Im Detail

Grundwasser, Sickerwasser, Stauwasser

Wassereinwirkungen auf erdberührte Bauwerksflächen

Text: Wolfgang Krajewski und Bernhard Odenwald | Foto (Header): © Alis Photo – stock.adobe.com

Nach DIN 18533-1 ist in einem wenig durchlässigen Baugrund ohne Dränung auch für den Fall eines unterhalb der Bauwerkssohle anstehenden Bemessungsgrundwasserstands eine Beanspruchung der erdberührten Bauwerksteile durch Stauwasser anzunehmen. Dabei ist ein hydrostatischer Wasserdruck von der Geländeoberfläche bis zur Bauwerksunterkante zu berücksichtigen. Deshalb werden häufig auch bei einer Bauwerkssohle oberhalb des Grundwasserspiegels eine Abdichtung und eine statische Auslegung der erdberührten Wände und Bodenplatten gegen Druckwasser gefordert, da eine Einleitung von Dränwasser in die öffentliche Kanalisation oft nicht zugelassen wird. Untersuchungen zeigen jedoch, dass eine Berücksichtigung von Stauwasser bei differenzierter Betrachtung der Einflussfaktoren auch ohne Dränung oft nicht erforderlich ist. Dies soll im Rahmen der aktuell laufenden Überarbeitung der DIN 4095 herausgearbeitet werden.

Auszug aus:

der bauschaden
Ausgabe Oktober / November 2021
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Problemstellung

Zur Beschreibung der Wassereinwirkung auf erdberührte Bauteile wird in der Praxis häufig Bezug auf die Regelungen der DIN 18533-1 [1] genommen. Diese Norm befasst sich mit der Abdichtung erdberührter Bauteile und definiert hierzu unterschiedliche Wassereinwirkungsklassen. Die Wassereinwirkung orientiert sich in dieser Norm am sogenannten Bemessungswasserstand sowie an der Wasserdurchlässigkeit des anstehenden Baugrunds bzw. der Arbeitsraumverfüllung. Der Bemessungswasserstand wird als der höhere Wert des Bemessungsgrundwasserstands (HGW) oder des gegebenenfalls auftretenden Bemessungshochwasserstands (HHW) definiert.

Im Unterschied zu den in der DIN 4095 [2] für die Gebäudedränung festgelegten Durchlässigkeiten, die sich auf die Klassifizierung in der DIN 18130-1 [3] beziehen, wird in der DIN 18533-1 der Baugrund nur in zwei Bereiche unterteilt. Für die Festlegung der Wassereinwirkungsklasse wird dabei lediglich zwischen stark wasserdurchlässigem (k > 10–4 m/s) und wenig wasserdurchlässigem Baugrund (k ≤ 10–4 m/s) unterschieden. In der Baugrundnorm DIN 18130-1 wird der letztgenannte Durchlässigkeitsbereich dagegen untergliedert in einen Bereich für durchlässige Böden (10–6 m/s < k ≤ 10–4 m/s), schwach durchlässige Böden (10–8 m/s ≤ k ≤ 10–6 m/s) und sehr schwach durchlässige Böden (k < 10–8 m/s). Aufgrund der vereinfachten Unterscheidung der Durchlässigkeit des Baugrunds in der Abdichtungsnorm DIN 18533-1 wird beispielsweise ein feinsandiger Mittelsand im Allgemeinen bereits als wenig durchlässiger Baugrund eingestuft.

In Abhängigkeit von der Lage des Bemessungswasserstands, der oben beschriebenen Durchlässigkeit des Baugrunds und der Einbindetiefe des Bauwerks in den Baugrund wird nach Wassereinwirkungsklassen unterschieden.

In der Wassereinwirkungsklasse W1-E werden nur Bodenfeuchte und nicht drückendes Wasser berücksichtigt. Die Wassereinwirkungsklasse W1.1-E nach DIN 18533-1 [1] soll nur angesetzt werden, wenn sowohl der Baugrund wie auch das Verfüllmaterial des Arbeitsraums aus stark durchlässigen Böden (k > 10–4 m/s) bestehen und die Abdichtungsebene mindestens 50 cm oberhalb des Bemessungswasserstands liegt (Bild 1). Zusätzlich wird gefordert, dass die stark durchlässigen Bodenschichten so tief unter die Abdichtungsebene reichen, dass eine Stauwasserbildung an den erdberührten Bauteilen sicher vermieden wird.

Der Wassereinwirkungsklasse W1.2-E nach DIN 18533-1 sind erdberührte Wän­de und Bodenplatten zuzuordnen, wenn bei wenig wasserdurchlässigem Baugrund (k ≤10–4 m/s) durch eine auf Dauer funktionsfähige Dränung nach DIN 4095 Stauwasser zuverlässig vermieden wird. Dabei wird angegeben, dass sich der zugrunde gelegte, wenig durchlässige Baugrund sowohl auf den Bereich seitlich und unterhalb des Gebäudes als auch auf die Arbeitsraumverfüllung bezieht. Zusätzlich wird auch hier ein Mindestabstand zwischen der Unterkante der Abdichtungsebene und dem Bemessungswasserstand von 50 cm gefordert.

In der Wassereinwirkungsklasse W2-E wird drückendes Wasser auf die erdseitige Abdichtung des Bauwerks berücksichtigt. Dabei wird zwischen mäßiger (W2.1-E: bis 3 m Wassersäule) und hoher Wasserdruckeinwirkung (W2.2-E: über 3 m Wassersäule) unterschieden.

Die Wassereinwirkungsklasse W2.1-E ist nach DIN 18533-1 anzusetzen, wenn keine Dränung erfolgt, die erdberührten Bauteile sich in wenig durchlässigen Böden (k ≤ 10–4 m/s) befinden und die unterste Abdichtungsebene oberhalb des Bemessungsgrundwasserstands und bis zu 3 m unter der Geländeoberfläche liegt. In diesem Fall ist nach DIN 18533-1 zu erwarten, dass Stauwasser auf die erdseitige Abdichtung des Bauwerks einwirkt und das Stauwasser bis zur Geländeoberfläche ansteigen kann. Dies bedeutet, dass nach DIN 18533-1 auch bei einem unterhalb der Bauwerkssohle anstehenden Bemessungsgrundwasserstand und einem als wenig durchlässig eingestuften Baugrund (k ≤ 10–4 m/s) ohne Dränung ein hydrostatischer Stauwasserdruck von der Geländeoberfläche bis zur Bauwerksunterkante angesetzt werden soll.

Diese Empfehlung der DIN 18533-1 hat für die Praxis große Bedeutung, da Böden mit k-Werten > 10–4 m/s im gesamten Bereich der Baugrube vergleichsweise selten sind und Dränmaßnahmen gemäß Bild 2 aus wasserrechtlichen Gründen zunehmend nicht mehr genehmigungsfähig sind. Als Folge werden häufig auch bei Bauwerken oberhalb des Grundwasserspiegels eine Abdichtung und eine statische Auslegung der erdberührten Wände und Bodenplatten gegen Druckwasser gefordert. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass eine Abdichtung für die Wassereinwirkungsklasse W 2.1 bereits bei anstehendem durchlässigen Baugrund (10–6 m/s < k ≤ 10–4 m/s nach DIN 18130-1 [3]) unabhängig davon erforderlich ist, ob das Bauwerk in das Grundwasser eintaucht (vgl. Bild 4) oder oberhalb des Grundwasserspiegels liegt (vgl. Bild 3).

Aus fachlicher Sicht ist eine solche Festlegung nicht plausibel. Sie ist im Allgemeinen unwirtschaftlich und führt in zunehmender Anzahl zu Fehleinschätzungen bezüglich der ordnungsgemäßen Planung und Beschaffenheit von Bauwerken mit weitreichenden vertragsrechtlichen und monetären Folgen. Beispielhaft wird im folgenden Abschnitt „Praxisbeispiel“ ein entsprechend gelagerter Rechtsfall skizziert. Mit der aktuell laufenden Überarbeitung der DIN 4095 Baugrund – Dränung zum Schutz baulicher Anlagen [2] soll auf die vorbeschriebene Fragestellung eingegangen werden. Der DIN-Arbeitsausschuss „Baugrund, Gebäudedränung“ zur Überarbeitung der DIN 4095, in dem die Verfasser dieses Beitrags mitwirken, nahm im April 2018 seine Arbeit auf. Dabei wurde entschieden, die Norm zur besseren Strukturierung zukünftig in drei Teile mit den folgenden Arbeitstiteln aufzuteilen:

  • Teil 1: Baugrund – Wassereinwirkungen und Begriffe für Dränung
  • Teil 2: Baugrund – Dränung von Stauwasser an Gebäuden
  • Teil 3: Baugrund – Dränung von Grundwasser an Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen

Dieser geplanten Neugliederung und Ausweitung des Anwendungsbereichs wurde vom Lenkungsgremium des Fachbereichs 05 „Grundbau, Geotechnik“ mit Beschluss vom Juni 2018 zugestimmt. Seitdem hat sich der Arbeitsausschuss im Wesentlichen mit der Bearbeitung des ersten Teils beschäftigt. Dies stellte sich jedoch – auch wegen teilweise differierender Ansichten der Mitglieder des Arbeitsausschusses aufgrund unterschiedlicher Erfahrungshorizonte – als deutlich aufwendiger heraus, als zunächst angenommen. Dies betrifft insbesondere die Abgrenzung zwischen Grundwasser und Stauwasser, den möglichen Wasserzufluss zur Dränanlage, das grundsätzliche Erfordernis von Dränanlagen in Abhängigkeit von unterschiedlichen Kon­stellationen der Baugrundeigenschaften sowie die Genehmigungsfähigkeit der Einleitung von Dränwasser in die öffentliche Kanalisation und der Dränung von Grundwasser. Dazu wurden differenzierte Betrachtungen, teilweise auf Grundlage der Ergebnisse numerischer Strömungsberechnungen, durchgeführt. Es ist vorgesehen, den Entwurf des neuen Teils 1 der DIN 4095 bis Ende 2021 fertigzustellen.

 

Praxisbeispiel

In einem juristischen Streit ging es um die Frage, ob bei einem mit bindigem Boden hinterfüllten Neubau (Einfamilienhaus) eine Wasserdruckbelastung auf die erdberührte Wand bzw. die Bodenplatte des Hauses anzusetzen war (vgl. auch [4], [11]). Das streitgegenständliche Gebäude liegt in einem Hang (Bild 5). Das Untergeschoss bindet auf der Rückseite vollständig in den Untergrund ein. Als Baugrund steht ein feinsandiger, toniger Schluff an. Der Aushubboden ist zur Wiederverfüllung des Arbeitsraums der Baugrube verwendet worden. Auf der Talseite befindet sich die Bodenplatte des Untergeschosses etwa auf Geländeniveau. Unter der Bodenplatte wurde eine 15 bis 20 cm dicke Schottertragschicht aus einem kornabgestuften Material der Körnung 0/32 mm angeordnet.

Bei den Arbeiten zur Baugrunderkundung war kein Grund- oder Schichtenwasser festgestellt worden. Der Baugrundgutachter hatte zur Situation ausgeführt, dass in den bindigen Bodenschichten Schichten- bzw. Sickerwasser in unregelmäßigen Tiefen, im ungünstigsten Fall auch in Geländehöhe möglich ist. Es wurde vorgeschlagen, eine Ring- und Flächendränage nach DIN 4095 in Verbindung mit einer bituminösen Abdichtung einzubauen oder alternativ das Kellergeschoss in wasserundurchlässigem Beton als „weiße Wanne“ auszuführen. Eine Abdichtung gegen aufstauendes Sickerwasser auch in Verbindung mit einer wasserundurchlässigen Bodenplatte wurde für nicht ausreichend gehalten.

Nach Fertigstellung des Hauses wurde moniert, dass für die eingebaute Ringdränage keine Anschlussmöglichkeit besteht und die betonierten Wände und die Bodenplatte weder WU-Qualität besitzen noch auf Wasserdruck bemessen wurden. Vom Eigentümer wurde gegenüber der Baufirma der Abbruch des Hauses und Neubau mit „korrekter“ Bemessung gegen die auftretende Wasserdruckbelastung gefordert. Es kam zu einem Rechtsstreit.

Im Zuge des Rechtsstreits wurden in einer ersten gerichtlichen Untersuchungsstufe hangseitig des Hauses Rammkernsondierbohrungen abgeteuft. Die Laboruntersuchung von Bodenproben ergab, dass die als Arbeitsraumverfüllung eingebauten Schluffe einen Wasserdurchlässigkeitsbeiwert von im Mittel ca. k = 10–7 m/s aufweisen. Nach DIN 18130 [3] handelt es sich somit um einen schwach durchlässigen Boden. Die ermittelten Wassergehalte betrugen zwischen w = 0,16 und 0,24. In den Sondierlöchern wurde der Grundwasserspiegel wenige Dezimeter oberhalb der Gebäudesohle eingemessen. In erster Beurteilung des Sachverhalts war dementsprechend der Einschätzung des Baugrundgutachters zuzustimmen, wonach das Gebäude zumindest auf der Hangseite in das Grundwasser einbindet und somit druckwasserhaltend auszubilden war.

Die weitere Untersuchung ergab dann jedoch von dieser Ersteinschätzung abweichende Verhältnisse. Die erdberührte Gebäudeaußenwand wurde in einer zweiten gerichtlichen Untersuchungsphase bis zur Gründungsebene freigelegt. Es zeigte sich, dass der anstehende Schluff sehr feucht bis nass war (Bild 6). Der Boden gab jedoch in den Schürfen seitlich über die Böschungen kein Wasser ab, was auf die im Boden wirksamen Saugspannungen zurückzuführen ist (vgl. den Abschnitt Grundlagen zur Wasserdruckermittlung). Das im Boden vorhandene Wasser sickerte aufgrund der Gravitation ausschließlich lotrecht ab. An der Sohle des Arbeitsraums wurde der über die Gebäudekontur hinausragenden Tragschicht Wasser zugeführt (Bild 7), wobei die anfallenden Wassermengen sehr gering und baupraktisch nicht messbar waren.

Ein Grundwasserspiegel, wie er bei den Sondierungen festgestellt wurde, existierte tatsächlich nicht. Vielmehr stellte sich he­raus, dass der nasse Boden beim Einrammen des Bohrgestänges infolge der dynamischen Einwirkung lokal in den geschaffenen Hohlraum des Sondierloches entwässert hat. Der Vorgang hatte zu einem unzutreffenden Erkundungsergebnis und zunächst zu einer falschen Einschätzung der Randbedingungen geführt.

Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass keine Hinweise darauf bestehen, dass sich Stauhorizonte mit Druckwasser ausbilden bzw. ausgebildet haben. Insbesondere der vom Baugrundgutachter befürchtete „Badewanneneffekt“, wonach der ehemalige Arbeitsraum und die Sohltragschicht mit Niederschlagswasser aufgefüllt werden (Bild 8), hat sich nicht bestätigt. Vielmehr sickern die aufgrund von Niederschlägen eindringenden Wässer im Allgemeinen lotrecht in den tieferen Untergrund ab. Lediglich geringe Wassermengen werden über die Sohle des Arbeitsraums der unter dem Gebäude befindlichen Schottertragschicht zugeführt. Von dort sickern die Wässer ohne Aufstau oder Wasserdruckbildung auf die Bodenplatte ins Liegende ab. Mit diesen Ergebnissen konnte festgestellt werden, dass eine Wasserdruckbelastung des Hauses nicht zu berücksichtigen war. Ein Abbruch des Gebäudes und ein Ersatzneubau waren aus fachlicher Sicht nicht erforderlich.

Die Tatsache, dass Sickerwässer oberhalb des Grundwasserspiegels zwar zu einer Durchnässung, nicht jedoch zu einer Wasserdruckbelastung auf Wände und Sohle führen, entspricht langjähriger Erfahrung im Bauwesen. Bild 9 zeigt schematisch eine traditionelle Standardkonstruktion zur Abdichtung von Kellermauern gegen seitlich eindringende Erdfeuchtigkeit (vgl. auch [5]). Danach wurde der Arbeitsraum der Baugrube vor den Kellerwänden mit lehmigem, tonigem Boden verfüllt. Die langjährige Erfahrung zeigt, dass unter diesen Randbedingungen die Diffusion von Bodenfeuchte in das Gebäude nicht ausgeschlossen werden kann, wohl aber werden einfließendes Wasser und Wasserdruckbelastung vermieden.

 

Grundlagen zur Wasserdruckermittlung

Die Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass bezüglich der Verwendung der Fachbegriffe zur Beschreibung der Zustandsformen von Wasser Irritationen bestehen. Dementsprechend sollen im neuen Teil 1 der DIN 4095 zunächst die Begriffe „Grundwasser“, „Sickerwasser“ und „Stauwasser“ für die unterschiedlichen unterirdischen Erscheinungsformen von Wasser auf der Grundlage der DIN 4049-3 [6] abgegrenzt werden:

  • Grundwasser: unterirdisches Wasser, das die Hohlräume im wassergesättigten Bereich eines Gesteinskörpers zusammenhängend ausfüllt
  • Sickerwasser: unterirdisches Wasser, das aus Infiltration von Wasser (z. B. Niederschlags- oder Schmelzwasser) entsteht, sich durch die Schwerkraft abwärts bewegt und die Hohlräume im wasserungesättigten Bereich eines Gesteinskörpers nur teilweise ausfüllt
  • Stauwasser: unterirdisches Wasser, das zeitlich befristet durch Aufstau von Sickerwasser über einer lokal ausgeprägten, geringer durchlässigen Bodenschicht entsteht

Ein Wasserdruck auf erdberührte Bauteile kann nur unterhalb eines Grund- oder Stauwasserspiegels auftreten. Oberhalb des Grund- oder Stauwassers stellt sich im Sickerwasser ein Wasserdruck unterhalb des atmosphärischen Luftdrucks (Saugspannung) ein, wodurch das Porenwasser in der Bodenmatrix gebunden wird. Deshalb kann Sickerwasser auch nicht gedränt werden. Eine Dränung ist nur von Stauwasser, das aus Sicker- oder Grundwasser gebildet wird, möglich. Insofern sind Dränungen in der ungesättigten Bodenzone stets unwirksam. Die fachlichen Grundlagen sollen im Folgenden kurz erläutert werden.

Im ungesättigten Bereich sind die Bodenporen teilweise mit Wasser und teilweise mit Luft gefüllt. Das Sickerwasser haftet bevorzugt an den Bodenkörnern und bewegt sich infolge der Schwerkraft entlang der Bodenkörner ins Liegende (Bild 10). Neben dieser Einwirkung aus der Gravitation wirken Kapillarkräfte, da die aus zusammenhängenden Poren bestehenden Fließkanäle physikalisch Kapillare darstellen. Aufgrund der physikalischen Eigenschaft des Wassers als benetzende Phase gegenüber der Bodenmatrix ergeben sich an den Grenzflächen dieser beiden Phasen Kräfte, die zu einem Aufsteigen des Wassers gegen die Schwerkraft führen. Der Wasserdruck nimmt dabei mit zunehmender Höhe über dem Grundwasserspiegel ab, während der Luftdruck in der Bodenmatrix unverändert bleibt. Dementsprechend ist der Wasserdruck in den Kapillaren kleiner als der Luftdruck. Bezieht man, wie allgemein üblich, den Wasserdruck innerhalb der Poren auf den Luftdruck, ergibt sich ein negativer Porenwasserdruck, der als Saugspannung bezeichnet wird, bzw. eine als Saughöhe bezeichnete negative Wasserdruckhöhe.

Der Wassergehalt des Bodens im wasserungesättigten Bereich ist abhängig von der jeweils wirkenden Saugspannung und der Bodenart. Der funktionale Zusammenhang zwischen Wassergehalt und Saugspannung (bzw. Porenwasserdruckhöhe) ist in Bild 11 vereinfacht für verschiedene Bodenarten dargestellt (vgl. [8]). Die Abbildung verdeutlicht, dass der Wassergehalt mit steigender Saugspannung bis auf einen Restwassergehalt abnimmt, bei welchem nur noch das fest an die Bodenpartikel und nicht durch Schwerkraft entwässerbare Porenwasser vorhanden ist. Bei feinkörnigen Böden ist die Abnahme des Wassergehalts mit steigender Saugspannung deutlich geringer als bei Sanden oder gar Kiesen, die im ungesättigten Zustand bereits bei geringen Saugspannungen nur noch einen Restwassergehalt aufweisen.

An der Grenzfläche zwischen unterschiedlichen Materialien (z. B. fein-/grobkörniger Boden oder Boden/Perimeterdämmung) besteht eine sprungartige Veränderung der Porengröße. An der Schichtgrenze ist zwar die Saugspannung gleich, nicht aber die jeweilige Wassersättigung. Es stellen sich also bei gleicher Saugspannung unterschiedliche Wassergehalte ein. Der feinkörnige Boden wird gegenüber dem gröberen Boden einen höheren Wassergehalt aufweisen, bindet dementsprechend das anfallende Sickerwasser und gibt es im ungesättigten Zustand nicht an die benachbarte grobkörnigere Boden-/Materialzone ab. Dies ist der Grund, warum im ungesättigten Zustand Dränagen unwirksam sind; das anfallende Sickerwasser wird im Boden gebunden und nicht an die Dränage weitergegeben. Eine Veränderung dieses Sachverhalts tritt erst auf, wenn der Boden aufgesättigt wird, sodass die Bodenporen vollständig mit Wasser gefüllt sind. Dementsprechend ist bei baupraktischen Aufgaben zu prüfen, ob z. B. aufgrund von tonigen Schichten oder auch durch Verkleisterung der Sohle und der Böschungen des Arbeitsraums aufgrund von Baustellenabfällen eine Sperre vorhanden ist, die zu einem schädlichen Aufstau des Sickerwassers und damit zu einer Stauwasserbildung führen kann.

 

Entstehung von Stauwasser an erdberührten Bauwerksteilen

Um die Wassereinwirkungen auf erdberührte Bauwerksteile ermitteln zu können, ist es – wie zuvor dargestellt – erforderlich, die jeweils zugrunde gelegten Randbedingungen genau zu definieren. Dazu wurden in der Arbeitsgruppe „Wassereinwirkungen“ des DIN Arbeitsausschuss „Baugrund, Gebäudedränung“ Voraussetzungen für den im zukünftigen Teil 1 der DIN 4095 zu untersuchenden Fall einer möglichen Stauwasserbildung an den erdberührten Bauteilen definiert.

Grundsätzlich werden nur Fälle betrachtet, in denen keine Grundwasserbeeinflussung der Bauteile erfolgt. Dazu muss sich die Sohle der Bauteile ausreichend über dem maßgebenden Grundwasserstand befinden. Der Grundwasserstand entspricht der dauerhaft in einer größeren Umgebung des Bauwerks vorhandenen, freien Grundwasseroberfläche in einem ungespannten Grundwasserleiter oder der Grundwasserdruckfläche in einem unterlagernden, gespannten Grundwasserleiter. Der Bemessungsgrundwasserstand HGW ist der höchste innerhalb der planmäßigen Nutzungsdauer des Bauwerks zu erwartende Grundwasserstand unter Berücksichtigung langjähriger Beobachtungen und zukünftig möglicher Änderungen der Grundwasserverhältnisse. Er ist nach DIN EN 1990 [9] als oberer charakteristischer Wert einer zeitlich veränderlichen (klimatisch beeinflussten) Einwirkung festzulegen. Als maßgebend für die Grundwasserbeeinflussung der Gebäudeteile wird der vertikale Abstand zwischen der Oberkante der Bodenplatte und dem HGW festgelegt. Für ein Bauwerk ohne Grundwasserbeeinflussung beträgt der erforderliche Mindestabstand in der Regel 1 m. Im Einzelfall kann ein kleinerer erforderlicher Mindestabstand festgelegt werden.

Weiterhin wird vorausgesetzt, dass kein Oberflächenwasserzufluss zum Gebäude und zur Arbeitsraumverfüllung der Baugrube (z. B. infolge Überschwemmung oder durch einen oberirdischen Hangwasserzufluss) erfolgt. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich in Verbindung mit Starkregenereignissen in Abhängigkeit von der Durchlässigkeit des oberflächig anstehenden Bodens zeitlich begrenzt Stauwasser an der Geländeoberfläche und im unmittelbar da­runter liegenden Bodenbereich bilden kann. Die mögliche Wassereinwirkung an Sockelbereichen durch Oberflächenwasserzufluss ist jedoch nicht Gegenstand der aktuellen Ausführungen.

Als maßgebende Durchlässigkeit k1 des Baugrunds im Bereich der Gründung wird der untere charakteristische Wert der Durchlässigkeit der Bodenschicht bis ca. 2 m unterhalb der Bodenplatte angesetzt. Dabei sind insbesondere geringdurchlässige Schichten zu berücksichtigen. Für die Beschreibung der maßgebenden Durchlässigkeit k2 einer homogenen Arbeitsraumverfüllung ist der obere charakteristische Wert der Durchlässigkeit unterhalb des Oberbodens bzw. der Unterkante des gegebenenfalls vorhandenen Kiesstreifens anzusetzen.

Um die mögliche Stauwasserbildung in Abhängigkeit von den genannten Einflussfaktoren zuverlässig beurteilen zu können, wurden von der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) numerische, instationäre, gesättigt-ungesättigte Sickerwasserströmungsberechnungen für ein vertikal-ebenes Modell eines Baugrunds mit einer Arbeitsraumverfüllung an einem unterirdischen Bauwerksteil durchgeführt. Dabei erfolgte eine vereinfachte Beschreibung der Abhängigkeit zwischen Saugspannung und Wassersättigung sowie zwischen Wassersättigung und ungesättigter Durchlässigkeit für die unterschiedlichen Bodenarten (vgl. [7] und [8]). Die für die beispielhaft durchgeführten numerischen Strömungsberechnungen gewählten Modellabmes­sungen und Randbedingungen sowie die unterschiedlichen Bodenbereiche und angenommenen Durchlässigkeiten sind aus Bild 12 ersichtlich. In den numerischen Berechnungen wurden Infiltrationen infolge Niederschlagsereignissen variabler Dauer betrachtet, deren Jährlichkeit (Kehrwert der mittleren jährlichen Überschreitungswahrscheinlichkeit) der planmäßigen Nutzungsdauer des Bauwerks entspricht. Auf der sicheren Seite liegend, wurde von einer vollständigen Infiltration des Niederschlags ausgegangen. Aus den durchgeführten Untersuchungen können folgende grundsätzliche Ergebnisse abgeleitet werden:

Bestehen der Baugrund seitlich und unterhalb des Bauwerks sowie die Arbeitsraumverfüllung aus einem homogenen Bodenmaterial mit nahezu gleicher Durchlässigkeit, ergibt sich eine gleichmäßige Sickerwasserströmung von der Geländeoberfläche bis zur Grundwasseroberfläche unterhalb der Bauwerkssohle unabhängig von der Durchlässigkeit des Bodenmaterials. In diesem Fall ist im Gegensatz zur Annahme der Wassereinwirkungsklasse W2.1-E nach DIN 18533-1 [1] nicht mit einer Stauwasserbildung an den erdberührten Bauteilen zu rechnen.

Bei gering durchlässigem Boden und Starkniederschlag, dessen Intensität die Versickerungskapazität des Bodens überschreitet, kann sich auch bei homogener Durchlässigkeit des Bodens kurzzeitig ein Wasseraufstau an der Geländeoberfläche und eine Wassersättigung des unmittelbar darunter anstehenden Bodenbereichs ergeben. Die sich einstellende Druckhöhe ist dabei jedoch gering.

Besteht die Arbeitsraumverfüllung aus einem homogenen Bodenmaterial mit einer geringeren Durchlässigkeit als der des seitlichen und des unterlagernden Baugrunds, ist ebenfalls nicht von einer Stauwasserbildung an der erdberührten Bauteilwand auszugehen. Gering durchlässige Böden weisen jedoch aufgrund der Wasserhaltekräfte in den sehr kleinen Hohlräumen im Allgemeinen eine dauerhaft hohe Wassersättigung (hohe Bodenfeuchte) auf (vgl. auch den Abschnitt Praxisbeispiel).

Eine Stauwasserbildung ist möglich, wenn die Arbeitsraumverfüllung eine deutlich höhere Durchlässigkeit aufweist, als die des Baugrunds unterhalb der Bauwerkssohle. In diesem Fall kann sich oberhalb der Sohle der Arbeitsraumverfüllung Stauwasser an der erdberührten Bauwerkswand über dem gering durchlässigen, unterlagernden Baugrund ergeben. An der erdberührten Bauwerkssohle wird sich auch bei höherer Stauwasserhöhe in der seitlichen Arbeitsraumverfüllung der Wasserdruckbereich auf den unmittelbaren Randbereich beschränken.

Eine Stauwasserbildung ist weiterhin möglich, wenn die Arbeitsraumverfüllung nicht aus einem homogenen Bodenmaterial, sondern aus einem geschichteten Material mit unterschiedlicher Durchlässigkeit besteht. In diesem Fall kann sich auf den Schichten mit geringerer Durchlässigkeit eine Stauwasserbildung ergeben (gegebenenfalls auch an der Sohle der Arbeitsraumverfüllung durch eingebrachtes Fremdmaterial, z. B. Beton- und Mörtelreste). An der erdberührten Bauwerkssohle tritt infolgedessen jedoch im Allgemeinen kein Wasserdruck auf.

Fazit

Für die Ermittlung der Wassereinwirkungen an den erdberührten Bauwerksteilen durch Stauwasser nach dem geplanten, neuen Teil 1 der DIN 4095 wird vorausgesetzt, dass ein Oberflächenwasserzufluss zum Gebäude und zur Arbeitsraumverfüllung der Baugrube vermieden wird und dass die Bauwerkssohle ausreichend hoch über dem Bemessungsgrundwasserspiegel liegt, sodass keine Grundwasserbeeinflussung der erdberührten Bauwerksteile erfolgt. Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass unter diesen Voraussetzungen in der Regel nicht mit einer Stauwasserbildung an den erdberührten Bauwerksteilen zu rechnen ist. Lediglich bei sehr ungünstigen Baugrundverhältnissen kann sich bereichsweise Stauwasser an der erdberührten Bauwerkswand einstellen, was gegebenenfalls durch eine geeignete Dränung verhindert werden kann. Die dabei anfallenden Wassermengen sind meist sehr gering und werden wasserwirtschaftlich häufig tolerabel sein. An der erdberührten Bauwerkssohle wird sich unter den genannten Voraussetzungen auch bei ungünstigen Verhältnissen der Wasserdruckbereich auf den unmittelbaren Randbereich beschränken. Eine Wassereinwirkung durch Wasserdruck aus Stauwasserbildung an der Unterseite einer Bodenplattenfläche kommt damit in der Regel nicht in Betracht.

Literatur

[1] DIN 18533-1:2017-07 Abdichtung von erdberührten Bauteilen – Teil 1: Anforderungen, Planungs- und Ausführungsgrundsätze

[2] DIN 4095:1990-06 Baugrund, Dränung zum Schutz baulicher Anlagen

[3] DIN 18130-1:1998-05 Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung des Wasserdurchlässigkeitsbeiwerts – Teil 1: Laborversuche

[4] Krajewski, W.: Wassereinwirkung auf der Unterseite von Bodenplatten in geringdurchlässigem Baugrund. Aachener Bausachverständigentage, 2017

[5] Frick, O.; Knöll, K.: Die Konstruktion von Hochbauten – Ein Handbuch für den Baufachmann. Vieweg+Teubner Verlag 1927; erschienen bei Springer Fachmedien Wiesbaden

[6] DIN 4049-3:1994-10 Hydrologie, Teil 3: Begriffe zur quantitativen Hydrologie

[7] Odenwald, B.; Hekel, U.; Thormann, H.: Kap. 9: Grundwasserströmung – Grundwasserhaltung, in: Witt, K. J. (Hrsg.): Grundbau-Taschenbuch, Teil 2: Geotechnische Verfahren, 8. Auflage, Ernst & Sohn, Berlin 2018, S. 635–819

[8] Odenwald, B.: Numerische Berechnung der Dammdurchströmung. BAW Mitteilungen Nr. 94 (2011), S. 59–75

[9] DIN EN 1990:2010-12 Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung

[10] Odenwald, B.; Letzelter, S.; Maier, D.: Stauwasser nach künftiger DIN 4095-1: (seltene) Ausnahme von der Regel? Aachener Bausachverständigentage, 2021

[11] Krajewski, W.: Gelebte Fehleinschätzungen zu Wassereinwirkungen an erdberührten Bauteilen. Aachener Bausachverständigentage, 2020

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Krajewski

ist langjährig im Geotechnischen Consulting als Geschäftsführer und Projektleiter tätig. Im Jahr 1996 erhielt er die Berufung zum Professor für Geotechnik, Tunnelbau und Umwelttechnik an der Hochschule Darmstadt. Prof. Krajewski ist vereidigter und öffentlich bestellter Sachverständiger für Erd-, Grund- und Felsbau sowie für Bauschäden infolge geotechnischer Ursachen. Weiterhin ist er Prüfsachverständiger Geotechnik gemäß Prüfungsverordnung der Ingenieurkammern und des VBI.

 

Dr.-Ing. Bernhard Odenwald

ist seit 2003 Leiter des Referats Grundwasser in der Abteilung Geotechnik der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) in Karlsruhe. Das Referat erarbeitet u. a. Gutachten zur Beurteilung der Grundwassereinwirkungen bei Neubau und Grundinstandsetzung von Wasserbauwerken der Bundeswasserstraßen und konzipiert Maßnahmen zur Reduzierung von Grundwasserbeanspruchungen (z. B. Dränanlagen). Dr. Odenwald ist Hauptautor des Kapitels „Grundwasserströmung – Grundwasserhaltung“ des Grundbau-Taschenbuchs und stellvertretender Obmann des DIN-AA zur Überarbeitung der DIN 4095.

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