitergestopft werden, bis eine Wand fertiggestellt ist. Nach entsprechender Trocknung kann diese z. B. noch mit einer Wandheizung versehen und/oder direkt mit Lehm verputzt werden. Ganz nebenbei: Durch die raue Struktur des Leichtlehms liegt hier ein perfekter Putzträger vor.

Bringt diese Schicht aus Leichtlehm noch weitere Vorteile mit sich?

Ja definitiv. Häufig werden Innendämmungen aus LLS an alten Fachwerkhäusern oder Ziegelbauten verwendet. Hier bleibt man dann sozusagen im System Lehm: Ziegel oder Fachwerk mit Lehmsteinen außen – LLS mit Lehm – Lehmputz innen, das ergibt einen optimalen Feuchtigkeitstransport, was sich positiv auf das Raumklima und die Luftfeuchtigkeit auswirkt. Außerdem passt sich die LLS wunderbar an jegliche Unebenheiten der bestehenden Wand an, was gerade bei Innendämmungen äußerst wichtig ist.

Ebenfalls kann mit der Masse der LLS gespielt werden: Je höher der Lehmanteil gewählt wird, desto mehr kann neben einer Dämmung auch der Aspekt des Schallschutzes im Fokus stehen.

Einer der größten Vorteile aus meiner Sicht ist, wie bereits erwähnt, dass eine Leichtlehmschüttung ganz einfach aus evtl. vorhandenem Aushublehm oder auch gekauftem Baulehm mit den zur Verfügung stehenden Zuschlägen selbst hergestellt werden kann. Eine Geschichte dazu aus meiner Berufspraxis: In einem Sanierungsprojekt wirkte ein Sägewerksmitarbeiter mit, welcher Zugang zu kostenlosen Hobelspänen hatte. Diese wurden dann mit Lehm aus seiner eigenen Grube zu einer LLS verarbeitet und zur Dämmung eines alten Dreiseithofs genutzt. Ökologischer geht es nicht!

Die von Ihnen angesprochenen Dämm-Aufbauten unter Verwendung von Leichtlehm sind (zum großen Teil) innendämmende Systeme. Innendämmungen haben nicht den besten Ruf inne – worauf gilt es daher besonders zu achten, wenn Leichtlehm in einem solchen System zum Einsatz kommt?

Ja, das stimmt. Beim Überschreiten einer gewissen Dämmstoffstärke besteht das Pro blem von anfallendem Tauwasser in der Wand, was in Folge zu massiven Schäden führen kann. Jedoch sind gerade hier die auf Lehm basierenden Dämmstoffe anderen Dämmstoffen überlegen, da sie eben diese kapillare Leitfähigkeit haben und Wasser gut hin und her transportieren können. In Kombination mit ähnlichen Materialien wie z. B. Ziegel oder mit Lehm ausgefachtes Fachwerk können hier höhere Dämmstoffstärken realisiert werden als mit „Konkurrenzmaterialien“.

Ganz getreu der thematischen Ausrichtung unseres Fachmagazins interessiert mich an dieser Stelle, welche möglichen Schäden sich ergeben können, wenn eine Dämmung mit Leichtlehm ausgeführt wird. Wie entstehen diese Schadensbilder und wie können diese im Vorfeld vermieden werden?

Ein Problem ist, wie gerade auch erwähnt, die zu hohe Dämmstoffstärke, welche dann zu Tauwasser in der Wand führen kann. Vermeiden lässt sich das durch eine gute Berechnung mittels geeigneter Programme. Leider gibt es hier noch sehr wenige auf dem Markt bzw. werden sehr wenige genutzt, die auch die Leitfähigkeit des Lehms vernünftig mit einberechnen können.

Eine andere Gefahr besteht beim zu feuchten Einbau des Materials, evtl. auch noch kombiniert mit der falschen Jahreszeit und vielleicht noch etwas Pech mit dem Wetter. Da die Zuschläge häufig organischen Ursprungs sind, ist auf eine zügige Trocknung zu achten, und das bedeutet dann auch in notwendigen Fällen auf eine Zwangstrocknung mittels Bautrockner zurückzugreifen. Aber meines Erachtens sind das alles einfach lösbare Herausforderungen.

Und nun möchte ich noch auf mögliche Anwendungsfälle eingehen. In welchen Sanierungsprojekten bietet sich konkret eine Dämmung mit Leichtlehm an? Reden wir hierbei von Bestandsgebäuden, eventuell sogar im Bereich des Denkmalschutzes?

Ja, es dreht sich bei Leichtlehm fast ausschließlich um Bestandsgebäude. Man kann zwar auch einen Holzrahmenneubau mittels Leichtlehm auf das ehemalige KfW 55 Niveau bringen, aber da existieren bessere Alternativen. Bei Bestandsgebäuden sieht das anders aus, v. a. im Bereich des Denkmalschutzes. Bei diesen Gebäuden gibt es oft gar nicht die Möglichkeit oder Erlaubnis, außen zu dämmen, weswegen nur eine Innendämmung umgesetzt werden kann.

Und nochmals eingehend auf die eben angesprochenen Anwendungsfälle: Bietet sich in diesen Fällen auch eine Dämmung mit häufig verbauten Baustoffen wie beispielsweise Mineralwolle an? Wo liegen an dieser Stelle die Vorteile einer Dämmung mit Leichtlehm?

Theoretisch ja, aber als Bauherr möchte man z. B. bei alten Fachwerkhäusern oder Ziegelbauten das gute Raumklima und die vorhandenen ökologischen Materialen nicht kaputt machen und z. B. Styropor oder Mineralwolle benutzen. Außerdem fehlt bei diesen Materialien der Effekt der kapillaren Leitfähigkeit, wie bereits erwähnt. Ein Tauwasseranfall in der Wand wäre somit ein potenzieller Problempunkt, welcher beachtet werden muss.

Ein weiterer großer Vorteil der Lehmbaustoffe allgemein liegt beim Recycling. Lehm ist reversibel, d. h., man kann ihn unbegrenzt wiederverwenden. Das sieht dahingehend bei Mineralwolle nicht so gut aus. Das wird v. a. in Zukunft ein entscheidender Faktor sein. Es muss sich die Frage gestellt werden, wer seinen Kindern eine Immobilie vererben möchte, die bei einer Sanierung oder einem Abriss äußerst aufwendig und finanziell kostspielig wird.

Als Fachkraft für Lehmbau sowie Berater für ökologisches und energetisch optimiertes Bauen sind Sie in verschiedensten Projekten involviert und können auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Welche Projekte sind Ihnen besonders im Kopf geblieben, wenn Sie über eine Dämmung mit Lehm nachdenken? Erzählen Sie gerne aus Ihrer Berufspraxis.

Da gäbe es sogar ganz aktuell zwei Projekte, die ich gerade in Form von Beratung und Baustellenkursen begleite. Es sind jeweils zwei junge Paare, die sich an Gebäude gewagt haben, die die meisten nicht anpacken würden. Zum einen ein ca. 500 Jahre altes denkmalgeschütztes Fachwerkhaus in der Nähe von Stuttgart, welches sie mit vielen Freunden in einem von mir geleiteten Baustellenkurs mit Leichtlehmsteinen neu ausgefacht haben. Demnächst kommt hier noch eine LLS als Innendämmung hinzu, und eine energetische Optimierung wird durchgeführt. Das Haus soll dann später als Wohnhaus selbst genutzt werden.

Und zum anderen möchte ich an dieser Stelle auf einen ebenfalls denkmalgeschützten ehemaligen Bahnhof in Bergen im Vogtland eingehen. Dies ist ein alter Ziegelbau, der nun eine Leichtlehminnendämmung bekommen soll und komplett mit Lehm verputzt wird. Auch hier ist die Motivation der Bauherrschaft besonders erwähnenswert, da das Gebäude als wirklich abrissreif einzuschätzen ist. Nun wird es zu einem möglichen Cafe bzw. Veranstaltungsgebäude für die örtliche Bevölkerung im Erdgeschoss und Ferienwohnungen im Obergeschoss umgebaut.

Und noch einen Schlusssatz von meiner Seite: Auch im Neubaubereich haben ich die Erstellung von voll ökologischen und nahezu autarken Wohngebäude begleitet – und das zum Preis eines vergleichbaren konventionellen Haues. Gerade der Baustoff Lehm – ob in der Verwendung als Dämmung oder anderweitig – ist als besonders spannend anzusehen.

Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch, Herr Link!

Zur Person

Andreas Link
schwenkte während des Diplomstudiums Geographie bereits oft in andere Bereiche wie Geologie, Erneuerbare Energien und Umweltgeowissenschaften ab und finanzierte sein Studium mit Renovierungsarbeiten. In dieser Zeit kamen die ersten Kontakte zu Lehm und Lehmbauten zustande. Später baute er sein erstes Lehmhaus komplett aus Grubenlehm, um dann im Anschluss zudem die Ausbildung zur Fachkraft im Lehmbau zu machen. Aktuell liegt sein Schwerpunkt auf Beratungen und Schulungen zum Thema Lehmbau.

Kontakt
Internet: www.lehmbauschulung.de
E-Mail: info@lehmbauschulung.de

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