Am Objekt
Dachverwandlung
Vor dem Ausbau kommt die statische und holzschutztechnische Ertüchtigung
Text: Dipl.-Ing. Axel Schulze M.Sc | Foto (Header): © khorixas – stock.adobe.com
Dachgeschosse in Altbauten werden oft stiefmütterlich behandelt und wenig instand gehalten. Ein Beispiel zeigt hier, was das für den Ausbau bedeuten kann: In einer aufwendigen Sanierung mussten neben der Bekämpfung eines Pilzbefalls die Auflagerbereiche der Deckenbalken statisch ertüchtigt werden.
Auszug aus:
der bauschaden
Ausgabe Oktober / November 2016
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Um mehr Wohnraum zu schaffen, werden oft ungenutzte Dachräume ausgebaut. Der Ausbau von Dachgeschossen stellt eine kostengünstige und zeitsparende Alternative dar, denn dafür ist kein Bauland erforderlich, und in der Regel sind keine großflächigen Veränderungen an den Grundmauern des Hauses notwendig (Bild 2).
Alte Dachstühle wurden zum Zeitpunkt der Errichtung oft so konstruiert, dass sie nur die Dachhaut und die Windlasten aufnehmen. Die Nutzung des Dachraums als Wohnung war ursprünglich nicht vorgesehen. Durch die Umnutzung des Dachraums müssen zusätzliche Lasten aufgenommen werden, die oft nicht ausreichend von der vorhandenen Dachkonstruktion und deren Deckenbalken abgetragen werden.
Da die nicht ausgebauten Dachräume nur selten aufgesucht wurden und eine gezielte Kontrolle der Dachkonstruktion fehlte, blieben Baukonstruktionsfehler, die mit Wassereintritt und Schuttansammlungen verbunden sind, oft unbemerkt. Die Lebensgrundlage für Holz zerstörende Organismen entsteht.
Häufig betroffen sind die Auflagerbereiche der Deckenbalken im Wandbereich, wie auch Bereiche von Giebel- oder Brandwänden, Dachdurchführungen, Dachkehlen, usw. Diese Holzbauteile werden durch Holz zerstörende Organismen, wie Insekten oder Pilze, geschwächt.
Das Gebäudetragwerk als komplexes räumliches Gebilde leitet durch das Zusammenwirken seiner einzelnen Bauteile die Lasten in den Baugrund und stellt somit die Standsicherheit des Gebäudes sicher. Beim Ausbau ist darauf zu achten, dass alle tragenden Bauteile an der Abtragung der Lasten beteiligt werden.
Zustand vor dem Ausbau
Der Eigentümer eines Berliner Mietshauses aus den 20er-Jahren plante 2014 die Umnutzung des Dachraums und den Ausbau zu Wohneinheiten.
Vonseiten des Verfassers erfolgte aus diesem Grund eine holzschutztechnische Untersuchung der Dachkonstruktion und der Deckenbalkenlagen. Neben den herkömmlichen Begutachtungsmethoden wurden die verdeckten Holzbauteile mit dem Endoskop und der Resistographie [1] untersucht (Bild 4). Hierbei stellte sich heraus, dass besonders an den hofseitigen hölzernen Balkenkopfauflagern minimaler bis starker Holzabbau durch Würfelbruch und Insektenschädigungen vorhanden ist (Bilder 5).
Zudem fanden sich hier makroskopisch festgestellte Myzelien und Strangbewuchs im Bereich der Schüttung und im Bereich der angrenzenden Balkenflanken. Ebenso waren am Holz haftende Stränge erkennbar. An den betroffenen Abschnitten wurde hauptsächlich ein vitaler Befall des Echten Hausschwamms (Serpula lacrymans) festgestellt (siehe hierzu Kartierungsplan in Bild 6).
Sanierung nur in Einzelschritten
Die Schadbereiche, die sich ausschließlich in der Nähe des Auflagermauerwerks befanden, mussten nach DIN 68800-4 [2] in Verbindung mit dem WTA-Merkblatt 1-2- 05/D behandelt werden [3].
Die DIN 68800-4, Punkt 4.2.1. fordert einen Rückschnitt der Hölzer um mindestens 1,0 m über den sichtbaren Befall hinaus. Auch beim befallenen Mauerwerk galt es, alle Pilzteile zu entfernen. Dabei ist eine Sicherheitszone von 1,5 m über den sichtbar befallenen Bereich hinaus (in alle Richtungen) einzuhalten. Das bedeutete, dass die Wohnung unterhalb des Dachgeschosses in die Schwammsanierung mit einbezogen werden musste.
Im Bereich unter dem Balkenauflager, in der Wohnung unter dem Dachgeschoss, konnte die erforderliche Schwammsanierung zu diesem Zeitpunkt nicht durchgeführt werden, da diese bewohnt war. Daher wurde mit allen Beteiligten festgelegt, dass die Sanierung in zwei Etappen zu erfolgen hat. So konnten die Deckenbalken aufgrund der geschwächten Tragwirkung und des Rückschnitts im Bereich der Auflager erst nach Herstellung des neuen Dachausbaus erfolgen.
Sanierungsarbeiten im Dachbereich
Die teilgeschwächten Deckenbalkenköpfe konnten in dieser Etappe nicht gesundgeschnitten werden. Da nur ein Teil der Deckenbalken geschwächt war, konnte jedoch mit einer noch ausreichenden Tragwirkung gerechnet werden. Aufgrund der biologischen Eigenschaften des Echten Hausschwammes mussten allerdings vorbeugende Maßnahmen getroffen werden, um ein Auswachsen zu verhindern. So wurde im Vorfeld die vorhandene Schüttung im Auflagerbereich komplett ausgebaut und fachgerecht entsorgt. Der Mauerkronenbereich wurde gesäubert, Fugen ausgekratzt und vorbeugend mit Schwammsperrmittel geflutet. Besonders für den Kontaktbereich des Holzes mit dem Mauerwerk war es für mich wichtig, dass das Mauerwerk zusätzlich mit einem Schwammsperrmittel behandelt wird.
Sanierung unterhalb des Dachgeschosses
In den Räumen unter dem Dachgeschoss wurde die Gipskartondecke unter den sanierten Deckenbalken im Außenwandbereich geöffnet. Durch das Öffnen der Decke wurde ein Ausführungsfehler sichtbar: Die Balkenkonstruktion des neuen Dachgeschossaufbaus war in den Auflagerbereichen in der Außenwand nicht fachgerecht ausgeführt worden. Hier wurde ein Profilstahlträger eingebaut, der die Lasten der Holzbalken des neuen Dachgeschosses aufnahm und auf welchem zusätzlich ein Teilbereich einer massiven Trennwand des Dachgeschosses stand. Das Auflager des Profilstahlträgers bestand aus mehreren lose aufeinander gestapelten Holzverbundwerkstoffstücken sowie losem Mauerwerk. (Bild 7). Diese Ausführung entspricht weder den anerkannten Regeln der Technik, noch ist sie in irgendeiner Art und Weise lagerbeständig und hat zur Folge, dass die Standsicherheit fahrlässig gefährdet ist.
Zudem wurden in den weiteren Auflagerbereichen des Stahlträgers sowie der vorhandenen Deckenbalken u. a. Mängel bezüglich des konstruktiven Brandschutzes festgestellt. Hier fehlten ebenfalls die seitlichen Ausmauerungen (Bild 9).
Die Stahlträger sind ein statisch relevanter Bestandteil des neuen Dachgeschosses. Die vorgefundene Ausbildung der Auflagerbereiche für die Stahlkonstruktionen war nicht korrekt ausgeführt und musste aufgrund der bedingten Standsicherheit zwingend saniert werden. Zuerst waren bis zur endgültigen Instandsetzung alle Einleitungen von zusätzlichen Lasten (z. B. Verkehrslasten) in die Konstruktion zwingend zu vermeiden. Auch Erschütterungen aufgrund der nicht lagebeständigen Ausführung sollten möglichst ausgeschlossen werden.
Statische Ertüchtigung des Auflagers
Folgende Lösung, die den anerkannten Regeln der Technik entspricht, kam zur Anwendung:
• Der Stahlträger wurde mittels Hebesteifen unterfangen, die auf drei Deckenbalken der Decke über dem 4. Obergeschoss aufgestellt wurden.
• Die berechneten Aufstandsflächen der Hebesteifen und deren Lastübertragung in den Fußboden wurden statisch überprüft.
• Die Stahlträger wurden am Auflagerbereich Millimeter für Millimeter angehoben. • Die hölzernen Auflager wurden komplett ausgebaut.
• Es wurde ein neues Mauerwerksauflager mit Ziegel- und Kalksandsteinen (KSV 12-1,4) in Mörtelgruppe 3 hergestellt, welches mit außenseitigem Glattstrich ausgeführt wurde (Bild 10).
• Gemäß DIN 68800-4 wurde der Innenwandbereich ab dem Deckenbalken mauerwerkstechnisch (Schwammsperre, Injektagen, Flutung etc.) saniert. Die betroffenen Balkenköpfe wurden 1,0 m ab dem Befall gesundgeschnitten.
• Nach statischer Abnahme und Prüfung durch den Prüfstatiker konnten die Hebesteifen ausgebaut werden.
• Die Decke wurde mit OSB-Platten vollflächig geschlossen. • Es folgte eine brandschutztechnische Deckenausführung der Decke des 5. Obergeschosses.
Zusammenfassung
Die Auswertung baubegleitender Qualitätskontrollen verweist darauf, dass Baumängel – wenn nicht rechtzeitig erkannt und beseitigt – später zu Bauschäden führen und die Mängelbeseitigungskosten um ein Vielfaches übersteigen.
Erst durch die Ertüchtigungsmaßnahmen der Deckenbalkenköpfe und die vollständige Beseitigung des Echten Hausschwamms wurde eine mangelnde Ausbildung der Auflagerbereiche für die verbauten Stahlkonstruktionsbauteile festgestellt. Die Stahlträgerauflager des darüber liegenden Dachgeschosses wurden nicht fachgerecht und standsicher ausgeführt. Zur Herstellung der Standsicherheit wurde eine Instandsetzungsplanung und Prüfstatik erstellt und nach diesen Anforderungen ausgeführt. Im Zuge der Neuausbildung der Auflager wurden die Arbeiten gutachterlich überwacht und alle Schritte dokumentiert.
Literatur
[1] Der Resistograph ist eine Apparatur mit einem mechanischen Bohrgerät und einer Auswertungselektronik. Die Elektronik sorgt für einen konstanten Vorschub und eine konstante Drehzahl der im Bohrgerät enthaltenen Bohrnadel (Durchmesser an der Spitze = 3 mm). Gemessen wird der Widerstand, den das Holz dem Durchbohren entgegensetzt.
[2] DIN 68800-4:2012-02 Holzschutz – Teil 4: Bekämpfungs- und Sanierungsmaßnahmen gegen Holz zerstörende Pilze und Insekten
[3] WTA-Merkblatt 1-2-91 / D Der Echte Hausschwamm. Erkennung, Lebensbedingungen, vorbeugende und bekämpfende Maßnahmen, Leistungsverzeichnis
Zur Person
Dipl.-Ing. Axel Schulze M.Sc.
Möbelrestaurator, Dipl.-Ing. Holzingenieurwesen, M.Sc. Bauforschung und Denkmalpflege, Geprüfter Sachverständiger für Holzschutz und historische Bauwerke
Seit fünf Jahren ist Axel Schulze als freischaffender Gutachter, verstärkt an unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden tätig.
Kontakt
www.bauforschung-schulze.de