Im Streitfall

Vorsicht vor Vergemeinschaftung

Bei der Abnahme von Wohnungseigentum sind individuelle Lösungen gefragt

Text: Jürgen F. J Mintgens und Niklas Janßen | Foto (Header): © contrastwerkstatt – stock.adobe.com

In Zusammenhang mit der Abnahme sind verschiedenste Begrifflichkeiten gebräuchlich, die Rede ist von „Abnahmereife“, „vollständig“, „Fertigstellung“ oder „Bezugsfertigkeit“. Doch wie lassen sich diese Begriffe voneinander abgrenzen? Was ist im Fall der vorzeitigen Kündigung des Bauvertrags in Bezug auf die Abnahmefähigkeit zu beachten? Und unter welchen Voraussetzungen kann die Abnahme entbehrlich sein?

Auszug aus:

der bauschaden
Ausgabe April / Mai 2022
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Häufig wird der Abnahme nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. Wird in der oft hektischen Fertigstellungsphase nicht auf die rechtssichere Durchführung der Abnahmen geachtet, kann dies im Nachgang kostspielige Folgen haben. Das böse Erwachen folgt häufig erst im Rechtsstreit. Dies gilt grundsätzlich für alle Bauvorhaben, aber in besonderem Maße für die Errichtung von Wohnungseigentum. Die rechtlichen Besonderheiten durch die Aufteilung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum bringen für die so relevante Abnahme eine spezielle Herausforderung mit sich. Die Abnahme sollte daher bereits bei der Vertragsgestaltung bezüglich des Sondereigentums und in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum gut bedacht werden. Die rechtssichere Durchführung der Abnahmen von Sonder- und Gemeinschaftseigentum ist für den wirtschaftlichen Erfolg des Gesamtprojekts von wesentlicher Bedeutung. Allein deshalb lohnt es sich, das Verständnis hierfür zu schärfen.

Die Abnahme

Die Abnahme durch den Erwerber setzt sich aus zwei Elementen zusammen: Einerseits erklärt der Erwerber mit der Abnahme, dass er die geschuldete Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht anerkennt. Andererseits findet mit der Abnahme die Übergabe der Eigentumswohnung als „Werk“ an den Erwerber statt.

Aufgrund des werkvertraglichen Elements eines Bauträgervertrags hat der Bauträger einen Anspruch auf die Abnahme, sobald das Werk abnahmereif ist. Die Abnahmereife setzt voraus, dass das Werk funktionsfähig fertiggestellt und frei von wesentlichen Mängeln erstellt worden ist. Der Erwerber darf umgekehrt allein wegen unwesentlicher Mängel die Abnahme nicht verweigern. Ein wesentlicher Mangel liegt in der Regel vor, sobald die Gebrauchstauglichkeit des Werks beeinträchtigt ist [1]. Darüber, ob ein Mangel als wesentlich einzustufen ist, bestehen im Einzelfall – wenig überraschend – zwischen Bauträger und Erwerber regelmäßig sehr unterschiedliche Auffassungen.

 

Die wesentlichen Rechtsfolgen der Abnahme

Die Abnahme des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums bringt aus Sicht des Bauträgers für das Vertragsverhältnis mit dem Erwerber eine ganze Reihe von positiven Rechtsfolgen mit sich. Von besonderer Bedeutung sind dabei:

  • Wandel des Erfüllungs- in einen Nacherfüllungsanspruch
  • Umkehr der Beweislast für Mängel auf den Erwerber
  • Beginn der Gewährleistungsfrist
  • Übergang der Vergütungs- und Leistungsgefahr auf den Erwerber
  • Ende des Erfüllungsstadiums

Sobald die Abnahme wirksam erfolgt ist, endet die sogenannte „Erfüllungsphase“. Der Erwerber kann ab diesem Zeitpunkt aus dem Bauträgervertrag nicht mehr die „Herstellung“ der Bauleistung verlangen, sondern ist auf seine Gewährleistungsrechte (Mängelrechte) gemäß § 634 BGB „beschränkt“. Selbstverständlich kann der Erwerber auch im Rahmen der Mängelrechte die „Nacherfüllung“ und damit die Herstellung der ursprünglich geschuldeten Leistung verlangen. Praktisch können der Erfüllungs- und der Nacherfüllungsanspruch daher auf dieselbe Leistung gerichtet sein. Die rechtliche Begründung ist allerdings eine andere.

Umkehr der Beweislast

Eine wesentliche Rechtsfolge der Abnahme ist die Umkehr der Beweislast. Bis zur Abnahme muss der Bauträger die Mangelfreiheit seiner Leistung beweisen. Ab dem Zeitpunkt der Abnahme muss der Erwerber die Behauptung beweisen, dass das Werk mangelhaft ist. Eine Ausnahme besteht für solche Mängel, die der Erwerber sich im Rahmen der Abnahme ausdrücklich vorbehalten hat.
Die Umkehr der Beweislast ist insbesondere in gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht selten streitentscheidend. Bei nicht eindeutigen Mängeln scheitert die Mängelklage des Erwerbers mitunter bereits daran, dass er die Mangelhaftigkeit nicht gerichtsfest beweisen kann. Die Umkehr der Beweislast sorgt aus Sicht des Bauträgers daher zu einer erheblichen Rechtssicherheit. Seine Ausgangslage für eine streitige Auseinandersetzung über Mängel ist ab diesem Zeitpunkt deutlich verbessert.

Beginn der Gewährleistungsfrist

Außerdem beginnt mit der wirksamen Abnahme der Lauf der meist fünfjährigen Gewährleistungsfrist. Der Bauträger hat selbstverständlich ein erhebliches Interesse an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Gewährleistungsfrist. Darum sollte der Bauträger schon bei der Vertragsgestaltung mit seinen Nachunternehmern darauf achten, dass ein Gleichlauf der Gewährleistung stattfindet. Andernfalls besteht die Gefahr, dass bei berechtigten Mängelansprüchen der Bauherren ein Rückgriff auf den eigentlich verantwortlichen Nachunternehmer nicht mehr möglich ist.

Innerhalb einer gerichtlichen Auseinandersetzung über Mängel mit Erwerbern sollte den verantwortlichen Nachunternehmern zudem immer der Streit verkündet werden. Mit der Streitverkündung haben alle tatsächlichen Feststellungen aus dem Verfahren (insbesondere Sachverständigengutachten) auch Geltung gegenüber den streitverkündeten Nachunternehmern. Ein Gutachten kann dann auch in einem Folgeprozess direkt verwertet werden. Außerdem wird durch die Streitverkündung die Verjährung der Gewährleistungsrechte gehemmt. Mit Blick auf die oft lange Dauer von Gerichtsverfahren ist eine Streitverkündung allein deshalb geboten.

Übergang der Leistungsgefahr

Mit der erfolgreichen Abnahme geht auch die sogenannte Leistungsgefahr auf den Erwerber über. Grundsätzlich ist der Bauträger bis zur Abnahme verpflichtet, die geschuldeten Leistungen auch dann nochmals zu erbringen, wenn das Bauwerk durch einen von keiner Seite zu vertretenden Umstand beschädigt oder zerstört wird. Zu denken ist beispielsweise an Schäden am Bauwerk aufgrund von Unwettern. Mit der Abnahme geht diese „Leistungsgefahr“ auf den Erwerber über. Der Bauträger ist nach der Abnahme nicht mehr verpflichtet, das zufällig zerstörte Bauwerk nochmals herzustellen.

Fälligkeit der Vergütung

Grundsätzlich ist die Abnahme im Werkvertragsrecht zudem Fälligkeitsvoraussetzung für die vereinbarte Vergütung (§ 641 BGB). Da jedoch im Anwendungsbereich der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) die Fälligkeit der Vergütung über den Baufortschritt geregelt werden muss, begründet die Abnahme nur ausnahmsweise die Fälligkeit der Vergütung des Bauträgers.

 

Formen der Abnahme

Die Abnahme als rechtsgeschäftliche Erklärung des Erwerbers ist grundsätzlich formfrei. Theoretisch kann die Abnahme durch den Erwerber daher auch mündlich erklärt werden.

Förmliche Abnahme

Dennoch ist dem Bauträger und dem Erwerber die Durchführung einer förmlichen Abnahme aus Gründen der Beweissicherheit dringend zu empfehlen. Es kann sich daher anbieten, die Durchführung der förmlichen Abnahme sowohl für das Sondereigentum als auch für das Gemeinschaftseigentum schon im Vertragstext vorzusehen. Aus Sicht des Bauträgers sollte allerdings geregelt werden, dass andere Formen der Abnahme hierdurch nicht ausgeschlossen werden.

Die förmliche Abnahme findet in der Regel statt, indem Bauträger und Erwerber als Folge einer gemeinsamen Abnahmebegehung ein Abnahmeprotokoll unterzeichnen. Die Unterschrift ist allerdings kein Wirksamkeitserfordernis. Wichtig ist aber, dass in dem Protokoll die eindeutige Aussage des Erwerbers schriftlich festgehalten ist, dass er die Abnahme in Bezug auf das Sonder- und Gemeinschaftseigentum erklärt. Nur mit einem solchen Abnahmeprotokoll ist die erfolgte Abnahme eindeutig dokumentiert. Wie gezeigt, ist die Abnahme für den Bauträger mit einer Vielzahl positiver Rechtsfolgen verbunden. Er sollte daher ein natürliches Interesse daran haben, die Abnahme durch ein unterzeichnetes Abnahmeprotokoll sicher zu dokumentieren.

Konkludente Abnahme

Alternativ kann die Abnahme durch den Erwerber auch konkludent, das heißt durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. Ein solches Verhalten liegt vor, wenn der Erwerber auch ohne ausdrückliche Erklärung durch sein Verhalten erkennen lässt, dass er das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß billigt [2]. Die konkludente Abnahme setzt voraus, dass das Werk im Wesentlichen mangelfrei errichtet worden ist.

Beispielhaft kann ohne weitere Erklärungen des Erwerbers in der Ingebrauchnahme und einem darauffolgenden Zeitablauf von zwei bis drei Monaten, ohne dass Mängel gerügt werden, eine konkludente Abnahme liegen. Da der Bauträger die konkludente Abnahme beweisen muss, sollte auf die konkludente Abnahme nur im Ausnahmefall als „Rettungsanker“ zurückgegriffen werden. Umfassende Rechtssicherheit ist für den Bauträger nur über eine förmliche Abnahme erreichbar.

Fiktive Abnahme

Schließlich kennt das Gesetz auch die Kon­struktion der fiktiven Abnahme, § 640 Abs. 2 Satz 2 BGB. Anders als die konkludente Abnahme ist die fiktive Abnahme nicht von einer Willensäußerung des Erwerbers abhängig.

Die fiktive Abnahme kann erreicht werden, indem der Bauträger dem Erwerber eine angemessene Frist zu Erklärung der Abnahme gesetzt hat und dieser die Abnahme nicht innerhalb der Frist unter der Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Ist der Erwerber (wie so häufig) Verbraucher, muss der Bauträger in Textform auf die Rechtsfolgen (= fiktive Abnahme) einer unterbliebenen ordnungsgemäßen Abnahmeverweigerung hinweisen. Die fiktive Abnahme tritt dann durch den Fristablauf ein.

Praktisch sollte die fiktive Abnahme aufgrund der damit einhergehenden rechtlichen Unsicherheiten nur im absoluten Ausnahmefall angestrebt werden. Erst dann, wenn eine förmliche Abnahme und eine konkludente Abnahme aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Qualität der Bauleistung nicht erreicht werden können, sollte der Bauträger auf das Instrument der fiktiven Abnahme zurückgreifen.

 

Besonderheiten durch Sonder- und Gemeinschaftseigentum

Im Bauträgerrecht führt die Aufteilung des Gebäudes in Sonder- und Gemeinschaftseigentum zu besonderen Herausforderungen im Rahmen der Abnahme. Bekanntlich erwirbt der Käufer zum einen sogenanntes „Sondereigentum“ an seiner eigenen Wohneinheit. Das Grundstück selbst sowie die Teile, Anlagen und Einrichtungen eines Gebäudes, die nicht im Sondereigentum stehen, bilden das sogenannte Gemeinschaftseigentum. Am Gemeinschaftseigentum erwirbt der Käufer zum anderen einen entsprechenden Miteigentumsanteil. Ohne auf die teilweise schwierige Abgrenzung näher einzugehen, sind grundsätzlich sämtliche Gebäudeteile, die für den Bestand und die Sicherheit des gesamten Gebäudes notwendig sind, Teil des Gemeinschaftseigentums. Gleiches gilt für die Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienen [3].

 

Individuelle Abnahme durch jeden Erwerber

Jeder Erwerber hat aus seinem Bauträgervertrag einen individuellen Anspruch auf die mangelfreie Errichtung des Gemeinschaftseigentums. Hieraus folgt, dass jeder Erwerber das Recht zur Einzelabnahme des Gemeinschaftseigentums hat [4]. Die einzelnen Erwerber sind damit für die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ausschließlich zuständig. Eine Vergemeinschaftung der Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist nicht möglich. Diese Erkenntnis ist entscheidend. Aus ihr folgt, dass das Gemeinschaftseigentum erst dann abgenommen ist, wenn der letzte Erwerber die Abnahme erklärt hat.

 

Durchführung der Abnahme des Gemeinschaftseigentums

Für den Bauträger stellt sich nunmehr praktisch die Frage, wie er die rechtssichere Abnahme des Gemeinschaftseigentums erreichen kann. Dadurch, dass jeder Erwerber selbst die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erklären muss, verbieten sich Versuche der „Vergemeinschaftung“ der Abnahme. In Bauträgerverträgen wurde in der Vergangenheit über verschiedenste Klauseln versucht, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums einem praktikablen Modell zuzuführen. Nicht selten finden sich trotz klarer Rechtslage auch heute noch Klauseln, wonach die Abnahme durch einen Dritten erklärt werden soll oder die WEG die Abnahme „gemeinschaftlich“ zu erklären hat. Sämtliche dieser und ähnlicher Klauseln begegnen allerdings erheblichen Wirksamkeitsbedenken. Insbesondere die folgenden Elemente von Klauseln zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums führen regelmäßig zur Unwirksamkeit:

Vergemeinschaftung: Praktisch läge es nahe, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums der werdenden WEG zu übertragen. Da jedoch die Abnahme auch des Gemeinschaftseigentums ein originäres Recht eines jeden Erwerbers darstellt, ist die Vergemeinschaftung nicht möglich.

Bevollmächtigung eines Dritten mit der Abnahme: Häufig wurde versucht, den praktischen Vorgang dadurch zu erleichtern, dass ein unabhängiger Dritter mit der Abnahmeerklärung in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum bevollmächtigt wird. Es besteht in diesen Fällen immer die Gefahr, dass ein Gericht die notwendige Neutralität des Bevollmächtigten nicht anerkennt. Dies gilt v. a., wenn der Dritte aus dem Lager des Bauträgers stammt.

Bevollmächtigung eines Dritten durch die WEG: In etwas abgewandelter Form wurde zudem bereits versucht, die Neutralität des Dritten dadurch zu wahren, dass er durch die (werdende) WEG benannt wird. Problematisch ist eine solche Regelung, wenn der Bauträger selbst Teil der WEG ist. Darüber hinaus findet ein entsprechender Beschluss der WEG häufig erst in der ersten WEG-Versammlung statt. Die Benennung des Dritten und damit die Abnahme erfolgt damit für den Bauträger zeitlich deutlich zu spät.

Keine Unwiderruflichkeit einer Vollmacht: Sobald einem Erwerber die Möglichkeit genommen wird, die Bevollmächtigung eines Dritten zu widerrufen, liegt bereits hierin eine unangemessene Benachteiligung.

Es lässt sich zusammenfassen, dass sämtliche (aus praktischen Gründen nachvollziehbare) Versuche einer Vereinheitlichung der Abnahme mit nicht zu kalkulierenden Wirksamkeitsrisiken verbunden sind. Die unwirksame Klausel zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums sorgt im Zweifel dafür, dass keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums eingetreten ist. Dies bedeutet auch:

  • keine Umkehr der Beweislast
  • keine Verjährung der Mängelansprüche
  • kein Gefahrübergang auf den Erwerber

In zeitlicher Hinsicht kann der Bauträger dann ein Ende seiner Haftung nicht erreichen. Mit jüngerer Rechtsprechung wurde eine Gewährleistungspflicht des Bauträgers auch nach über 13 Jahren noch angenommen [5].

 

Praktische Empfehlung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums

Es gilt vor den genannten Hintergründen die praktische Empfehlung, in der Vertragsgestaltung von einer Vereinheitlichung der Abnahme abzusehen. Stattdessen sollte jedem Erwerber die individuelle Abnahme auch des Gemeinschaftseigentums ermöglicht werden. Praktikabel erscheint es aus Sicht des Bauträgers, hierfür zunächst das Gemeinschaftseigentum durch einen von ihm beauftragten Sachverständigen begutachten zu lassen. Diese Begehung kann auch mit den Erwerbern stattfinden. Die protokollierten Mängel werden dann beseitigt. Der Sachverständige überprüft daraufhin die Mangelbeseitigung und bescheinigt gegebenenfalls die Abnahmereife des Gemeinschaftseigentums.

Den Erwerbern wird daraufhin im Rahmen der Übergabe ihrer Wohneinheit und auf Basis der sachverständigen Feststellung sowohl ein Abnahmeprotokoll für das Gemeinschafts- als auch für das Sondereigentum vorgelegt. Durch die erfolgten Informationen und eine Beteiligung der Erwerber an diesem Prozess liegt es nahe, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums von jedem Erwerber daraufhin individuell durch Unterzeichnung der Protokolle erklärt wird. Falls notwendig, können in dem Abnahmeprotokoll zum Gemeinschaftseigentum noch nicht fertiggestellte Teile (z. B. Außenanlagen) ausgenommen oder ausdrücklich als noch nicht fertiggestellt protokolliert werden.

 

Wann liegt überhaupt ein Mangel vor?

Um die Frage nach der „Mangelfreiheit“ beantworten zu können, bedarf es zunächst eines klaren Verständnisses darüber, wann ein Mangel an der Bauleistung überhaupt gegeben ist. Nach dem Gesetz ist eine Bauleistung mangelfrei, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Ausgangspunkt der Mangelfreiheit ist daher zunächst immer das vereinbarte, sogenannte „Bausoll“. Das „Bausoll“ ergibt sich aus dem Bauträgervertrag, insbesondere aus der Baubeschreibung und den Planunterlagen. Aus Sicht des Bauträgers ist es daher essenziell, auch auf die genaue Ausgestaltung der Baubeschreibung ein besonderes Augenmerk zu richten. Eine juristische Überprüfung nicht nur des Vertrags selbst, sondern auch der Baubeschreibung, kann ungewollte und meist kostspielige Zusagen zur Ausführung rechtzeitig verhindern. Im Übrigen kann sich das geschuldete „Bausoll“ unter Umständen auch aus Werbeaussagen oder Prospektangaben ergeben [6].

Nach der Rechtsprechung wird in der Regel auch die vertraglich vereinbarte Funktion der Bauleistung als Beschaffenheit vereinbart. Ein Mangel kann daher auch darin liegen, dass die Bauleistung die vereinbarte Funktion nicht erfüllt.

Um eine Inanspruchnahme wegen Mängeln zu vermeiden, ist insbesondere der richtige Umgang mit Bedenkenanzeigen entscheidend. Die aus der VOB/B bekannte Bedenkenanzeige kann auch im BGB-Werkvertrag die Enthaftung des Auftragnehmers zur Folge haben [7]. Nicht selten zeigt sich erst während der Projektausführung, dass bestimmte Leistungen aus der Baubeschreibung nicht oder nicht so umsetzbar sind. Häufig erfolgt hierzu zunächst eine entsprechende Mitteilung der vom Bauträger beauftragten Nachunternehmer. Praktisch ist dann zu klären, ob diese Bedenken an die jeweiligen Erwerber weitergereicht werden. Kann auf diese Weise eine klare Aussage der Erwerber erreicht werden, dass eine zum Bausoll abweichende Ausführung stattfinden soll, kommt eine spätere Geltendmachung eines Mangels deshalb nicht mehr in Betracht.

 

Zusammenfassung

Für den Bauträger sollte die förmliche Abnahme des Sonder- und Gemeinschaftseigentums ein erklärtes Ziel darstellen. Die hiermit verbundenen Rechtsfolgen verbessern die Ausgangslage des Bauträgers für nachfolgende Streitigkeiten erheblich. Gerade die sich aus dem „Gemeinschaftseigentum“ ergebenden Besonderheiten bieten Anlass dazu, sich mit der Abnahmethematik bei der Errichtung von Wohnungseigentum gesondert auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang ist von einer vorschnellen Übernahme von Musterklauseln zur Vereinheitlichung des Gemeinschaftseigentums dringend abzusehen. Es verbleibt die Grundaussage, dass jeder Erwerber auch das Gemeinschaftseigentum individuell abnehmen muss.

Literatur

[1] Basty, G.: Der Bauträgervertrag. 9. Aufl., Carl Heymanns Verlag, Köln 2018, Rn. 1003.

[2] Kniffka, R.; Koeble, W.: Kompendium des Baurechts. 5. Auflage, C.H.Beck, München 2020, Rn. 52 in Teil 3 „Die Abnahme der Bauleistung“.

[3] Pause, H.-E.: Bauträgerkauf und Baumodelle. 6. Auflage, C.H.Beck, München 2018, Rn. 567 f.

[4] BGH, Urt. v. 12.05.2016, VII ZR 171/15; BGH, Urt. v. 21.02.1985, VII ZR 72/84.

[5] LG München, Urt. v. 24.04.2018, 28 U 3042/17; Eufinger, S.; Jahn, M. R.: Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums und typische Fehler, in: NZBau 2020, 417.

[6] Basty, G.: Der Bauträgervertrag. 9. Aufl., Carl Heymanns Verlag, Köln 2018, Rn. 1083.

[7] OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.04.2020, 5 U 131/18.

Zur Person

Rechtsanwalt Jürgen F. J. Mintgens

Rechtsanwalt Mintgens ist Partner der auf Bau- und Immobilienrecht spezialisierten Kanzlei GTW in Düsseldorf. Er berät sämtliche Beteiligten eines Bauvorhabens zu allen sich ergebenden Fragestellungen. Er verfügt über eine langjährige Erfahrung in der Beratung von Bauträgern sowohl bei der Vertragsgestaltung als auch bei der Durchführung und Abwicklung des Projekts.

Rechtsanwalt Niklas Janßen

Rechtsanwalt Janßen ist ebenfalls in der Kanzlei GTW tätig und berät Mandanten ausschließlich im privaten Baurecht, dem Architektenrecht und den damit zusammenhängenden Rechtsgebieten.

Kontakt: g-t-w.com

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