Im Streitfall

Schon reif für die Abnahme?

Die Begrifflichkeiten rund um die abgeschlossene Bauleistung und ihre Bedeutung

Text: Martin Mohren | Foto (Header): © eva – stock.adobe.com

In Zusammenhang mit der Abnahme sind verschiedenste Begrifflichkeiten gebräuchlich, die Rede ist von „Abnahmereife“, „vollständig“, „Fertigstellung“ oder „Bezugsfertigkeit“. Doch wie lassen sich diese Begriffe voneinander abgrenzen? Was ist im Fall der vorzeitigen Kündigung des Bauvertrags in Bezug auf die Abnahmefähigkeit zu beachten? Und unter welchen Voraussetzungen kann die Abnahme entbehrlich sein?

Auszug aus:

der bauschaden
Ausgabe August / September 2021
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Kaum ein anderer Moment in der Abwicklung eines Bauvertrags löst so viele Rechtsfolgen aus wie die Abnahme der Werkleistung. Beispielhaft sind hier die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs, der Gefahrübergang oder der Beginn der Gewährungsleistungszeit anzuführen. Die Abnahme ist auch immer der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Werkleistung, ob diese den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Aufgrund der Bedeutung der Abnahme und der damit verbundenen Rechtsfolgen gibt es immer wieder Meinungsverschiedenheiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, ob die Werkleistung „fertiggestellt“ ist und ob eine sogenannte „Abnahmereife“ vorliegt. Zudem stellt sich die Frage, ob die Abnahme neben der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung immer zwingende Fälligkeitsvoraussetzung ist, oder ob Ausnahmen existieren.

Fertigstellung

Nach § 640 Abs. 1 BGB ist der Auftraggeber verpflichtet, das vertragsgemäß hergestellte Werk abzunehmen. Der Begriff der „Fertigstellung“ wird im Wortlaut des Gesetzestextes weder verwendet noch definiert. Dennoch wird der Begriff der Fertigstellung immer wieder verwendet im Zusammenhang mit der Mangelfreiheit/Mangelhaftigkeit der Werkleistung, um Transparenz zu schaffen, ob eine Werkleistung abnahmefähig ist oder nicht.

Der Begriff der „Fertigstellung“ findet jedoch regelmäßig Verwendung in Zusammenhang mit Zahlungsplänen oder Vertragsstrafenregelungen. Ebenso findet er ausdrücklich konkrete Verwendung in der Verordnung über die Pflichten der Immobilienmakler, Darlehensvermittler, Bauträger, Baubetreuer und Wohnimmobilienverwalter (Makler- und Bauträgerverordnung – MaBV). In § 3 dieser Verordnung ist beispielsweise bestimmt, dass 40 % der Vergütung geltend gemacht werden dürfen nach Rohbaufertigstellung einschließlich Zimmererarbeiten und die letzten 5 % nach vollständiger Fertigstellung. Der Begriff „vollständig“ ist in der MaBV nicht ausdrücklich definiert, sodass sich vergleichbar zur Abnahmereife die Frage stellt, inwiefern die Fertigstellung vollständig erfolgt sein muss und wann die sogenannte „Vollständigkeit“ gegeben ist.

Hiervon abzugrenzen ist dann noch der Begriff der „Bezugsfertigkeit“, der weder im BGB noch in der MaBV definiert wird. Mit der Frage der Abgrenzung der Begriffe „Fertigstellung“ und „Bezugsfertigkeit“ hat sich zu­letzt das OLG Schleswig mit Urteil vom 02.10.2019, 12 U 10/18 befasst. Um den Einzug in die von dem Bauträger zu errichtenden Wohnungen nicht zu gefährden, zahlten die Erwerber den vollständigen Erwerbspreis vor Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Nachdem der Einzug nebst vollständiger Zahlung erfolgt war, wurden jedoch wesentliche Mängel am Gemeinschaftseigentum festgestellt. Die Erwerber forderten vonseiten des Bauträgers die Rückzahlung der sogenannten Fertigstellungsrate. Dies erfolgte mit der Begründung, dass nach der MaBV als zwingende Fälligkeitsvoraussetzung eine vollständige Fertigstellung vorliegen muss, was nach Auffassung der Erwerber nicht der Fall war. Im Prozessverfahren verfolgte der Bauträger die Auffassung, die Werkleistung sei vollständig fertiggestellt und auf die Frage etwaiger Mängel dürfe nicht abgestellt werden. Die MaBV würde den Begriff „Vollständigkeit“ ausschließlich als Fälligkeitsvoraussetzung verwenden und nicht Bezug nehmen auf die Qualität der Bauausführung. Dieser Argumentation ist das OLG Schleswig erwartungsgemäß nicht gefolgt.

Eine mangelhafte Bauleistung steht der vollständigen Fertigstellung immer dann entgegen, wenn es sich bei den vorhandenen Mängeln um wesentliche Mängel handelt. Eine „vollständige Fertigstellung“ ist nach Auffassung des OLG nicht erreicht, wenn konkrete Mängel vorliegen, die berechtigen, eine werkvertragsrechtliche Abnahme zu verweigern. Nach dieser Argumentation liegt eine vollständige Fertigstellung im Sinne der Makler- und Bauträgerverordnung daher nur dann vor, wenn die Fertigstellung frei ist von wesentlichen Mängeln und somit eine Abnahmereife gegeben ist.

Praxistipp: Soweit die Makler- und Bauträgerverordnung keine Anwendung findet, wie klassischerweise bei einem Generalunternehmervertrag, empfiehlt es sich, innerhalb eines Zahlungsplans die Fälligkeitsvoraussetzungen für die erbrachten Leistungen bestmöglich zu konkretisieren.

Abschließend ist zur Fertigstellung die sogenannte Fertigstellungsanzeige in Erinnerung anzusprechen. Nach § 12 Abs. 3 VOB/B kann die Abnahme fiktiv erfolgen durch die sogenannte schriftliche Fertigstellungsanzeige. Nach der Rechtsprechung des BGH wird in der Übersendung der Schlussrechnung die sogenannte Fertigstellungsanzeige des Unternehmers gesehen. Ist diese Abnahmeform nicht ausgeschlossen und beispielsweise auch keine förmliche Abnahme vereinbart, gilt die Werkleistung 12 Werktage nach Zugang der Fertigstellungsanzeige (Schlussrechnung) als abgenommen, wenn innerhalb dieser Zeitspanne keinerlei Erklärung seitens des Auftraggebers erfolgt. Hier gilt aber seit Längerem, dass die Wirkung der Abnahme nur eintritt, wenn keine wesentlichen Mängel vorliegen. Liegen jedoch unwesentliche Mängel vor, tritt die Abnahmewirkung ein, siehe BGH BauR 1973, 192.

 

Vertragsstrafe

Der Begriff „Fertigstellung“ findet regelmäßig auch Verwendung in vertraglichen Regelungen zu Vertragsstrafenklauseln. Der zuvor dargestellte Grundsatz gilt hier entsprechend: Es ist nicht Voraussetzung für die Fertigstellung, dass die Werkleistung mangelfrei ist, sondern dass das Werk abnahmereif sein muss.

Hiermit hat sich z. B. zuletzt das OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 07.12.2017, 5 U 124/16 befasst. Das Rechts­mittel gegen die­se Entscheidung hat der BGH zurückgewiesen. In diesem Prozessverfahren hatte der Auftraggeber im Zuge der Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses eine Vertragsstrafe geltend gemacht, weil der Aufzug im Objekt nicht zusammen mit einer vermieteten Gewerbeeinheit fertiggestellt war. Der Aufzug war erst zwei Monate nach der Übergabe der Gewerbeeinheit betriebsbereit übergeben und in Betrieb genommen worden. Im Rahmen des Prozessverfahrens wurde erörtert, ob die fehlende Nutzbarkeit mietrechtliche Minderungsansprüche auslösen kann und darf. Das OLG Düsseldorf hat aber festgestellt, dass solche mietrechtlichen Ansprüche nicht zwangsläufig dazu führen, dass keine werkvertragliche Abnahmereife vorliegt. Dabei hat das OLG auch betont, dass eventuelle mietvertragliche Nutzungsrechte keine Relevanz haben für die Frage, ob im Sinne des Werkvertrags Abnahmereife vorliegt oder nicht.

Praxistipp: Bei einer Vielzahl von Bauverträgen werden beispielsweise auch Vorgaben des Mieters zur Vertragsgrundlage. Dies setzt natürlich voraus, dass bereits Mietverträge abgeschlossen sind zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bauvertrags. Grundsätzlich dient die Einbeziehung sicherlich der Beschreibung des vertraglichen Leistungssolls, kann im vorliegenden Zusammenhang aber auch als Argumentation dienen für die Nicht-Erbringung der vertragsgemäßen Funktion und das Fehlen der Abnahmereife!

In der Argumentation war für das OLG sicherlich hilfreich, dass der verspätet in Betrieb genommene Aufzug räumlich abgegrenzt war zu der streitgegenständlich vermieteten Gewerbeeinheit und daher nicht im „Nutzungsbereich“ lag.

Praxistipp: Um auf Auftraggeberseite die Gefahr der Verwirkung der Vertragsstrafe zu reduzieren, empfiehlt es sich, vorrangig fertigzustellen, selbst wenn unwesentliche Mängel vorhanden sind. Dies gefährdet grundsätzlich nicht die Bejahung der „Fertigstellung“!

 

Abnahmereife

Sowohl beim BGB- als auch beim VOB/B-Werkvertrag ist neben der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung die Abnahme zwingende Fälligkeitsvoraussetzung. Weder das BGB noch die VOB/B definiert dabei den Begriff Abnahme. Vonseiten der Rechtsprechung ist hier eine Vielzahl von Erläuterungsansätzen entwickelt worden. Dennoch besteht immer wieder Uneinigkeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, ob die Werkleistung „abnahmereif“ ist.

Einigkeit besteht, dass der Auftraggeber ausschließlich darüber entscheidet, ob er das Werk des Unternehmers „billigt“ als im Wesentlichen vertragsgemäße Leistung, siehe das BGH-Urteil vom 05.06.2014, VII ZR 276/13. Für die Werkleistung erforderlich ist daher einerseits die Übernahme/Übergabe des Werks und damit verbunden die Billigung als im Wesentlichen vertragsgerecht. Somit liegt der Fokus, ob die Werkleistung abnahmereif ist, zunächst ausschließlich im Betrachtungswinkel des Auftraggebers.

Hält dieser die Werkleistung nicht für abnahmereif, wird die objektive Klärung erst im Zuge eines Prozessverfahrens durch Einholung eines Sachverständigengutachtens möglich sein. Dabei werden die vermeintlichen Mängel aufgeklärt, verbunden mit der Frage, ob im Fall des Vorhandenseins dieser Mängel diese Punkte berechtigen, die Abnahme zu verweigern.

Faktisch ist die Begrifflichkeit der Abnahme und der Abnahmereife juristischer Natur, kann vorrangig aber oftmals nur durch eine technische Bewertung bejaht oder verneint werden.

Entsprechend den vorherigen Ausführungen darf die Werkleistung Mängel aufweisen und ist dennoch abnahmefähig. Verwendet ein Auftraggeber beispielsweise in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Formulierung, dass nur im Falle der Mangelfreiheit das Gewerk abnahmefähig ist, kann dies gegen § 640 BGB verstoßen und würde zur Unzulässigkeit einer solchen Regelung führen. Ob Abnahmereife vorliegt oder nicht, wird immer dem Einzelfall vorbehalten bleiben. Grundsätzlich bedarf die Abnahmereife zweier Komponenten: der Vollständigkeit der Leistungserbringung und der Freiheit von wesentlichen Mängeln.

Bei der Sichtung von Abnahmeprotokollen fällt manchmal die Abgrenzung schwer, ob der aufgenommene Punkt als Restarbeit zu qualifizieren ist oder als Mangel. Im Ergebnis wird der Vorbehalt im Abnahmeprotokoll technisch bewertet werden müssen. Einfach sind sicherlich die Fälle, bei denen sicherheitsrelevante Mängel beanstandet werden. Hier wird die Wesentlichkeit voraussichtlich immer zu bejahen sein, da z. B. die Vorgaben aus einem Brandschutzkonzept maßgeblich für die Genehmigung des Bauwerks und die genehmigte Nutzung sind. Dabei wird der erforderliche Mangelbeseitigungsaufwand auch von untergeordneter Bedeutung sein, da vorrangig über die Auswirkungen auf die Sicherheit die Nutzbarkeit zu verneinen ist. Ist bei einem Hotelneubau die Brandmeldeanlage noch nicht aufgeschaltet, wird die fehlende Abnahmereife sofort ins Auge springen. Dringt in einen neu errichteten Keller Feuchtigkeit von außen ein, wird man die Wesentlichkeit auch immer einfach bejahen können, da es sich um ein wesentliches konstruktives Detail am Bauvorhaben handelt.

Beeinträchtigungen in der Funktion des Bauteils bieten aber deutlich mehr Anlass, unterschiedliche Auffassungen über die Wesentlichkeit eines Mangels zu haben. Fehlt die Bedienung an einem Dachfenster, so stellt dies im Falle der vertraglichen Vereinbarung sicherlich einen Mangel dar, die Wesentlichkeit wird aber davon abhängen, ob dieses Fenster als zweiter Rettungsweg dient und manuell bedienbar ist oder nicht. Sicherlich werden Funktionsmängel eher als wesentliche Mängel zu qualifizieren sein, letztlich darf man dies aber auch nicht verallgemeinern.

Als dritte Mangelkategorie kann man in diesem Zusammenhang optische Mängel anführen. Hier sollte man nicht der Gefahr unterliegen, optische Mängel immer als unwesentliche Mängel zu qualifizieren. Art und Umfang der Beauftragung und insbesondere der Verwendungszweck (repräsentative Wirkung) können auch aus einem optischen Mangel einen wesentlichen Mangel machen. Streiten sich Auftraggeber und Auftragnehmer über die Abnahmereife, kann dies im Falle eines Rechtsstreits ausschließlich durch die Bewertung des gerichtlich bestellten Sachverständigen erfolgen.

Abschließend wird die Frage der Abnahmereife auch immer wieder erörtert im Zusammenhang mit einer fehlenden Dokumentation zum Abnahmezeitpunkt. Eine konkrete Entscheidung des BGH jüngeren Datums liegt hierzu noch nicht vor. Insbesondere im Zusammenhang mit der Beantragung/Bewilligung von Fördermitteln können technische Nachweise, Dokumentationen und Fachunternehmererklärungen aber von maßgeblicher Bedeutung sein. Beim Verbraucherbauvertrag hilft hier in einem gewissen Umfang sicherlich die Herausgabepflicht von Unterlagen nach § 650n BGB. Bei Fragen der fehlenden Dokumentation steht vorrangig im Mittelpunkt, ob und welche Regelungen die Bauvertragsparteien getroffen haben.

Praxistipp: Bei Streitigkeiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer über Umfang und Vollständigkeit der Dokumentation fällt immer wieder auf, wie „ungenau“ die zu liefernde Dokumentation beschrieben ist. Typischerweise handelt es sich um eine der letzten Positionen in einem Leistungsverzeichnis, die grundsätzlich auch mit einem Einheitspreis/Pauschalpreis versehen wird. Damit würde die Beschreibung im Leistungsverzeichnis zur sogenannten Beschaffenheitsvereinbarung und Maßstab, welche Dokumentationsunterlagen vorzulegen sind. Ist dies nicht oder unsauber geregelt, wird in Prozessverfahren oftmals von Auftraggeberseite angeführt, die Dokumentation würde nicht „den allgemein anerkannten Regeln der Technik“ entsprechen. Allein diese Begrifflichkeit birgt die Gefahr, wie dies im Rahmen eines Prozessverfahrens dann definiert wird. Sicherlich gibt es Regelwerke, die Aussagen treffen über Dokumentationspflichten, teilweise wird es dem gerichtlich bestellten Sachverständigen obliegen, aufzuzeigen, welche Dokumentationsunterlagen er für erforderlich erachtet.

Vor diesem Hintergrund sollte von beiden Vertragsparteien ein Augenmerk auf die konkrete Ausformulierung der Dokumentationsunterlagen gerichtet sein!

In den 1990er-Jahren hat der BGH über einen Fall entschieden, in dem einem Indus­trieprojekt zur Errichtung einer Anlage zur Fertigung von Scheibenwischern die Dokumentation für den eventuellen Nachbau von Einzelteilen oder der gesamten Anlage fehlte, obwohl dies vertraglich vereinbart war. Aufgrund dessen hat der BGH in dem Urteil die Auffassung vertreten, dass in einem solchen Fall die Abnahme bis zur vollständigen Lieferung der vereinbarten Dokumentation verweigert werden darf (BGH-Urteil vom 29.06.1993, X ZR 60/92).

In jüngeren Entscheidungen haben sich die Oberlandesgerichte Frankfurt, Stuttgart und Bamberg mit diesem Themenkomplex befasst. Das OLG Frankfurt hatte in einem zu entscheidenden Fall ausgeführt, dass eine fehlende Dokumentation in der Regel lediglich einen unwesentlichen Mangel darstellt, der den Auftraggeber nicht dazu berechtigt, die Abnahme zu verweigern (OLG Frankfurt, Urteil vom 24.02.2015, 16 U 135/14; der BGH hat das Rechtsmittel gegen diese Entscheidung nicht angenommen). Zugebilligt wurde dem Auftraggeber ein Zurückbehaltungsrecht in einer Höhe von ca. 10.000 Euro. Generell gilt bei fehlender oder unvollständiger Dokumentation, dass die Schätzung des erforderlichen Aufwands zur Beschaffung der fehlenden Unterlagen oftmals nur grob angenommen werden kann.

Das OLG Stuttgart hat in einer Entscheidung differenziert hinsichtlich Neben- und Hauptpflichten bezogen auf den Themenkomplex Dokumentation. Die Druckprüfung einer Trinkwasseranlage sieht das OLG als werkvertragliche Hauptpflicht an, sodass ein Mangel zwar bejaht wird, die Wesentlichkeit wurde durch das OLG aber verneint. Eine eventuell fehlende Typengenehmigung nach Landesbauordnung wurde als Nebenpflicht qualifiziert, aus der sich allenfalls ein Zurückbehaltungsrecht ableiten lassen kann (OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.01.2010, 10 U 119/09).

Das OLG Bamberg hat abschließend in einem Urteil vom 08.12.2010 Ausführungen dazu getroffen, welche Bedeutung die Dokumentation hat. Vergleicht man z. B. die heutige Anlagentechnik in einem Gebäude mit derjenigen vor 30 bis 40 Jahren, so springt ins Auge, welcher Umfang hier mittlerweile aufgrund der erweiterten Anlagentechnik an Dokumentationsunterlagen vorliegt. Der laufende Betrieb für den späteren Nutzer wird maßgeblich davon abhängig sein, inwiefern er selbst oder eine Drittfirma, die er beauftragt hat, sich nachvollziehbar mit der Anlagentechnik auseinandersetzen kann. Dies erfordert im Umkehrschluss entsprechend nachvollziehbare Unterlagen, damit dies sichergestellt ist. Deshalb ist abzuwägen zwischen dem Umfang, in welchem die Dokumentation fehlt oder unvollständig ist, und der Bedeutung der fehlenden Unterlagen für die tägliche Nutzung der Anlagentechnik im Gebäude. Je bedeutsamer die Unterlagen z. B. für den Betrieb einer Klima- oder Heizungsanlage sind, umso eher wird man die Wesentlichkeit bejahen oder verneinen können bzw. müssen. Hier wird mit Sicherheit noch die weitere Entwicklung der Rechtsprechung beobachtet werden müssen.

 

Abnahme bei Kündigung

Mit einer Grundsatzentscheidung im Jahr 2002 hatte der BGH entschieden, dass auch nach einer Kündigung oder teilweisen Kündigung des Werkvertrags die Abnahmewirkungen (Rechtsfolgen) nur mit der Abnahme herbeigeführt werden können (BGH-Urteil vom 19.12.2002, VII ZR 103/00).

Mit der Kündigung endet die Leistungspflicht, sodass sich das abzunehmende Gewerk dann auf die bis zum Zeitpunkt der Kündigung ausgeführte Werkleistung erstreckt. Sowohl bei der Kündigung als auch bei der Teilkündigung gelten die Grundsätze zur Abnahme entsprechend. Da die Kündigung jedoch während der Ausführung des Werkvertrags erfolgt, hat der dann noch andauernde dynamische Prozess der Ausführung zwangsläufig Auswirkung auf einzelne Themenkomplexe bzw. Rechtsfolgen der Abnahme.

Mit der Abnahme erfolgt eine Gefahrübertragung von Auftragnehmerseite auf den Auftraggeber. Regelmäßig wird davon auszugehen sein, dass die Gefahr mit der Kündigung übergeht.

Praxistipp: Oftmals werden Kündigungen verbunden mit dem Ausspruch eines Hausverbots. Damit entzieht man faktisch dem Unternehmer jegliche Möglichkeit, vor der Abnahme sein Gewerk zu schützen. In solch einem Fall (Verknüpfung Kündigung mit einem Hausverbot) wird man immer davon ausgehen müssen, dass ein Gefahrübergang auf den Auftraggeber erfolgt, auch wenn die Werkleistung noch nicht abgenommen wurde. Im Einzelfall sollte daher gut überlegt sein, ob neben der Kündigung auch der Ausspruch eines Hausverbots sinnvoll und erforderlich ist.

Weiterhin wird der Auftraggeber im Zweifel zeitnah die Arbeiten durch eine Drittfirma fortführen müssen.

Ist die Kündigung aufgrund einer zuvor abgelaufenen Frist zur Mängelbeseitigung ausgesprochen worden, so kann die Abnahme beispielsweise dadurch erfolgen, dass der Besteller die von einem Drittunternehmer nachgebesserte Leistung dann nutzt und in Gebrauch nimmt (BGH-Urteil vom 11.05.2006, VII ZR 146/04). In jedem Fall läuft der Auftraggeber Gefahr, dass er im Falle der Fortführung der Arbeiten ohne ordnungsgemäße Abnahme und idealerweise gemeinsamer Dokumentation mit dem gekündigten Unternehmer eine Abnahme vereitelt, sodass dies im späteren Prozess gegebenenfalls zugunsten des Auftragnehmers ausgelegt werden kann. In diesem Sinne existiert vergleichbar eine Rechtsprechung des BGH dazu, dass ein Unternehmer seine Mengenermittlung schätzen darf, wenn ihm z. B. aufgrund eines Hausverbots der Zugang zu einem Objekt zur Aufmaßnahme verwehrt wird.

Letztlich hilft im Falle der Kündigung des Bauvertrags sowohl beim gekündigten Vertrag als auch bei der verweigerten Abnahme die seit 2018 im BGB eingeführte sogenannte Zustandsfeststellung, §§ 648a, 650g BGB. Bis zur Einführung der Zustandsfeststellung im Falle der Verweigerung der Abnahme zum 01.01.2018 hatte diese Verweigerung zur Folge, dass sämtliche Rechtsfolgen der Abnahme nicht ausgelöst wurden, insbesondere der Gefahrübergang. Dies konnte in der Vergangenheit zu teils kuriosen Ergebnissen führen. Verweigert der Besteller bei Bauverträgen, die ab dem 01.01.2018 geschlossen wurden, die Abnahme unter Angaben von Mängeln, kann der Auftragnehmer jedoch die Mitwirkung an einer gemeinsamen Zustandsfeststellung verlangen. Diese Leistungsfeststellung gleicht faktisch einer Abnahmebegehung, allerdings mit der Besonderheit, dass das Ergebnis der gemeinsamen Begehung ausschließlich Auswirkung hat auf den Gefahrübergang.

Ist das Werk dem Auftraggeber verschafft worden und sind in der Zustandsfeststellung keine offenkundigen Mängel angegeben, wird vermutet, dass dieser nach der Zustandsfeststellung entstanden und vom Besteller zu vertreten ist. Diese Vermutung soll jedoch nicht gelten, wenn der Mangel nach seiner Art nicht vom Besteller verursacht worden sein kann. Hier ist sicherlich noch die Entwicklung in der Rechtsprechung abzuwarten, da der Begriff „offenkundiger Mangel“ keine belastbare Historie hat. Sicherlich wird man hier davon ausgehen müssen, dass optisch leicht wahrnehmbare Mangelpunkte gemeint sind, wie beispielsweise Kratzer auf einer Fensterscheibe oder Rissbildungen in der Wand. Mit Sicherheit wird im Rahmen einer Leistungsfeststellung aber nicht der Sockel in einem Staffelgeschoss geöffnet, um die Ausbildung der Abdichtung zu überprüfen. Hier wären im Falle einer Zustandsfeststellung allenfalls optische Beanstandungen an der Putzoberfläche „offenkundig“, nicht jedoch die Unterkonstruktion, die ohne Bauteilöffnung nicht sichtbar ist.

Hinsichtlich der übrigen Rechtsfolgen (Fälligkeitsvoraussetzung, Beginn der Gewährleistungsfrist, Wechsel der Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein von Mängeln) hilft die Zustandsfeststellung nicht weiter, versucht aber, einen großen Themenkomplex des Gefahrübergangs zu regeln.

Praxistipp: Sollte dem Werkunternehmer der Auftrag ganz oder teilweise entzogen werden, sollte automatisch die Aufforderung zur Abnahme ausgesprochen werden. Dabei muss zunächst der Blick in den Vertrag erfolgen, ob und gegebenenfalls welche Abnahmeform vertraglich vereinbart wurde (z. B. förmliche Abnahme).

Wird die Abnahme verweigert, muss im Anschluss die Aufforderung zur Leistungsfeststellung erfolgen. Zur Abkürzung und zur Beschleunigung könnten vorsorglich auch beide Aufforderungen in einem Schreiben zusammengefasst werden.

 

Entbehrlichkeit der Abnahme

Die Rechtsprechung hat Einzelfälle entwickelt, bei denen die Abnahme entbehrlich ist als Fälligkeitsvoraussetzung für den Werklohnforderungsanspruch oder umgekehrt für die Geltendmachung von Nacherfüllungsansprüchen. Hierbei handelt es sich um folgende Einzelfälle:

Verweigert der Auftraggeber endgültig die Abnahme und die Ausführung weiterer Arbeiten durch den Auftragnehmer, kann keine Erfüllung mehr gefordert werden, die zur Abnahmereife führen kann. Faktisch kann der Werkunternehmer auch keine Abnahmereife mehr durch eine eigene Leistungserbringung erreichen. Der Werkunternehmer wird seine Ansprüche im Zweifel klageweise geltend machen müssen. Hat der Auftraggeber die Abnahme zu Unrecht verweigert, wird er entsprechend die Werklohnforderung auszugleichen haben. Wurde die Abnahme zu Recht verweigert, lässt aber auch keine Nachbesserungsarbeiten zu, ist der Auftraggeber vorsorglich in der Pflicht, über das reine Leistungsverweigerungsrecht hinaus z. B. die Aufrechnung mit einem Mängelbeseitigungsvorschussanspruch zu erklären. Zumindest muss der Auftraggeber den Widerspruch auflösen, einerseits ein Zurückbehaltungsrecht bezogen auf den Werklohn geltend zu machen und gleichzeitig dem Unternehmer ein Recht auf Nachbesserung zu verweigern.

Häufiger Anwendungsfall für die Entbehrlichkeit der Abnahme ist die Begründung eines sogenannten Abrechnungsverhältnisses. Dieser Begriff ist von der Rechtsprechung entwickelt worden und bedeutet, dass Auftraggeber und Auftragnehmer ihre wechselseitigen Forderungen gegeneinander saldieren. Der Werkunternehmer macht seine Werklohnforderung aus der Schlussrechnung geltend. Demgegenüber hat der Auftraggeber seine Forderungsansprüche, wie z. B. geschätzte Mängelbeseitigungskosten, bereits zur Aufrechnung gestellt.

Auf die Abnahme selbst kommt es als Fälligkeitsvoraussetzung immer dann nicht an, wenn der Auftraggeber die Erfüllung des Vertrags nicht mehr verlangen kann und das Vertragsverhältnis in das zuvor beschriebene Abrechnungsverhältnis übergeleitet wurde. Dies ist grundsätzlich immer dann der Fall, wenn der Unternehmer das Werk an sich fertiggestellt hat und zur Abnahme anbietet. Verweigert der Auftraggeber dann die Abnahme verbunden mit einer Fristsetzung zur Mängelbeseitigung, die dann fruchtlos verstreicht, folgt grundsätzlich im Anschluss die Aufrechnung/Verrechnung mit den geschätzten Mängelbeseitigungskosten gegenüber der offenen Werklohnforderung.

In diesem Zusammenhang gilt eine dogmatische Besonderheit aufgrund einer jüngeren Rechtsprechung des BGH. Demnach kann der Auftraggeber beim BGB-Werkvertrag vor Abnahme grundsätzlich keine Nacherfüllungsansprüche geltend machen. Um dies formal zu beachten, empfiehlt es sich, vor Abnahme ausdrücklich eine Fristsetzung zur mangelfreien Fertigstellung innerhalb einer angemessenen Frist zu setzen. Die Rechtsprechung berücksichtigt, dass der Auftraggeber nicht eine mit wesentlichen Mängeln behaftete Werkleistung abnehmen muss, bevor er Nacherfüllungsansprüche geltend machen kann.

Abhängig von der Art des Gewerks kommt gegebenenfalls neben dem Anspruch auf Mängelbeseitigungskosten auch der Rücktritt vom Vertrag oder die Anmeldung von Minderungsansprüchen in Betracht. Die Begründung eines Abrechnungsverhältnisses wird auch dann als Fälligkeitsvoraussetzung angenommen, wenn feststeht, dass keine Nacherfüllung mehr verlangt wird vom Unternehmer. Dies ist insbesondere immer dann der Fall, wenn die Mängelbeseitigung bereits durchgeführt wurde. Dann liegt das Abrechnungsverhältnis auf der Hand.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung entbehrlich ist, wenn eine der beiden Vertragsparteien ernsthaft und endgültig die Ausführung bzw. die Annahme weiterer Arbeiten durch den Vertragspartner ablehnt oder aber bereits die Aufrechnung mit Gegenansprüchen erfolgt ist. Diese Ansprüche müssen sich aber konkret auf die Mangelbeseitigungsarbeiten beziehen.

 

Fazit

Insgesamt verdient die Abnahme aufgrund ihrer erheblichen Rechtsfolgen maximale Aufmerksamkeit für den Auftraggeber und den Auftragnehmer. Einem Auftragnehmer ist immer zu empfehlen, mit der Fertigstellung und Erstellung der Schlussrechnung zu prüfen, ob und welche Regelung zur Durchführung der Abnahme vereinbart wurde. Hierzu soll er den Auftraggeber immer dann auffordern, wenn er die Leistung fertiggestellt hat und diese Werkleistung frei ist von wesentlichen Mängeln. Grundsätzlich ist die Abnahme innerhalb von 14 Tagen durchzuführen. Wird die Abnahme verweigert, besteht zumindest ein Anspruch auf Durchführung der sogenannten Leistungsfeststellung.

Werden bereits Gegenansprüche (Mängelbeseitigungskosten) zur Aufrechnung gestellt, ist die Abnahme nicht zwingend Voraussetzung für einen Werklohnforderungsprozess. Dennoch verbleibt es dabei, dass ohne Abnahme zwar die Werklohnforderung fällig sein kann, der Werkunternehmer aber in jedem Fall im Prozess die Darlegungs- und Beweislast innehat für die Mangelfreiheit der Werkleistung!

Zur Person

Rechtsanwalt Martin Mohren

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Schlichter und Schiedsrichter für Baustreitigkeiten (SObau). Er hat sich auf die Schwerpunkte Bau- und Immobilienrecht sowie Gewerbemietrecht spezialisiert und ist deutschlandweit tätig. Darüber hinaus ist Herr Mohren als Dozent deutschlandweit im Bau- und Immobilienrecht tätig.

Kontakt: www.ra-mohren.de

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