Zur Sanierung

Umbau von Flachdächern zu Nutz- und Gründächern

Herausforderungen für eine optimale Dachnutzung

Text: Marius Amann, MBA | Foto (Header): © AMANN die DachMarke

Da es oftmals keine Standardlösungen gibt, erfordern Adaptierungen von Dachaufbauten und Dachsanierungen aufgrund der Begebenheiten eine umfangreiche Analyse und Lösungen mit viel Erfahrung und technischem Wissen. Damit das gelingt, können neben einer hochwertigen Abdichtung und einer professionellen Ausführung verschiedene Aufbauten geplant und zusätzliche Sicherheitskomponenten eingebaut werden. Mit einfachen und oftmals kostengünstigen Maßnahmen kann ein optimaler Schutz der neuen oder auch bestehenden Abdichtung gewährleistet und so für eine lange Lebensdauer gesorgt werden.

Auszug aus:

der bauschaden
Ausgabe Dezember 2022 / Januar 2023
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Lebensraum und Erholflächen

Der unsichtbare Teil des Gebäudes ist meist das Dach. Gerade hier können sowohl die Planung als auch der ausführende Betrieb einen wertvollen Beitrag zum nachhaltigen und verantwortungsvollen Bauen leisten. Dachbegrünungen bieten zahlreiche Vorteile für Mensch und Natur. Naturbelassene, pflegearme Extensivbegrünungen schaffen Ersatzlebensräume für Flora und Fauna und sind somit wichtige Rückzugsräume für Wildbienen, Schmetterlinge und Laufkäfer. Durch höhere Substratstärken, auch in Teilbereichen, um die Statik zu berücksichtigen, ist noch mehr Vielfalt möglich. Ebenso bieten naturnah gestaltete Bereiche, kombiniert mit Gehbelägen einen optimalen Rahmen für Sitzplätze zur Entspannung. Durch die Begrünung ist eine kühle Umgebung auch an heißeren Tagen gegeben.

Bauphysik bei Aufbauänderungen beachten

Die bauphysikalische Funktionsfähigkeit eines neuen Aufbaus ist entscheidend für einen langen Bestand des Dachaufbaus.

Jede weitere Schicht, die auf eine bestehende Dachabdichtung aufgebracht wird, verändert die Diffusionsfähigkeit des Aufbaus. Was bis dahin noch funktioniert hat, kann unter Umständen bei zusätzlichen Lagen nicht mehr funktionieren. Grundsätzlich gilt, dass der SD-Wert von innen nach außen kleiner werden muss und somit die äußeren Schichten diffusionsoffener sein sollen. Besonders kritisch ist dies bei einem hohen Kondensatangriff, wie es in Bad oder Küche der Fall ist, oder bei feuchteempfindlichen Holzkonstruktionen, bei welchen ein Feuchteangriff durch Kondensat je nach Aufbau direkt die Tragkonstruktion angreift.

Das zusätzliche Aufbringen von Wärmedämmungen darf in der Wirkung auf den Gesamtaufbau ebenfalls nicht unterschätz werden. So kann es zu einem Verschieben des Taupunktes durch zusätzliche Dämmschichten kommen. Dadurch kann in Folge in einer ungünstigen Ebene des Dachaufbaues Kondenswasser ausfallen und zu Schäden führen.

Bauphysikalisch nicht nur bei der Sanierung besonders wichtig ist, dass die Anschlüsse luftdicht und auch die einzelnen Lagen hinsichtlich Luft- und Wasserdichtheit funktionsfähig sind. Daher ist es von enormer Wichtigkeit, die Type und die Verlegequalität der diffusionshemmenden Schicht zu kennen. Im Idealfall ist im Bestand eine Dampfsperre mit Alu-Einlage. Hier kann in der Regel jede Art von Dachsanierung zur Anwendung gebracht werden. Bei einer später aufzubringenden Begrünung muss die Dampfsperre komplett dampfdicht sein (SD-Wert > 1.000 m), da die Begrünung durch das gesammelte Wasser dampfsperrend wirken kann. Ansonsten ist der SD-Wert der Abdichtung mit der vorhandenen Dampfsperre zu vergleichen.

Die bestehende Dachabdichtung könnte dabei auf dem Dach verbleiben, wenn sie sich im Schichtenaufbau nicht schädigend auswirkt. Bestehende Dachabdichtungen aus Kunststoffbahnen sind dabei vor Aufbringen des neuen Dachaufbaus zu entfernen oder durch kreuzweises Einschneiden zu entspannen. Bei alten Bitumenabdichtungen kann es ebenso ratsam sein, diese zu entfernen, da jede weitere Lage die Wasserdampfdiffusion durch das Bauteil wesentlich verschlechtern und es im schlimmsten Fall zu einem unkontrollierten Tauwasserausfall im und um das Bauteil kommen kann. Abhängig vom Ergebnis der Voruntersuchung und von der gewählten Abdichtung, sind ggf. Trenn- und/oder Ausgleichsschichten erforderlich.

 

Statik und Konstruktion beachten

Veränderte Dachnutzungen oder zusätzliche Auflasten auf dem Dach, sei es im Rahmen einer Umnutzung der Dachflächen oder einer Sanierung, haben Auswirkungen auf die darunterliegenden Dachschichten.

So ist bei einer Auflast durch Anlagen, Solaranlagen oder Nutzbelägen die Druckbelastung der Wärmedämmung zu beachten. Hier sind besonders weiche Dämmungen wie Steinwolle teilweise zu schwach. Durch eine dauerhafte Belastung darf die Dämmschicht nur um 2 % in ihrer Dicke gestaucht werden.

Ebenfalls hat ein Gründach, auch wenn es als dünnes Extensiv-Gründach keine hohen zusätzlichen Lasten hat, Auswirkungen auf den Aufbau. So ist eine diffusionsdichte Dampfsperre notwendig, und die Dachabdichtung muss wurzelfest sein. Besonders bei Bitumenabdichtungen ist darauf zu achten, da Standard-Bitumenbahnen nicht wurzelfest sind. Hier wäre dann ggf. vor dem Gründachaufbau noch eine Wurzelschutzfolie anzuordnen. Bei einer Begrünung ist je nach spezifischem Aufbau mit folgenden Aufbauhöhen und statischen Lasten zu rechnen:

Extensivbegrünung
Leichtgründach 45-60 kg/m²
Sedumteppich 6 cm 100 kg/m²
7 bis 10 cm Substrat 120-150 kg/m²
12 cm Substrat 160 – 200 kg
Intensivbegrünung
15 cm Wildwiese 165 kg/m²
20 cm Dachgarten 350 kg/m²
40 cm Substrat 700 kg/m²

Zum Vergleich: Ein „normales Kiesdach“ mit einer 6 cm starken Rundkornschicht hat ein Gewicht von etwa 90 kg/m². Eine einfache Extensivbegrünung ist da nur unwesentlich schwerer. Statisch ist daher die Änderung von einem Kiesdach zu einem einfachen extensiv begrünten Dach in den meisten Fällen möglich. Bei Nacktdächern muss jedoch mit den Lasten für die Begrünung zusätzlich gerechnet werden.

Bei intensiv begrünten Dächern variieren die Lasten stark wegen der Substratstärke, die aufgrund der gewünschten Pflanzungen notwendig ist. Hier kann jedoch statisch mit einem Verteilen der Last, abgegrenzten Pflanzbereichen bzw. einem geschickten Platzieren der Lasten vieles möglich gemacht werden. Intensiv begrünte Dächer müssen, wie ein Garten auch, gepflegt werden. Die Pflege hängt dabei besonders von der Bepflanzung ab (Bild 3).

 

Wechselwirkungen zwischen Materialien

Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Materialien werden oftmals unterschätzt. Am meisten Aufmerksamkeit muss in diesem Zusammenhang den PVC-Dachabdichtungen geschenkt werden. Beim Kontakt zu anderen Baustoffen muss hier sehr oft eine Trennlage, in den meisten Fällen ein Vlies, eingebaut werden. Darauf ist besonders beim Kontakt von PVC-Abdichtungsbahnen zu alten PVC-Bahnen, zu Gummigranulatbahnen und anderen Produkten mit Gummi/ EPDM sowie beim Kontakt zu EPS und XPS zu achten. Fehlende Trennlagen führen in Folge zu einer Weichmacherwanderung und damit zu einer schnelleren Alterung der Dachbahn.

Ebenfalls ist der direkte Kontakt von PVCKunststoffdachbahnen zu Bitumenbahnen zu vermeiden. Besonders in Kombination mit Wärme kommt es hier zu einer Versprödung der PVC-Folie. In Folge auch zu einem „weicher Werden“ der Bitumenbahn. Dies kann zu einem „Verflüssigen“ der Bitumenabdichtung führen und im schlimmsten Fall sogar zum „Abtropfen des Bitumens“. Ein dünnes Vlies, wie es oft auf SK-Bitumenbahnen aufgebracht ist, ist keine ausreichende Trennlage, um dies zu verhindern. Ebenfalls führt der direkte Kontakt von PVC zu einer Verfärbung bei allen hellen Kunststoffbahnen, wenn diese direkt auf eine Bitumenabdichtung gelegt werden.

Materialien für Ausgleichs-, Schutz-, Gleit- und Trennschichten müssen sich zu den angrenzenden Stoffen neutral verhalten und Beständigkeit gegen die zu erwartenden Einflüsse sicherstellen. In häufigen Fällen werden Vliese/Geotextilien als Trenn- und Schutzschicht herangezogen. Bei anderen Schutzlagen wie Gummigranulatmatten und Dämmstoffen ist wiederum auf die Verträglichkeit zur Abdichtung zu achten.

Generell kann gesagt werden, dass zwischen unterschiedlichen Materialien immer eine Trennlage (Bild 4) eingebaut werden sollte, wenn die gegenseitige Wechselwirkung der Stoffe nicht genau bekannt ist. Das vermeidet spätere unerwünschte Schäden oder Mängel. Eine zusätzliche Trennlage führt in den wenigsten Fällen zu Problemen, eine fehlende Trennung oder ungünstige Kontakte können jedoch negativen Einfluss auf die Lebensdauer des Daches haben.

 

Nutzbeläge am Dach

Zur Nutzung des Daches sind unterschiedlichste Nutzbeläge möglich. So können Plattenbeläge auf eine Splittschicht gelegt werden, aber auch auf Terrassenlager. Stelzlager bieten dabei zusätzlich den Vorteil, dass das Wasser sehr gut unter dem Belag auf der Abdichtungsebene in die Entwässerungselemente laufen kann. Daher wird dieser Aufbau in der Regel auch für Holzbeläge gewählt, welche feuchteempfindlich sind.

Bei der Verlegung eines Dachbelags auf Splitbett ist zu beachten, dass der Wasserabfluss sowohl auf der Plattenebene als auch auf der Abdichtungsebene gewährleistet ist. So sind unter den Belägen mit Schüttung Drainageschichten zur Wasserableitung anzuordnen. Zum Ableiten des Oberflächenwassers, besonders bei Starkregen, sollten auch Einlaufroste über den Gully angeordnet werden. Diese bieten ebenso die Möglichkeit, die Entwässerungselemente mit einer Sichtkontrolle zu warten und besonders auch zu reinigen (Bild 5).

 

Sicherheit am Dach

Bei Nutzflächen auf Dächern und Terrassen, die frei zugänglich sind, spielt die Sicherheit eine große Rolle. Da im Prinzip jeder, egal, ob Erwachsene oder Kinder, die Fläche betreten darf, gelten die allgemeinen Bauvorschriften hinsichtlich Sicherheit und Absturzschutz.

In der Regel müssen Geländer angeordnet werden, die auch die notwendige Höhe zum Schutz der Nutzer haben. Die Höhe ist ab der Oberkante des Nutzbelags zu messen.

Gleichzeitig müssen auch Vorgaben wie nicht übersteigbar oder zum Holmabstand eingehalten werden, damit auch die kleinsten Nutzer geschützt sind.

Gerade bei einer Umnutzung des Daches wird in Bezug auf die Sicherheit der Nutzer oftmals leichtfertig gehandelt. So werden Bereiche nur mit Pflanzen getrennt oder es werden sonstige Barrieren, die an sich jedoch einfach durchdrungen werden können, platziert. Aber gerade für eine nachträgliche Lösung gibt es auch Geländersysteme, die auflastgehalten ohne Durchdringung oder an bestehenden Attiken einfach montiert werden können und somit die Schutzfunktion erfüllen.

 

Anschlusshöhen bei Anschlussbereichen

Besonders wichtig ist es, auch bei der Sanierung auf ein möglichst gutes, normgerechtes Gefälle zu achten, sodass das Wasser sicher vom Gebäude weg- und abgeleitet wird. Es wird jedoch normativ bei Sanierungen ein Unterschreiten des Regelgefälles als zulässig erachtet. Dies ist insbesondere relevant, wenn beispielsweise Balkontüren die Anschlusshöhen vorgeben und ein Anpassen des Gefälles nicht wirklich möglich ist.

Das Niederschlagswasser sollte zudem auch von den Anschlüssen weggeleitet werden, wodurch sich hier die Hochpunkte ergeben. Es sollte trotzdem das maximal mögliche Gefälle bzw. ein möglichst normgerechtes Gefälle realisiert werden. Es gilt der Grundsatz: Ein geringes Gefälle ist besser als gar kein Gefälle.

Aufgrund zusätzlicher Dämmung und einer oftmals notwendigen Anpassung der Gefällesituation sowie neuer Aufbauten wie Begrünung oder andere Nutzbeläge entsprechen die Anschlusshöhen an der Attika sehr oft nicht mehr den Mindestvorgaben von 15 cm.

Um dies auszugleichen, können überlaufsichere Dachränder ausgebildet werden (Bild 6). Bei Kunststoffabdichtungen (TPO/FPO oder PVC-Abdichtungsbahnen) kann einfach ein folienkaschiertes Blech (mit Tropfnase!) an der Attika montiert werden, an das dann die Hochzugsbahn angeschweißt wird (Bild 7). Damit ist der Dachrand überlaufsicher, und die Anschlusshöhe kann unterschritten werden. Bei Bitumenbahnen kann das Vorgehen analog gewählt werden, indem ein Blech mit Tropfkante fachgerecht, sandwichartig zwischen die Bitumenbahnen eingebunden und bei Bedarf noch mittels Flüssigkunststoff abgesichert wird.

 

Fazit

Dächer können neben ihrer gängigen Hauptfunktion Abdichtung und Gebäudeschutz eine Reihe zusätzlicher Aufgaben übernehmen. Das Gründach geht mit gutem Beispiel voran und zeigt, was auf dem Dach alles möglich ist (Bild 8). Aber auch andere Nutzungen bieten einen interessanten Mehrwert. Mit den vorgestellten Maßnahmen wird die Dachlebensdauer durch die natürliche Schutzschicht des Gründaches verlängert und die verbaute Fläche der Natur und den Menschen zurückgegeben. Damit schützt das Dach nicht nur das Gebäude, sondern es ist neuer Lebensraum für die Bewohner und Lebewesen rundherum.

Zur Person

Marius Amann, MBA
Nach seinem Abschluss der Höheren Technischen Lehranstalt im Bereich Hochbau und einem anschließenden Studium der Betriebswirtschaft an der FH Vorarlberg sowie einem Entrepreneurship an der Universität Liechtenstein stieg Marius Amann 2010 beim technischen Dach-Fachhandel Amann ein. Er baute dort die Sparte der Dachschulungen aus. Seit 2015 ist er Geschäftsführer bei Amann, die DachMarke. 2017 startete der Aufbau der Wissensplattform DachKompetenz.at. Seit Ende 2019 bietet das Unternehmen eine eigene Online-Lernplattform an.

Kontakt
Internet: www.amann-dachmarke.at
E-Mail: marius@amann-dachmarke.at

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