Zur Sanierung

Ohne Wasser gegen Brandverschmutzungen

Das CO₂-Verfahren als Reinigungsverfahren

Text: Andreas B. Eberstein | Foto (Header): © Cronel Putan – stock.adobe.com

Nach einem Brand ist die Entscheidung zum richtigen Reinigungsverfahren essenziell. Oft entstehen Brandverschmutzungen auf wassersensiblen Oberflächen oder es verbleibt eine große Menge an Chlorwasserstoffgas, die durch herkömmliche Wasserreinigunsverfahren Salzsäure freisetzt. Hier lohnt es sich, das CO₂-Verfahren als Reinigungsverfahren in Betracht zu ziehen. Worauf bei diesem Verfahren zu achten ist, welche Arbeitssicherheitsmaßnahmen zu treffen sind und wann sich das lohnt, verrät dieser Artikel.

Auszug aus:

der bauschaden
Ausgabe Februar / März 2023
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Das Trockeneis-Strahlverfahren oder kürzer CO₂-Verfahren genannt, hat sich aus vielerlei Hinsicht als ein geeignetes Verfahren zur Beseitigung von Brandschäden etabliert. Hierbei wird CO₂ auf die verschmutzte Oberfläche punktuell und stark abgekühlt aufgebracht. Die entstandene thermische Spannung löst dann Verunreinigungen vom Untergrund. Das wichtigste Merkmal ist sicherlich, dass kein Wasser eingesetzt werden muss. Im Zuge der Reinigung verdampfen die eingesetzten CO₂-Pellets, und es bleiben lediglich die abgestrahlten Verunreinigungen zurück. Bei Bränden entstehen Brandfolgeprodukte. Das sind zum einen Stoffe, die durch den Brand gebildet werden und ggf. zusätzlich mit Löschmitteln reagieren, z. B.:

• Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) als Produkt unvollständiger Verbrennung
• Polychlorierte Biphenyle (PCB) als Verdampfung aus Farben und Fugen
• Dioxine und Furane als Produkt unvollständiger Verbrennung chlor- oder fluorhaltiger Stoffe, z. B. PVC
• Chlorwasserstoff (HCl)

Zum anderen sind das Stoffe, die bereits vor dem Brand vorhanden waren und durch diesen freigesetzt werden, z. B.:

• Asbest
• alte Mineralwolle

Immer besteht bei Bränden neben anderen Brandfolgeprodukten auch die Möglichkeit der Entstehung von Chlorwasserstoffgas (HCl). Dieses bildet durch Dissoziation in Wasser Salzsäure. Bei hohen HCl-Konzentrationen sind wasserbasierte Reinigungsverfahren daher ungünstig. Hier bietet das CO₂-Verfahren eine gute Alternative. Grundsätzlich erfolgt eine Einteilung der Brandschäden bezüglich ihrer Gefährlichkeit nach der VdS 2357 in vier Gefahrenbereiche, GB 0 bis GB 3 (Bild 3). Im Folgenden wird nur von den Gefahrenbereiche GB 1 bis GB 3 ausgegangen, da der Einsatz des CO₂-Verfahrens in GB 0 nicht sinnvoll ist.

 

Planung Arbeitsschutz

Vom Grunde her ergeben sich die Arbeitsschutzmaßnahmen aus den vorliegenden Kontaminationen und den gewählten Reinigungsverfahren.

Voraussetzung für jegliche Tätigkeit an der kalten Brandstelle sind in der Reihenfolge:

1. Erstbegehung zur Schadensbeurteilung
2. Einteilung in Gefährdungsbereiche
3. Gefahrenanalyse der Stoffe
4. Festlegung der Arbeitsverfahren
5. Schutzmaßnahmen
6. Erstellung des A&S-Plans

Das wesentliche Instrument zur Darstellung der Situation und der Gefahrstoffsituation sowie die Vorgaben für die durchzuführenden Tätigkeiten und Arbeitsverfahren ist der Arbeits- und Sicherheitsplan nach TRGS 524, A&S-Plan. Neben der Darstellung der Gefährdungen werden in ihm auch die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen festgelegt. Nach § 15 der Gefahrstoffverordnung in Kombination mit der TRGS 524 liegt die Pflicht zur Erstellung des A&S-Plans beim Auftraggeber (Bauherrn), in Brandfällen i. d. R. beim Versicherungsnehmer.

Die TRGS 524 Nr. 6 führt dies deutlich aus:

„(1) Die Ergebnisse der zur Gefährdungsbeurteilung notwendigen Ermittlungen, Bewertungen und Festlegungen sind vom Auftraggeber in einem Arbeits- und Sicherheitsplan festzuhalten.

(2) Der Arbeits- und Sicherheitsplan dient dem Auftraggeber zur Dokumentation,

1. auf welcher Grundlage die Entscheidungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung getroffen wurden,
2. zum Nachweis, in welcher Form die in § 15 GefStoffV geforderte Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und dem ausführenden Unternehmen erfolgte und
3. zur Planung gefährdungsbezogener Schutzmaßnahmen.“

Ein wichtiger Punkt in der sicherheitstechnischen Bewertung ist die Korrelation von Schadstoffen zu Arbeitsverfahren, da bei der Reinigung Schadstoffexpositionen im Wesentlichen durch die Bearbeitung erfolgen (Bild 3).

Für die Erstellung des A&S-Plans gibt es in der VdS 2367 Anhang 6 Vorgaben. Weiterhin befindet sich im Anhang 6 unter der Ziffer 4 eine für Brandschäden adaptierte Gliederung des A&S-Plans.

Parallel erfolgt die Bewertung der möglichen Abfälle und ein darauf basierendes Entsorgungskonzept.

 

Arbeitsschutzmaßnahmen Stoffe

Die Arbeitsschutzmaßnahmen sind den Schadstoffen an der kalten Brandstelle anzupassen.

Entscheidend für Art und Menge der Verbrennungs- bzw. Pyrolyseprodukte sind die stoffliche Zusammensetzung des Brandguts und der Brandablauf. Im Groben kann zwischen Bränden mit hohen Verunreinigungen (vornehmlich Schwelbrand) und geringeren Verunreinigung, dadurch aber Bildung von Chlorwasserstoffgas (vornehmlich Vollbrand) unterschieden werden. Diese Brände werden in die Gefahrenbereiche 1 und 2 einsortiert.

Auf Grundlage der VdS 2357 Nr. 5.5 (GB 1) und Nr. 5.6 (GB 2) erfolgt die Festlegung der gefahrstoffspezifischen Schutzmaßnahmen.

Bei GB 1 sind dies im Wesentlichen:

• Einsatz von Fachfirmen
• Einsatz geeigneten Personals
• arbeitsmedizinische Vorsorge
• Einsatz geeigneter Verfahren
• fachkundige Begleitung (Fachkunde nach TRGS 524)
• Schwarz/Weiß-Trennung
• ggf. Abschottung des Sanierungsbereichs vom nicht betroffenen Bereich
• Zutrittsverbote für Unbefugte.

Bei GB 2 sind zusätzlich zu den Maßnahmen nach GB 1 notwendig:

• Brandschaden-Sanierungsfirmen
• Einsatz staubarmer Geräte
• Schwarz/Weiß-Einrichtungen mit Dekontaminations- und Stiefelwaschanlage
• Ausstattung von Baumaschinen mit Anlagen zur Atemluftversorgung.

Es können aber auch nicht brandspezifische Schadstoffe oder Gefahrstoffe vorliegen. Diese Brandschäden werden in die GB 3 eingestuft. Hier sind die für diese Schadstoffe geltenden Schutzmaßnahmen zusätzlich zu ergreifen. Häufig vorkommende Stoffe sind hierbei Asbest und alte Mineralwolle. Entsprechend sind dann die Schutzmaßnahmen nach TRGS 519 (Asbest) bzw. TRGS 521 (Alte Mineralwolle) vorrangig anzuwenden.

 

CO₂-Geräte

Es gibt verschiedene CO₂-Strahlgeräte auf dem Markt. Der Hauptunterschied ist dabei, ob das Gerät die für die Strahlarbeiten notwendigen Kohlendioxidpellets selbst generiert oder ob die Pellets extern beschafft und in das Gerät eingefüllt werden müssen. Ein weiteres Kriterium ist die Steuerung der Geräte. Hier gibt es Aggregate, bei denen der Volumenstrom und die Stärke des Strahls variiert werden können, bei anderen nicht.

Grundsätzlich sind die CO₂-Strahlgeräte geeignet, starke Verschmutzungen selbst von empfindlicheren Oberflächen, sowohl in GB 1 wie auch in GB 2, abzureinigen. Beim Einsatz von CO₂-Strahlgeräte müssen keine die Abfallmenge steigernden Mittel, wie z. B. Wasser oder Detergenzien, eingesetzt werden. Nach der Reinigung verbleibt als Rest lediglich die Verunreinigung zurück, da das Kohlendioxid sublimiert und dadurch verschwindet.

Trotzdem ändert sich an der Gefährdungssituation durch die Gefahrstoffe nichts, das heißt, es müssen dieselben Sicherheitsmaßnahmen wie bei allen Verfahren eingehalten werden. Bei GB 3 Schäden mit Asbest oder alter Mineralwolle sollten CO₂-Verfahren lediglich zur Reinigung von durch Brandrauch verunreinigten Flächen eingesetzt werden und nicht in Bereichen, in denen es zu Mobilisierungen von Asbest bzw. Mineralwollefasern kommen kann. In diesen Fällen ist zwingend auf den Einsatz zu verzichten.

 

Persönliche Schutzausrüstung

Die Auswahl der persönlichen Schutzausrüstung erfolgt nach den gewählten Reinigungsverfahren und dem Gefahrenbereich. Hierzu findet sich in der VdS 2357 in der Anlage 7 eine Matrix für die zu wählende persönliche Schutzausrüstung. In der Tabelle (Bild 4 „Auswahlliste PSA) ist bereits auch das CO₂-Verfahren mit aufgenommen. Für dieses ist vorgesehen:

GB 1

• Schutzkleidung Kat. III Typ 5–6
• mind. Halbmaske P3
• Schutzhandschuhe Kat. II
• Fußschutz S3

GB 2

• Schutzkleidung Kat. III Typ 5–6
• Vollmaske P3
• Schutzhandschuhe Kat. III
• Fußschutz S3

 

Sicherheitsmaßnahmen Strahlen

Bei den CO₂-Strahlarbeiten ist sicherheitstechnisch vom Grundsatz her wie bei anderen Strahlarbeiten vorzugehen. Das bedeutet, dass Maßnahmen gegen die schädliche Wirkung des Strahlguts vorzusehen sind. Technische Schutzmaßnahmen belaufen sich auf:

• Sicherheitsvorrichtungen gegen unbeabsichtigtes Auslösen des Strahlvorgangs
• Totmannschaltungen zur sicheren Notabschaltung des Geräts beim Loslassen des Griffs
• Kohlendioxid-Warner: Zum Detektieren der CO₂-Konzentration in der Atemluft sollte das Strahlpersonal einen persönlichen CO₂-Detektor tragen.

Und die persönliche Schutzausrüstung umfasst:

• Gehörschutz, denn es kann ein Geräuschpegel von deutlich über 85 dB(A) erreicht werden.
• Handschuhe – auch mit Schutz vor Erfrierungen durch Trockeneispellets
• Schutzbrille, um die Augen vor herumfliegenden Teilchen zu schützen
• Atemschutz, der entsprechend der Staubentwicklung zu wählen ist
• Schutzkleidung

Insbesondere bei den Merkmalen Atemschutz, Gehörschutz und Schutzbrille empfiehlt sich der Einsatz von gebläseunterstützten Vollmasken (TM3P) oder Atemschutzhelmen (TH3P) mit integriertem Gehörschutz. Am Arbeitsplatz sollte zusätzlich das Folgende sichergestellt werden:

• Be- und Entlüftung des Arbeitsraumes, ggf. aktiv durch Einsatz von Lüftern
• Da CO₂ schwerer als Luft ist, sollte für entsprechende Lüftung im Bodenbereich gesorgt werden.
• Schächte und Kanäle sind gegen das Eindringen des Gases zu schützen.
• CO₂-Detektoren einsetzen, da sicherzustellen ist, dass Konzentrationen des Gases in der Umgebungsluft ausreichend unterhalb des Arbeitsplatzgrenzwertes liegen

Der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) beträgt nach TRGS 900:

• 5.000 ml/m³ (ppm)
• 9.100 mg/m³
• Spitzenbegrenzung: Überschreitungsfaktor 2, Dauer 15 min, Mittelwert; 4-mal pro Schicht; Abstand 1 h.

Nach TRGS 524 Nr. 5.2 Abs. 1 Pkt. 3 sollte der CO₂-Gehalt unter 500 ppm (910 mg/m³) liegen.

 

Fazit

Insgesamt kann das CO₂-Verfahren als Reinigungsverfahren für Brandverschmutzungen als sehr geeignet angesehen werden. Dies gilt besonders bei wassersensiblen Oberflächen und beim Vorhandensein großer Mengen Chlorwasserstoffgas (HCl). Bei wasserbasierten Reinigungsverfahren dissoziiert das HCl ansonsten zu Salzsäure. Beim Einsatz ist jedoch auf die zusätzlichen Gefährdungen der Beschäftigten durch den Lärm, das Strahlmittel mit seinen Einwirkungen und die Kohlendioxidbelastung der Luft zu achten, und zusätzliche Arbeitssicherheitsmaßnahmen sind anzuwenden. Der Nachteil der CO₂-Verfahren liegt in den hohen Kosten und der abrasiven Wirkung des Verfahrens. Ebenfalls ergeben sich zusätzliche Auflagen für die Umsetzung des Arbeitsschutzes.

Literatur

„Richtlinien zur Brandschadensanierung“, Publikation zur Sach-Schadensanierung VdS 2357, 2014–06.

„Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen“, Technische Regeln für Gefahrstoffe – TRGS 524, Ausgabe: Februar 2010, zuletzt geändert und ergänzt: GMBl. 2011 S. 1018–1019 [Nr. 49–51].

Zur Person

Andreas B. Eberstein
Andreas B. Eberstein ist Inhaber des Ingenieurbüros safety&more mit Hauptsitz in Norderstedt bei Hamburg. Dieses kümmert sich um Arbeitssicherheit am Bau mit den Schwerpunkten Schadstoffe und Sicherheitsplanung am Bau. Weiterhin ist er Mitinhaber des Seminarveranstalters Koberstein Seminare GbR. Schwerpunkt sind hier Sach- und Fachkundelehrgänge für Schadstoffe, Holzschutz und Arbeitsschutz. Er arbeitet für verschiedene Lehrgangsträger als Dozent.

Kontakt
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