Zur Sanierung

Trocken gelegt

Die ersten Schritte zur Instandsetzung nach einem Hochwasser

Text: Sabine Bormann | Foto (Header): © Gina Sanders – Fotolia.com

Erst im vergangenen Jahr wurde Bayern erneut schwer getroffen: Hochwasser, hervorgerufen durch langanhaltende Niederschläge im Juni. Insbesondere die Gebiete in Niederbayern und hier vor allem die Region um Simbach am Inn waren massiv betroffen. Je öfter sich solche außergewöhnlichen Naturereignisse und ihre enormen Folgen zutragen, desto mehr gewinnt das Thema Hochwasserschadenbeseitigung an Brisanz.

Auszug aus:

der bauschaden
Ausgabe Juni / Juli 2017
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Bereits die Vernässung von Gebäuden infolge von Leitungswasserschäden und ungewollte, hohe Baufeuchte führen nicht selten zu schweren Bauschäden. Im Vergleich hierzu sind die Feuchtewerte bedingt durch Hochwasser nochmals um ein Vielfaches höher. Sowohl die Festigkeit als auch die Dauerhaftigkeit der Baustoffe wird durch die hohe Feuchte nachhaltig beeinträchtigt.

Die durch Hochwasser entstandenen Schäden können in zwei Kategorien eingeteilt werden:

Direkte Schäden: Von direkten Schäden muss immer dann gesprochen werden, wenn die sichtbaren Folgen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einwirkung des Wassers und den mitgeführten Stoffen stehen. Hierzu zählen alle Schäden, die durch die Vernässung und durch Schmutzeinlagerungen entstehen. Hierunter fallen somit auch Folgeschäden, die sich durch kontaminiertes Wasser, beispielsweise mit Heizöl oder Fäkalien, ergeben.

Indirekte Schäden: Indirekte Schäden werden zwar ebenfalls durch das Hochwasser ausgelöst, stehen aber in einem anderen räumlichen oder zeitlichen Zusammenhang zu dem eigentlichen Naturereignis. Gemeint sind hier z. B. durch Betriebsunterbrechungen oder Ernteausfälle entstandene Schäden.

In diesen genannten Kategorien folgt gemäß Literatur noch eine Aufteilung in tangible, sprich monetär bewertbare, und solche Schäden, die nicht in finanziellen Werten wiedergeben werden – die so genannten intangiblen Schäden.

Erste Schritte nach einer Überflutung

Bei Hochwasserschäden empfiehlt sich die Einhaltung eines festgelegten Sanierungsablaufs. Auf diese Weise werden alle relevanten Schritte trotz der gebotenen Eile berücksichtigt.

Wenn es infolge eines Hochwassers zu einem Schaden am Gebäude kommt, gilt es zunächst, das im Gebäude stehende Wasser über Pumpeneinsatz zu entfernen. Dabei sollte aber unbedingt der Rückgang des Oberflächen- und Grundwasserspiegels berücksichtigt werden. Für den Fall, dass das stehende Wasser im Gebäude unter die Grenze des anstehenden Oberflächenwassers fällt, riskiert man aufgrund des Wasserdrucks von außen erhebliche Fundamentschäden und eine Überbeanspruchung der aufgehenden Wände. Nicht selten hält eine solche Überschwemmung für Stunden oder Tage an.

Sollten sich nach Abpumpen des freien Wassers Risse oder Verformungen an tragenden oder auch nicht tragenden Bauteilen zeigen, sollte im nächsten Schritt zwingend eine Begutachtung durch einen Statiker erfolgen. Solche erheblichen Bauschäden zeigen sich beispielsweise auch durch verklemmende Türen. In diesem Fall folgt durch die Unterspülung im Laufe des Hochwassers eine Hohlraumbildung, die wiederum zu einer Setzung des Gebäudes führt.

Im nächsten Schritt werden die nassen Einrichtungsgegenstände entfernt, insbesondere vernässte Möbel und Bodenbeläge wie beispielsweise Teppiche. Soll keine Entsorgung der Möbel erfolgen, müssen diese zumindest von den Wänden weggerückt und gegebenenfalls auf Latten gelagert werden. Das ist erforderlich, um auch an unzugänglichen Stellen für ausreichende Luftzirkulation zu sorgen. Hereingespülter Schlamm und Treibgut sind ebenfalls zu entsorgen.

Bei Fertigteilhäusern in Holzbauweise sollte nach einem Hochwasserschaden stets der Rat des Herstellers eingeholt werden. Um Schimmelpilzen, Fäulnis und Pilzbefall vorzubeugen, sollte in jedem Fall die Holzkonstruktion zur besseren Abtrocknung geöffnet werden. Kontrollierende Feuchtemessungen werden mittels Holzfeuchtemessgerät durchgeführt.

Trocknung nach Hochwasser

Während die bereits genannten ersten Schritte durchaus als Sofortmaßnahmen in Eigenleistung durchgeführt werden können, ist spätestens in Sachen Trocknung die Einschaltung eines Fachbetriebs erforderlich. Das gilt insbesondere, wenn Estrichdämmschichten, Holzbalkendecken oder Hohlräume im Gebäude betroffen sind. Findet nach dem Hochwasserschaden lediglich eine oberflächliche Trocknung statt, werden schwerwiegende Folgeschäden in Kauf genommen:

• Mineralische Dämmstoffe können sich nach entsprechender Feuchteeinwirkung zersetzen. Als Folge gehen die Wärmedämm- und Schalldämmfunktion verloren.
• Es kommt zur Schimmelpilzbildung, möglicherweise auch einhergehend mit Modergeruch und Bakterienbildung.
• Aufgrund der aufsteigenden Feuchtigkeit ziehen Natursteinböden wie beispielsweise Marmor verschiedene Säuren und Kalksubstanzen aus dem Estrich, was zu Ausblühungen und Verfärbungen führt.

Desinfektionsmaßnahmen

Vernässte und mit Schlamm belastete Fußböden, Wände und Decken bieten einen idealen Nährboden für Bakterien und Schimmelpilze. Im Hochwasser sind eine Vielzahl von Mikroben enthalten. Diese Keime bleiben nach Rückgang des Wassers als Belag des Gebäudes vorhanden. Vor Beginn der eigentlichen Trocknungsmaßnahme sollten daher Wände, Decken und der Bodenaufbau desinfizierend gereinigt werden.

Eine Desinfektion der schwimmenden Bodenaufbauten kann mit einem Desinfektionsschaum erfolgen. Der Desinfektionsschaum wird über ca. 18 mm große Bohrungen mit einem Druck von 6,0 bar in den Bodenaufbau eingepresst. Die Verteilung des Desinfektionsschaums wird optisch kontrolliert. Wenn an den Rändern des Bodenaufbaus und an den Trocknungsbohrungen der Schaum sichtbar ankommt, kann von einer flächigen Verteilung des Schaums ausgegangen werden. Ein weiterer Nachweis erfolgt über pH-Teststreifen. Durch die Anwendung eines Desinfektionsschaums statt einer Lösung wird eine weitere zusätzliche Vernässung auf ein Minimum beschränkt.

Die Gebäudeoberflächen wie Decken und Wände werden mit einem desinfizierenden Reiniger behandelt. Zusätzlich kann es bei sichtbarem Schimmelpilzbefall sinnvoll sein, Luftreiniger aufzustellen. Über diese speziellen Reinigungsgeräte werden über ein Hepa-System Schimmelpilzsporen aus der Raumluft gefiltert. So wird nicht nur eine Gesundheitsgefährdung vermieden, sondern auch eine weitere Ausbreitung des Schimmelpilzbefalls unterbunden.

Grundsätzlich gilt, dass vor der Schimmelpilzdesinfektion stets eine Feinreinigung erfolgen sollte. Nur so kann sichergestellt werden, dass neben der Feuchtigkeit auch alle Ursachen für die Schimmelpilzbildung beseitigt wurden.

Trocknung des Bodenaufbaus

Eine Trocknung der Estrichdämmschicht bei gleichzeitigem Erhalt des Estrichs selbst sowie des Oberbelags, sofern diese nicht bereits durch das Hochwasser beschädigt wurden, ist möglich. Über eine Bohrung in den Estrich mit einem Durchmesser von etwa 5 cm wird ein Vakuumsystem angesetzt. Dabei ist eine Bohrung für rund 10 – 15 m2 ausreichend. Über Schläuche, die an die Bohrungen angesetzt werden, wird im Unterdruckverfahren die feuchte Luft aus der Dämmschicht abgesaugt. Die feuchte Luft wird nun wahlweise speziellen Fässern zugeführt oder in die Raumluft abgegeben, wo sie wiederum von Kondensattrocknern aufgefangen wird. Über die Randfugen an den Wänden strömt wiederum trockene Raumluft in den Bodenaufbau ein. Es entsteht ein Trocknungskreislauf.

Ein großer Vorteil der Trocknung im Unterdruckverfahren ist, dass hier die angesaugte Luft über ein Hepa-Filtersystem geleitet wird. So wird eine Belastung der Raumluft mit Schimmelpilzsporen und anderen Feinpartikeln wie z. B. Mikrofasern vermieden.

Wenn der vorhandene Bodenbelag nicht über Bohrungen beschädigt werden soll, gibt es weitere, weitgehend zerstörungsfreie Trocknungsvarianten. Hierzu zählt neben dem Unterflurverfahren, bei dem die Trocknung aus dem Stockwerk darunter stattfindet, auch das Randfugensystem. Wie der Name bereits verdeutlicht, findet die Trocknung hier über die Randleisten statt.

Zudem besteht bei einem Oberbelag aus Fliesen die Möglichkeit, einzelne Fliesen über ein spezielles Verfahren mittels Diamantfugenschneider zerstörungsfrei herauszulösen.

Trocknung der Wände

Die Trocknung von Wänden und Decken erfolgt unter Einsatz von Kondensattrocknern und Infrarotheizplatten. Bei Kondensattrocknern wird feuchte Raumluft aufgenommen und das abgeschiedene Wasser in einem Auffangbehälter gesammelt. Vernässte Bauteile können somit vermehrt Feuchtigkeit an die Raumluft abgeben. Über Wärme- beziehungsweise Infrarotheizplatten erfolgt eine gezielte Austrocknung stark vernässter Bauabschnitte. Dies empfiehlt sich insbesondere bei sehr dicken Wandquerschnitten, wie beispielsweise bei älteren Gebäuden.

Zur effektiven und beschleunigten Austrocknung ist eine zusätzliche Luftzirkulation über Ventilatoren unerlässlich. In der Bausubstanz enthaltenes Wasser kondensiert an der Bauteiloberfläche und geht von hier aus in die Raumluft über. Je zügiger sich die Luft an den Wandoberflächen vorbei bewegt, desto effizienter wird Feuchtigkeit in die Raumluft abgegeben, wo sie anschließend von Kondensattrocknern aufgenommen werden kann.

Idealerweise erfolgt der Einsatz von Ventilatoren an Raumecken, um eine gute Querlüftung zu ermöglichen.

Feuchtemessungen

Während der laufenden Trocknungsmaßnahme und nach Abbau der Geräte sollten Feuchtemessungen durchgeführt werden, um auch an nicht sichtbaren Stellen ein vollständiges Abtrocknen gewährleisten zu können.

Zur Feuchtemessung stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Ein Feuchtemessverfahren mittels Neutronensonde basiert beispielsweise auf der Reflexion, Streuung und Umwandlung schneller Neutronen in so genannte thermische Neutronen durch Stöße an Wasserstoffatomen. Das Messverfahren besitzt eine zerstörungsfreie Eindringtiefe von ca. 300 mm durch alle Baustoffe hindurch. Die Messung ist frei von elektrischen Einflussparametern und unterscheidet sich damit grundsätzlich von herkömmlichen, einfachen, elektrischen Messverfahren. Da es sich um ein so genanntes komplexes Messverfahren handelt, bedarf es zur Auswertung der Messergebnisse infolge des beschriebenen Wirkprinzips der Kenntnis der Zusammensetzung der zu untersuchenden Konstruktion sowie der jeweiligen Anwendungsweise des Messverfahrens. Mittels der dokumentierten Feuchtigkeitswerte lässt sich so der Trocknungsfortschritt über die Zeit hinweg nachvollziehen.

Beheizen des Gebäudes

Die vorhandene Raumtemperatur hat einen großen Einfluss auf die Austrocknung der Bausubstanz. Raumluft mit einer Temperatur von 20 °C kann nahezu das Doppelte an Feuchtigkeit aufnehmen, als im Vergleich eine Luft mit einer Temperatur von 10 °C. Dies ist entscheidend, da letztendlich zunächst die Raumluft die Feuchtigkeit aus den Gebäudeoberflächen aufnehmen muss, um sie dann über Kondensattrockner sammeln zu können. Die ideale Temperatur für eine Trocknungsmaßnahme liegt bei 15 – 25 °C. Sinken demnach die Temperaturen unter 15 °C empfiehlt sich der Einsatz zusätzlicher Heizgeräte. Dabei reicht das Spektrum von Elektroheizgeräten zur Temperierung einzelner Räume bis hin zu ölbetriebenen Warmluftgebläsen zur Beheizung ganzer Gebäude.

Sanierung nach Ölschaden

Im Laufe des Hochwassers passiert es nicht selten, dass Öltanks durch Auftrieb im Wasser umkippen oder Leitungen abreißen. Möglicherweise treten hierdurch hunderte Liter Öl aus. Im Fall größerer Ölmengen sollte sofort die Feuerwehr informiert wird. Bereits beim Abpumpen des Wassers werden durch die Feuerwehr Ölbestandteile und Wasser getrennt und separat aufgefangen.

Ist es infolge des Hochwassers zu einem Ölaustritt in geringerem Umfang gekommen, empfiehlt es sich zunächst, den Wasserspiegel nicht vollständig abzusenken, sofern beispielsweise der Keller noch unter Wasser steht. So wird vermieden, dass Heizöl in die Estrichdämmung gelangt und diese durch Zersetzung zerstört. Grundsätzlich ist die Sanierung eines Ölschadens nach Hochwasser nur dann sinnvoll, wenn das Öl nicht tiefer als einen halben Zentimeter in das Mauerwerk eingedrungen ist. In diesem Fall ist es ausreichend, den kontaminierten Putz abzuschlagen und die betroffenen Wandabschnitte mit einem tensidhaltigen Reiniger zu behandeln. Das anfallende Reinigungswasser muss gesondert aufgefangen und entsorgt werden. Bei tiefergehenden Schäden besteht neben dem Abriss lediglich die Möglichkeit, das eingedrungene Öl durch eine Versiegelung mit z. B. einer Epoxidharzbeschichtung im Mauerwerk einzuschließen. Dies ist jedoch keine empfohlene Vorgehensweise. Es ist zu beachten, dass Öl im Gegensatz zu Wasser nicht abtrocknet, sondern im Mauerwerk verbleibt und dort eine schädliche Wirkung bis hin zur Zersetzung von Baustoffen entfaltet. Mit Öl kontaminierter Hausrat, Bodenbeläge und Verkleidungen müssen entsorgt werden.

Geruchsneutralisation

Als Folge des Hochwassers kommt es häufig zu einer Geruchsbildung vor allem im Zuge von Zersetzungsprozessen. Eine Neutralisierung dieser Modergerüche ist durch Oxidation möglich. Vorwiegend wird hierfür ein Ozongerät eingesetzt. Über den in der Raumluft enthaltenen Sauerstoff erzeugen diese Spezialgeräte durch Zufuhr elektrischer Energie Ozon. Das Verfahren entkeimt und zerstört die Strukturen komplexer Geruchsmoleküle und das ohne Einbringen zusätzlicher Chemikalien in den Prozess.

Ausblick

Bei der zunehmenden Anzahl an Hochwasserschäden gewinnt nicht nur der Hochwasserschutz immer mehr an Bedeutung. Auch den verschiedenen Sanierungsmöglichkeiten wird eine höhere Relevanz beigemessen. Insbesondere im Bereich der Ölschadensanierung wird erwartet, dass neue bauchemische Produkte und Verfahren für eine fachgerechte und nachhaltige Hochwasserschadenbeseitigung entwickelt werden.

Literatur

Bayerisches Landesamt für Umwelt: Junihochwasser 2013 – Wasserwirtschaftlicher Bericht, 2013

Deutsche Bauchemie e. V.: Gebäudesanierung nach Hochwasser 2013 – Kompetenzfeld für die Bauchemie, Pressemitteilung zu Bauchemie-Fachtagen zur Sanierung von Hochwasserschäden, Passau, 2013

Gail, G.: Verhalten von Leicht- und Massivbauweisen unter der Einwirkung von Hochwasser, Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2003.

Niekamp, O.: Hochwasser-Handbuch: Auswirkungen und Schutz, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg, 2001, S. 441 ff.

Smith K.; Ward R.: Floods: Physical Processes and Human Impacts, John Wiley & Sons Inc., 1998.

Stein, C.; Malitz, G.: Das Hochwasser an Elbe und Donau im Juni 2013 – Weiterentwicklung und Warnmanagement des DWD (Hydrometeorologische Rahmenbedingungen), Berichte des Deutschen Wetterdienstes, Selbstverlag des deutschen Wetterdienstes, Offenbach am Main, 2013.

Thieken, A.: Hochwasserschutz in Deutschland – Neue Modelle zur Abschätzung von Hochwasserschäden, Ökologisches Wirtschaften, 03.2008.

Zur Person

Dipl.-Sozw. (univ.) Sabine Bormann
Studium der Sozialwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, seit September 2011 Mitarbeiterin in der Projektleitung technischer Innendienst und Presse-/Medienarbeit beim Ingenieurbüro Tobias Ritzer GmbH

Kontakt
Ingenieurbüro Tobias Ritzer GmbH
Lindenbachstr. 29, 91126 Schwabach
Internet: www.wasserschaden-leckortung.de

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