Im Detail

Unerwünscht verfärbt

Kalkausblühungen und Netzmittel- bzw. Additivauswaschungen auf stark farbigen Fassadenbeschichtungen

Text: Walter Felder | Foto (Header): © Walter Felder

TEASER

Auszug aus:

der bauschaden
Ausgabe April / Mai 2019
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In den letzten Jahren war in Deutschland eine deutliche Tendenz zu immer milderen, wenngleich dafür feuchteren Wintern zu erkennen. Die Jahreszeiten sind praktisch in Bewegung geraten. So beginnt der Frühling früher und endet der Herbst immer später, was eine Verkürzung des Winters zur Folge hat. Durch die Verschmelzung und Verschiebung der Jahreszeiten arbeiten zahlreiche Handwerke auch in den Wintermonaten im Außenbereich weitgehend durch. Wenn nunmehr in der vermeintlichen „Saure-Gurken-Zeit“ Fassaden verputzt und gestrichen werden, hat dies zwangsläufig Einfluss auf das Trocknungs- und Abbindeverhalten der eingesetzten Putze und Beschichtungen. Werden diese gegenüber der Nichtheizperiode veränderten Parameter nicht ausreichend berücksichtigt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von unerwünschten Begleiterscheinungen. Vor diesem Hintergrund werden nachfolgend zwei reklamationsauslösende Konstellationen beleuchtet, welche verstärkt innerhalb der Heizperiode in Erscheinung treten.

Kalkausblühungen

Wenn sich kurze Zeit nach der Fertigstellung einer verputzten und gestrichenen monolithischen Fassade oder eines Wärmedämmverbundsystems störende weißgraue Kalkausblühungen abzeichnen, führen diese weder zur Erheiterung des Auftraggebers noch des Auftragnehmers.

Bei den Protagonisten dieses Erscheinungsbilds handelt es sich meist um mineralische Oberputze, welche mit einer stark farbigen Fassadenbeschichtung versehen wurden. Zwar treten die Kalkausblühungen auch bei hellen Beschichtungen auf, allerdings zeichnen sich hier die Ablagerungen nicht störend sichtbar ab. Die Anordnung der Kalkausblühungen in Form von Flecken und Verfärbungen verläuft größtenteils unregelmäßig und führt je nach Intensität zu einer mehr oder weniger starken Beeinträchtigung des optischen Erscheinungsbilds (Bilder 1 bis 3).

Das optische Erscheinungsbild einer Fassade muss entsprechend der Art des Beschichtungsstoffs und des angewendeten Beschichtungsverfahrens gleichmäßig ohne Ansätze und Streifen erscheinen. Beim berechtigten Wunsch des Auftraggebers nach einer einheitlichen und homogenen Oberfläche, z. B. in einem ausgewählten Anthrazitton, stellen störende Flecken und Verfärbungen eine optische Beeinträchtigung und somit einen Mangel in der Werkleistung dar.

Ungeachtet der Kalkausblühungsproblematik  ist bei solchen dunklen Farbtönen zu beachten, dass die Fassade aufgrund der zu erwartenden sehr hohen Aufheizung besonderen Belastungen ausgesetzt ist, die es im Vorfeld zu bedenken gilt. Aus diesem Grund ist dringend anzuraten, bei der Auswahl von Beschichtungen mit einem Hellbezugswert von ≤ 20 den Beschichtungsstoffhersteller „mit ins Boot zu nehmen“.

Die störenden Verfärbungen und Flecken resultieren aus Ausblühungen der mineralischen Bindemittel Kalk und Zement des Fassadenputzes. Der noch frische Fassadenputz enthält zunächst wasserlösliches Kalkhydrat (Calciumhydroxid), das nach dem Anmachen des Mörtels mit Wasser zunächst im Überfluss vorhanden ist. Wenn nun ein nicht ausreichend abgebundener kalkhaltiger Putz gestrichen wird, kann das noch wasserlösliche Calciumhydroxid mit dem „Transportmedium“ Wasser durch die Kapillaren an die Oberfläche transportiert werden. Dort tritt das Calciumhydroxid als weißgraue Verfärbung optisch in Erscheinung.

Häufig kommt es zu Kalkausblühungen, wenn sich, wie zuvor bereits angedeutet, durch hohe Luftfeuchten oder kalte Temperaturen die Trocknung und der Abbindeprozess des Putzes deutlich verzögern und dementsprechend eine Überarbeitung zu früh erfolgt. Die Faustregel für die Trocknungszeit von Putzen von ca. einem Tag pro 1 mm Auftragsstärke basiert auf der Annahme von stabilen, normorientierten Wetterverhältnissen mit einer Temperatur von 20 °C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 60 %. Auch wenn die Oberfläche des Putzes nach wenigen Tagen vermeintlich trocken aussieht, verlängern feuchte Wetterverhältnisse und tiefere Temperaturen die einzuhaltende Trocknungs- und Abbindezeit zum Teil erheblich. Das an der Putzoberfläche angelagerte Kalkhydrat carbonatisiert dort durch Aufnahme von CO2 aus der Luft zu wasserunlöslichem Kalkstein (Calciumcarbonat).

Kalkausblühungen können im Vergleich zu anderen, theoretisch denkbaren Ausblühungen dadurch identifiziert werden, dass sie zunächst alkalisch sind. Aufgrund von Kohlendioxid in der Luft und Feuchtigkeit nimmt die Alkalität während der Carbonatisierung allerdings zügig ab, weshalb durch Universalindikatorpapier die Alkalität nur bei noch relativ jungen Ausblühungen nachgewiesen werden kann (Bilder 5 und 6).

Darüber hinaus reagieren die Ausblühungen, da es sich hier am Ende um Kalkstein handelt, positiv auf einen Salzsäuretest. Das bedeutet, dass nach dem Aufträufeln von 2 bis 3 Tropfen Salzsäure ein deutliches Aufbrausen derselben zu erkennen ist (Bild 7).

Für die Beseitigung von großflächigen Kalkausblühungen ist es erforderlich, die Fassade noch einmal zu streichen. Ein Überstreichen der Fassade sollte jedoch erst dann erfolgen, wenn der Putz kein ausblühfähiges Calciumhydroxid mehr aufweist. Insofern sollte der Putz nach Möglichkeit über Wochen hinweg daraufhin beobachtet werden, ob sich das optische Erscheinungsbild noch ändert.

Bei der Beseitigung der Kalkausblühungen hat es sich in der Praxis bewährt, die betroffenen Oberflächen vor dem erneuten Streichen zunächst mechanisch zu reinigen, indem sie abgebürstet werden. Bei älteren weitgehend carbonatisierten und somit nahezu wasserunlöslichen Kalkausblühungen kann der Einsatz von klarem Wasser in Verbindung mit der abrasiven und scheuernden Wirkung einer „Wurzelbürste“ den Reinigungserfolg deutlich verbessern. Durch die sehr geringe Wasserlöslichkeit der carbonatisierten Kalkausblühungen ist bei der Reinigung mit Wasser ein erneutes Abwandern der Kalkbestandteile in den Untergrund nicht oder nur in sehr geringem Maße zu erwarten.

Nach der mechanischen Reinigung steht ein in der Regel intakter Beschichtungsuntergrund zur Verfügung, da durch die Ausblühungen die technischen Funktionen der Beschichtung nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wurden. Folglich kann die gereinigte Fassade unter Einhaltung einer entsprechenden Trocknungszeit erneut beschichtet werden.

Obwohl es sich um einen intakten, einheitlichen und kaum saugfähigen Beschichtungsuntergrund handelt, hat sich bei Kalkausblühungen ein zweifacher Beschichtungsauftrag bewährt. Ein Grundanstrich ist aufgrund der Homogenität und der geringen Saugfähigkeit des Untergrunds zwar nicht zwingend erforderlich, allerdings verringert er das Risiko von erneuten Verfärbungen.

Bei der Auswahl der Überholungsbeschichtung ist darauf zu achten, dass speziell bei Wärmedämm-Verbundsystemen die Beschichtung eine sehr gute Wasserdampfdiffusionsfähigkeit aufweist. In diesem Zusammenhang wurde im BFS-Merkblatt 21 in der Ausgabe vom Mai 2012 [1] die diffusionsäquivalente Luftschichtdicke für Überholungsbeschichtungen zur Vermeidung von feuchtigkeitsbedingten Schäden begrenzt. So soll die diffusionsäquivalente Luftschichtdicke von Überholungsbeschichtungen für Polystyrol-WDVS einen sd-Wert von ≤ 0,5 m und für Mineralwolle-WDVS einen sd-Wert von ≤ 0,25 m aufweisen. Insbesondere bei Beschichtungen, welche bei dunklen Farbtönen bevorzugt eingesetzt werden, wie z. B. Reinacrylatfarben, liegen die sd-Werte häufig über den im BFS-Merkblatt angegebenen Werten.

Da die im BFS-Merkblatt angegebenen sd-Werte wohl nicht als absolute Ultima Ratio anzusehen sind, wird nicht jede Überschreitung derselben zu einem Schaden am Bauwerk führen. Dennoch kann dies mit Blick auf eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik unter Umständen zu unliebsamen Diskussionen führen.

 

Netzmittel- bzw. Additivauswaschungen

Vornehmlich in den Übergangsjahreszeiten vom Herbst zum Winter und vom Winter zum Frühjahr sorgt immer mal wieder das Phänomen seltsam anmutender, glänzender, leicht milchiger und klebriger Ablaufspuren an Fassaden für Verwunderung und Entsetzen (Bilder 8 und 9). Diese Ablaufspuren können sich im Übrigen durchaus auch über Fenster und angrenzende Bauteile hinweg erstrecken. Ähnlich wie Kalkausblühungen geben diese Ablaufspuren meist Anlass zu Reklamationen.

Bei den sich abzeichnenden Ablaufspuren handelt es sich meist um eine Erscheinung, welche als Netzmittel-, Additiv- oder Emulgatorenauswaschung aus der Fassadenbeschichtung bezeichnet wird. Im Prinzip findet hierbei eine Art Auswaschprozess statt, welcher eigentlich eine völlig normale physikalische „Alterungserscheinung“ darstellt. Bei diesem Prozess werden durch Bewitterung hydrophile (wasserfreundliche) Bestandteile aus der Beschichtung wie Additive, Netzmittel und Emulgatoren ausgewaschen, die beispielsweise nur für die Lagerung, Verarbeitung oder Trocknung der Beschichtung notwendig waren. Nach der Trocknung sind diese Farbzusätze überflüssig und könnten, wenn sie denn im Anstrichfilm verblieben, die Beständigkeit der Beschichtung sogar negativ beeinflussen. So steigt u. a. nach dem Auswaschen der wasserlöslichen Verdickungsmittel, Emulgatoren und Stabilisatoren die Wasserbeständigkeit der Beschichtung an. Es handelt sich also hierbei um einen wichtigen Vorgang, denn erst nachdem diese Bestandteile ausgewaschen sind, kann eine Beschichtung ihre Aufgaben in Bezug auf die Diffusionsfähigkeit und Wasserabweisung vollständig erfüllen.

Dieses Auswaschen erfolgt normalerweise in sehr geringen Mengen, die optisch nicht oder kaum wahrnehmbar sind. Dieser im Regelfall unmerklich ablaufende Prozess der Auswaschung kann dann sichtbar werden, wenn vor der vollständigen Verfilmung der Beschichtung durch z. B. Regen oder Nebel hohe Luftfeuchtigkeiten vorherrschen. Unter diesen Bedingungen können die Auswaschungen als mehr oder weniger markante farblose, glänzende Läufer in Erscheinung treten, die eine etwas klebrige Oberfläche aufweisen. Erfahrungsgemäß tritt dieses Phänomen bei dunklen Farbtönen verstärkt auf, wodurch ein gewisser kausaler Zusammenhang zwischen den sichtbaren Ablaufspuren und der Zugabe einer hohen Menge an Abtönpasten nicht ausgeschlossen werden kann.

Da es sich bei den Ablaufspuren um wasserlösliche Stoffe handelt, die ihre Löslichkeit auch nicht verlieren, werden sie bei wiederholten Regenfällen allmählich ganz abgewaschen (Bilder 10 und 11). Außerdem scheinen hier auch weitere Witterungsprozesse, wie beispielweise Erosion und Tauwasserbildung eine Rolle zu spielen, da auch weniger beregnete Fassadenabschnitte allmählich ihre Ablaufspuren verlieren. Deshalb sind diese Auswascherscheinungen im Regelfall innerhalb eines Jahres abgeschlossen, weshalb nach diesem Zeitraum mit einer nahezu vollständigen Reduktion der Ablaufspuren zu rechnen ist. Eine Verschlechterung der zu erwartenden technischen und optischen Anforderungen der Beschichtung nach dem Abklingen dieses Phänomens ist nicht zu erwarten. Somit handelt es sich hierbei lediglich um eine temporäre optische Beeinträchtigung, deren Intensität sukzessive abnimmt.

Von einer Beseitigung der Ablaufspuren in Form des Auftrags einer Überholungsbeschichtung ist abzuraten, da die aus der Beschichtung ausgewaschenen, hydrophilen Bestandteile auf der Oberfläche keinen wirklich idealen Beschichtungsuntergrund darstellen. Darüber hinaus besteht im Fall des Auftrags einer weiteren Beschichtung die Gefahr, dass die Additive auch durch die Überholungsbeschichtung wandern und demzufolge erneut in Erscheinung treten. Insofern sind Ungeduld und blinder Aktionismus schlechte Berater im Umgang mit diesem Phänomen. Allerdings ist es denkbar, dass durch eine Reinigung der Fassade durch Wasserdampfstrahlen unter Einsatz von weichen Bürsten bereits kurzfristig deutliche Erfolge erzielt werden können.

Da Netzmittelauswaschungen im Regelfall temporäre, optische Beeinträchtigungen darstellen, ist es auch denkbar, die damit einhergehenden Unsicherheiten des Auftraggebers mittels eines zusätzlichen und somit erhöhten Sicherheitseinbehalts abzupuffern. Diesen bekommt der Auftragnehmer zurückerstattet, sobald sich der aus der Sicht des Auftraggebers optische Mangel in Form der Ablaufspuren in Wohlgefallen aufgelöst hat. Da es für die zuvor beschriebenen Übergangsjahreszeiten keine Verwendungsbeschränkungen für Fassadenbeschichtungen gibt, hat der verarbeitende Handwerker regelmäßig nur einen begrenzten Einfluss auf dieses Phänomen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass hinsichtlich der durch Netzmittelauswaschungen entstehenden Kosten auch der Beschichtungsstoffhersteller Verantwortung übernehmen sollte, was je nach Kundenbeziehung auch gegeben ist.

Literatur

[1] Bundesausschuss Farbe und Sachwertschutz e. V. (Hrsg.): Merkblatt Nr. 21 Technische Richtlinien für die Planung und Verarbeitung von Wärmedämm-Verbundsystemen, Stand: Mai 2012

Kussauer, R.; Ruprecht, M.: Die häufigsten Mängel bei Beschichtungen und WDVS. Erkennen – Vermeiden – Beheben. 2. Aufl., Rudolf Müller, Köln 2011

Zur Person

Walter Felder
Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Maler- und Lackiererhandwerk und technischer Berater beim Landesinnungsverband des Maler- und Lackiererhandwerks Berlin-Brandenburg

Kontakt
Internet:
www.sachverstaendiger-felder.de,
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E-Mail:
info@sachverstaendiger-felder.de,
felder@farbe-bb.de

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