Im Detail

Viel Fläche, wenig Fuge

Großformatige Fliesen und Platten schadenfrei verlegen

Text: Bernd Jolly | Foto (Header): © Marco2811 – Fotolia.com

Großformatige Fliesen sind „in“. Doch von den hohen Anforderungen an den Untergrund bis zum Grundieren, Spachteln und Verlegen sind zahlreiche Punkte zu beachten, damit später keine Haftungsstörungen oder Kantenstände auftreten.

Auszug aus:

der bauschaden
Ausgabe Juni / Juli 2016
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Großformatige Fliesen und Platten erfreuen sich immer größerer Beliebtheit bei Auftraggebern. Dieser Trend ergibt sich aus dem technischen Fortschritt der Produzenten und dem optisch hochwertigen Erscheinungsbild mit geringem Fugenanteil. Die Größe der keramischen Fliesen wie auch die Maßgenauigkeit durch die Rektifizierung und Kalibrierung der Platten stellen jedoch erhöhte Anforderungen an Wissen und Können des Verarbeiters. Das gilt auch hinsichtlich der vorbereitenden Arbeiten und des Untergrunds.

Fehlerquellen und Schadensanzeigen

Bezüglich Mängelanzeigen sind die nachfolgend beschriebenen Schäden meiner Erfahrung nach am häufigsten zu finden:

  • Verbundhaftungsstörung mit dem Untergrund
  • Hohllagen bei Einzelfliesen
  • Kantenstände zu benachbarten Platten
  • Abweichungen im Fugenschnitt oder der Fugenbreite
  • Fehler bei der Verlegung im Verband

In Bezug auf Verbundhaftungsstörungen mit dem Untergrund haben sich im Speziellen zwei Schadensbilder herauskristallisiert. In den meisten Fällen ist ein Calciumsulfatfließestrich (CAF) oder ein Calciumsulfatestrich (CA) vorhanden. Die Störung der Verbundhaftung bei diesen Estricharten resultiert in der Regel aus einer zu hohen Restfeuchte im Estrich, weshalb vor der Verlegung entsprechende Prüfungen durchgeführt werden müssen. Des Weiteren wird bei der Verlegung auf CA oder CAF meist ein herkömmlicher Flexmörtel verwendet, im Zusammenspiel mit einer Acryl-Harz-Dispersion als Grundierung.

In beiden Fällen entsteht Ettringit in der Verbundzone zwischen Zementkleber und im einfachsten Fall Gips, was zu einer Volumenvergrößerung an der Randzone und nachfolgend zu Festigkeitsverlust und Ablösen der Keramik führt.

Im zweithäufigsten Schadensfall tritt ein Haftverlust zwischen Klebemörtel und der Keramik (in der Regel Feinsteinzeug) auf. Während bei kleineren Formaten (wie handwerklich vorgeschrieben) die Fliese im Dünnbettverfahren eingeschoben werden soll, um die Kleberstege zu öffnen und eine optimale Anbindung zu garantieren, können Großformate nur aufgelegt und angedrückt oder angeklopft werden.

In verschiedenen Merk- oder Arbeitsblättern des ZDB (Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V.) und des BEB (Bundesverband Estrich und Belag e. V.) wird bereits darauf hingewiesen, die Rückseite großformatiger Fliesen abzuspachteln, um die Haftung zu verbessern und Lufteinschlüsse zu verhindern. Diese Vorgehensweise ist derzeit anerkannte Regel der Technik, da die DIN 18157 aus dem Jahr 1979 [1] derzeit neu ausgearbeitet wird [2].

Hohllagen bei Einzelfliesen resultieren eher aus der Wahl einer zu kleinen Zahnleiste, um das Klebebett aufzutragen, aus einer nicht vollflächigen Bettung im kombinierten Verfahren oder aus der falschen Verwendung von Fließbettmörteln.

Kantenstände zu benachbarten Platten sind in der Baustellenprüfung über das ZDB-Merkblatt Höhendifferenzen [3] geregelt. Der maximale Kantenstand darf 2,0 mm bei einem Fliesenmaß von 60 x 60 cm betragen.

In der DIN EN 14411 [4] wird im Anhang L für stranggepresste keramische Fliesen und Platten mit geringer Wasseraufnahme (Gruppe AIa mit Eb ≤ 0,5 %; in der Regel Feinsteinzeug) bezüglich der Präzision unter A.5 Ebenflächigkeit ein Abweichungswert von ± 0,5 % gefordert. Bei dieser Vorgabe kann es zu einer Mittelpunktwölbung in konkaver oder konvexer Form von über 2 mm kommen, was demzufolge noch regelkonform ist. Dadurch ist es umso schwieriger, Kantenstände von maximal 2 mm in der Baustellenprüfung einzuhalten. Was diese Vorgaben und Prüfungen jedoch entspannt, ist, dass die meisten keramischen Hersteller ihren Abweichungswert mit ± 0,1 bis ± 0,2 % in ihren Produktinformationen angeben.

Auftraggeber wünschen sich oftmals keine oder sehr schmale Fugen von 1 bis 2 mm. Zudem wünschen sie häufig Verbundverlegungen wie Halb- oder Drittelverbund. Hierfür wird in den zuvor genannten Merkblättern eine Mindestfugenbreite von ≥ 3 mm vorgeschlagen, um Höhendifferenzen und Materialunterschiede ausgleichen zu können. Weiter wird ein Fugenschnitt als Kreuzfuge gefordert, da bei anderen Verlegeverbänden Risse, Hohllagen und Kantenstände entstehen können.

Fachgerechte Verlegung von Großformaten

Grundsätzlich ist bei handwerklichen Arbeiten ein dauerhafter Erfolg geschuldet. Um dies zu gewährleisten, sollten nachfolgende Arbeitsschritte und Vorgehensweisen beachtet werden.

Prüfung des Untergrunds

Der Untergrund (Estrich) sollte in der Ebenheit der DIN 18202, Tabelle 3, Zeile 4 – Erhöhte Anforderungen [5], entsprechen. Ist dies nicht der Fall, muss eine Ausgleichspachtelung erfolgen, welche eine gesonderte Leistung darstellt, die gesondert zu vergüten ist.

Die zulässigen Ebenheitstoleranzen der DIN 18202 für Untergründe zur Belegung mit Keramik und Naturwerkstein mit einem Stichmaß von 3 mm/m können bereits Probleme bei der konventionellen Dünnbett- bzw. Fließbettverlegung aufwerfen. Aufgrund der großen Kantenlängen und der zumeist relativ „scharfen“ Kanten (insbesondere bei rektifiziertem Material) von großformatigen Platten führt dies ohne eine entsprechende Feinnivellierung des Untergrunds zu Kantenständen. Das heißt: Die Ebenflächigkeit des Untergrunds muss vor der Verlegung genauestens überprüft werden. Bei Toleranzen, die nach Normkriterien also durchaus noch zulässig sind, jedoch den Anforderungen an den großformatigen Belag nicht genügen, muss eine Entscheidung getroffen werden, in welchem Verlegeverfahren gearbeitet werden soll.

Neben der Prüfung der Ebenheitstoleranzen sind die allgemeinen Prüfungen des Estrichs durchzuführen wie

  • Visuelle Prüfung (Risse etc.),
  • Klopfprüfung,
  • Saugfähigkeit,
  • Oberflächenfestigkeit,
  • Restfeuchte / Belegreife.

Hinsichtlich der Restfeuchte in Calciumsulfatestrichen ist besondere Sorgfalt geboten. Mineralisch gebundene Estriche als Untergründe dürfen erst belegt werden, wenn sie ausreichend trocken sind. Der Feuchtegehalt ist durch die CM-Messung zu bestimmen. Die Belegreife ist bei unbeheizten calciumsulfatgebundenen Estrichen bei einem Feuchtegehalt von ≤ 0,5 CM% bzw. bei Heizestrichen bei einem Feuchtegehalt ≤ 0,3 CM% erreicht.

Die Vorgabe für Heizestriche wurde in der im November 2015 erschienenen DIN Calciumsulfatgebundene Estriche sind gegenüber einer länger einwirkenden Feuchtigkeitsbelastung aus dem Verlegemörtel und gegebenenfalls der Spachtelmasse zu schützen. Im Verlegemörtel bzw. in der Spachtelmasse enthaltenes Überschusswasser, das aufgrund der höheren Schichtdicken und der ungünstigen Trocknungsbedingungen unterhalb der großen Platten bei gleichzeitig sehr schmalen Belagsfugen ansteht, kann deutlich länger als üblich auf den Untergrund einwirken. Dies kann letztendlich zu einer Herabsetzung der Festigkeit in der Randzone calciumsulfatgebundener Estriche führen.

Großformatige Fliesen und Platten sollen möglichst im Fugenschnitt (Kreuzfuge) verlegt werden, um die Gefahr von Rissbildungen, Kantenständen und Hohllagen zu minimieren. Sind Spachtelmaßnahmen erforderlich, sollten zum Schutz des Estrichs vor Feuchteschäden Epoxidharzgrundierungen eingesetzt werden.

Bei der Verlegung der Großkeramik kann mit einer Dispersionsgrundierung grundiert werden, jedoch muss die Verlegung der Platten dann mit einem schnell abbindenden Klebemörtel nach DIN EN 12004 [7] C2 FT S2 ausgeführt werden. Wird mit einer Epoxidharzgrundierung grundiert, sind ein Klebemörtel der DIN EN 12004 C2 TE S2 und eine normale Abbindezeit ausreichend. Das angewandte System sollte vom Hersteller für den Anwendungszweck geprüft und freigegeben sein.

Die Bettung der großformatigen Platten im Kleberbett richtet sich nach dem Lastfall, sollte jedoch möglichst vollflächig erfolgen. Unter Lastfall versteht man die mechanische Belastung der keramischen Platten im Wohnungs-, Nichtwohnungs-, Gewerbeund Industriebau. Um einen dauerhaften Belag aus keramischen Großformaten nutzungsgerecht zu erstellen, sollte bereits in der Planungsphase die zu erwartende Belastung in Einklang mit dem keramischen Belagsmaterial, den Verlegewerkstoffen und der Verlegeart gebracht werden. Die Bruchkraft (F) muss der zu erwartenden Beanspruchung entsprechen. Daher ist bei der Verlegung im Dünnbettverfahren die Verlegetechnik dem späteren Lastfall anzupassen.

Eine Mindestdicke der keramischen großformatigen Fliesen und Platten von 8 mm sollte nicht unterschritten werden. Fugen sollten mindestens 3 mm breit sein. Bewegungsfugen und Feldbegrenzungsfugen sind gemäß ZDB-Merkblatt Bewegungsfugen [8] anzuordnen.

Literatur

[1] DIN 18157-1:1979-07 Ausführung keramischer Bekleidungen im Dünnbettverfahren; Hydraulisch erhärtende Dünnbettmörtel
[2] E DIN 18157-1:2016-01 Ausführung von Bekleidungen und Belägen im Dünnbettverfahren – Teil 1: Zementhaltige Mörtel
[3] Fachverband Fliesen und Naturstein im Zentralverband Deutsches Baugewerbe e. V. (ZDB): Merkblatt Höhendifferenzen in keramischen, Betonwerkstein- und Naturwerksteinbekleidungen und Belägen (2005)
[4] DIN EN 14411:2012-12 Keramische Fliesen und Platten – Definitionen, Klassifizierung, Eigenschaften, Konformitätsbewertung und Kennzeichnung
[5] DIN 18202:2013-04 Toleranzen im Hochbau – Bauwerke
[6] DIN 18560-1:2015-11 Estriche im Bauwesen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen, Prüfung und Ausführung
[7] DIN EN 12004:2014-02 Mörtel und Klebstoffe für Fliesen und Platten – Anforderungen, Konformitätsbewertung, Klassifizierung und Bezeichnung
[8] Fachverband Fliesen und Naturstein im Zentralverband Deutsches Baugewerbe e. V. (ZDB): Bewegungsfugen in Bekleidungen und Belägen aus Fliesen und Platten (1995)
Fachverband Fliesen und Naturstein im Zentralverband Deutsches Baugewerbe e. V. (ZDB): Handbuch für das Fliesengewerbe Technik, Rudolf Müller, Köln, 8. Aufl. 2012
Bundesverband Estrich und Belag e.V.: BEB-Hinweisblatt 8.5 – Verlegung großformatiger Fliesen und Platten auf CS-Estrichen (2011)
Bundesverband Estrich und Belag e.V.: BEB Hinweisblatt 8.6 – Verlegung großformatiger Fliesen und Platten auf Zementestrichen (2014)
Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, Bundesverband Estrich und Belag e. V.: Handbuch für das Estrichund Belaggewerbe – Technik., Rudolf Müller, Köln, 4. Aufl. 2011

Der Autor

Bernd Jolly
ö.b.u.v. Sachverständiger im Fliesenlegerhandwerk und Estrichlegerhandwerk über die HWK Saarland seit 1998
Fliesenlegermeister, Estrichlegermeister und Betriebswirt d. H.
Vorsitzender des Gesellenprüfungsausschusses im Fliesenlegerhandwerk des Saarlands
Mitglied im Meisterprüfungsausschuss des Saarlands
Dozent der Meisterschule HWK des Saarlands
Stellvertretender Vorsitzender der Landesfachgruppe im Fliesenlegerhandwerk des Saarlands

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