Zur Beurteilung

Wenn Schimmel krank macht

Wirkung und Messung von Mykotoxinen in der Innenraumluft

Text: Carolin Hintermeier und Robert Priller | Foto (Header): © domatec

Schimmel in Gebäuden assoziiert man nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in der Gesellschaft mit einer Gefahr für die Gesundheit von Bewohnern. Für Schimmelpilze ist keine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Konzentration und gesundheitlichen Auswirkungen bekannt, daher gibt es in der Praxis keine Grenz- und Richtwerte für Oberflächen- und Innenraumluftbelastungen. Sachverständige bedienen sich üblicherweise bei der Interpretation von Prüfergebnissen einer vorliegenden Kontamination aus wissenschaftlichen Erkenntnissen oder an Erfahrungswerten von technisch-wissenschaftlichen Organisationen. Die von amtlicher Seite veröffentlichten Leitfäden bieten hierzu keine eindeutige Lösung in Form von gültigen Wertebereichen an.

Auszug aus:

der bauschaden
Ausgabe Oktober / November 2021
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Obwohl seit mehr als 5.000 Jahren bekannt ist, dass die Bildung von Schimmelpilzen in Innenräumen ein großes Problem darstellt, gibt es heutzutage immer mehr Gebäude, die schimmelpilzbelastet sind. Aufgrund gesundheitlicher Gefahren ist eine Sanierung von Schäden unumgänglich. Grundvoraussetzung für das unerwünschte Wachstum von Schimmelpilzen ist ein hoher Feuchtigkeitsgehalt in Baumaterialien und in der Raumluft. Diese hohe Feuchte kann sowohl in Neu- als auch in Bestandsbauten auftreten. So sind beispielsweise Leitungswasserschäden eine wichtige Ursache, welche mit mehr als 1.000 Schäden pro Tag (in Deutschland) statistisch auffällig sind. Hinzu kommen Wettersituationen, die Starkregenereignisse hervorrufen und zu enormen Gebäudeschäden durch Überflutungen führen.

Bei der Bewertung von Schadensbildern werden üblicherweise Oberflächen (Bild 1), Baumaterialien oder auch die Raumluft auf mögliche Kontaminationen mit Mikroorganismen untersucht. Dabei kommen, je nach spezifischer Matrix, unterschiedliche Probenahmeverfahren zum Einsatz: Klebefilmkontaktproben, Abklatsch- und Tupferproben oder die aktive Messung von Bioaerosolen in der Innenraumluft. Damit ist nach Analyse und Auswertung im Labor eine qualitative und quantitative Aussage über eine vorherrschende Belastungssituation möglich. Auf Basis dieser Prüfergebnisse lassen sich in der Regel belastbare Sanierungsziele festlegen.

Wenn es jedoch in der Schadenspraxis um die Bewertung und Klärung von Fragestellungen zu gesundheitlichen Auswirkungen geht, ist dies mit den bisherigen Standardverfahren und -methoden nahezu unmöglich. In den vergangenen Jahren sind mikrobiologische Bestandteile von Pilzen und Bakterien zunehmend Gegenstand von umweltmedizinischen Untersuchungen und Fragestellungen geworden. Dabei handelt es sich um Mykotoxine, also Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen, oder um Zellwandbestandteile von gramnegativen Bakterien, sogenannte Endotoxine.

Anfragen zu Innenraumluftbelastungen mit diesen toxischen Stoffen und damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren nehmen zu. Diesen Aspekten wird auch in neuen Normen für Belastungssituationen am Arbeitsplatz Rechnung getragen. Zum Nachweis einer einwandfreien Luftqualität ergeben sich künftig neue Messaufgaben (DIN EN 13098 [1]).

Intoxikationen durch Mykotoxine

Wie in Zellkultur- und Tierversuchen gezeigt werden konnte, lösen Mykotoxine beim Menschen zytotoxische Effekte aus und haben eine immunmodulatorische Wirkung. Menschliche Zellen werden dadurch nachhaltig geschädigt und das Immunsystem negativ beeinflusst. Aufgrund der hohen Toxizität bei bereits geringsten Konzentrationen beschäftigt man sich seit Jahrzehnten auch in der Biowaffenforschung mit Mykotoxinen.

Es sind weit mehr als 450 Mykotoxine bekannt, welche in ihren chemischen Strukturen stark variieren. Damit einher gehen unterschiedliche toxikologische Eigenschaften. Von hoher Relevanz im Zusammenhang mit der Innenraumluft in Gebäuden verbleiben ca. 20 Mykotoxine (siehe Tabelle 2), die von diversen Schimmelpilzen, wie beispielsweise Aspergillus, Fusarium, Stachybotrys oder Penicillium gebildet werden.

Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei Mykotoxinen um niedermolekulare Strukturen handelt, sind diese sehr stabil gegenüber Umwelteinflüssen und deshalb auch lange nach dem Absterben des produzierenden Schimmelpilzes in diversen Proben nachweisbar.

Mykotoxine sind unumstritten eine Gefahr für Menschen und sind die Ursache für diverse Krankheitsbilder. Die unterschiedlichen Aufnahmepfade (Bild 4) sind orale Aufnahme, Inhalation sowie die Aufnahme über die Haut und die Schleimhäute. Hierbei ist die inhalative Exposition weitaus kritischer zu bewerten als andere Expositionsarten. Tierversuche zeigten, dass die tödliche Wirkung bestimmter Toxine (bei 50 % der Versuchstiere) beim Einatmen bereits bei einer 70‑fach geringeren Konzentration erreicht ist als beispielsweise bei oraler Exposition. Gesundheitsrisiken durch die orale Aufnahme von Mykotoxinen mit Lebensmitteln sind bereits umfassend gesetzlich geregelt. In der Praxis spiegelt sich dies durch umfangreiche Lebensmitteluntersuchungen wider. Eine wichtige Fragestellung ist, wie eine mögliche Exposition in die Innenraumluft zu bewerten ist und welche Konsequenzen anhand der erkannten Risiken zu treffen sind.

 

Neue Messverfahren für die Schadenspraxis

Für die Feststellung einer Mykotoxinkontamination der Innenraumluft, auf Bauteiloberflächen und in Baumaterialien wurden Messverfahren und Labormethoden standardisiert. Sachverständige können im Rahmen von Schadensbewertungen sowohl Materialproben als auch Wisch- (Bild 5) und Raumuftproben durch ein Prüflabor untersuchen lassen.

Für eine erste Abschätzung einer Toxinproduktion verschimmelter Bauteiloberflächen ist eine Probenahme mit einem speziellen, lösemittelgetränkten Wischtuch möglich. Hierzu wird eine Testschablone angelegt und die Fläche abgewischt. Anschließend wird das Probengut in ein Transportröhrchen verbracht und an das Untersuchungslabor versandt.

Für die Abklärung einer Schadensursache ist oftmals die Entnahme einer Materialprobe notwendig. Von der vermutlich belasteten Raumhülle sind für die Analyse im Labor etwa 10 g Material nötig. Folgende Materialien eignen sich für die Untersuchung:

  • Tapeten
  • Gipskartonplatten
  • OSB-Platten
  • Dämmstoffe
  • Bohrkernproben

Eine solche Untersuchung von Materialproben ist im Labor mit sehr aufwendigen Vorarbeiten für die notwendige, flüssigchromatograpische Analyse (mittels LC-MS/MS) verbunden.

Für die Raumluftmessung wurde ein neues Messgerät entwickelt (Bild 8), um den speziellen Anforderungen für eine Luftprobenahme gerecht zu werden. Wichtig ist die Positionierung des Luftsammlers auf einem Stativ in einer Höhe von ca. 1,40 m, im Einatembereich von Raumnutzern.

Normalerweise werden Bioaerosole mit einer Kurzzeitmessung (wenige Minuten) erfasst. Daraus ergeben sich jedoch nur sehr eingeschränkt zu interpretierende Prüfergebnisse zur jeweiligen Belastungssituation. Vielmehr ist es erforderlich, über eine lange Messdauer (8 Stunden), vergleichbar zu Messungen im Arbeitsschutz, die vorhandenen Bioaerosole zu erfassen. Dies gilt insbesondere für Mykotoxine, die im Nanogrammbereich pro Kubikmeter Luft vorkommen und meist an Feinstaub bzw. Ultrafeinstaub gebunden sind.

Um eine repräsentative Aussage über die tatsächlich vorherrschende Situation innerhalb eines Raums treffen zu können, werden mindestens 40.000 l Raumluft mit einer Hochflusspumpe gesammelt. Bevor die Luft wieder in den Raum zurückströmt, werden sämtliche verbleibenden Stoffe mit einem HEPA-Filter (99,999 % Abscheiderate) gereinigt.

Im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes (Bild 7) zur Innenraumluftanalytik können auch weitere Untersuchungen aus dem spezifischen Probengut der jeweiligen Luftprobe durchgeführt werden. In Abhängigkeit von der Fragestellung sind Untersuchungen auf bakterielle Toxine, mykologische Analysen und weitere Kontaminanten möglich. Im Labor können die gelösten Stoffe der Probe weiteren Analyseverfahren zugeführt werden, wie z. B.:

  • Untersuchung auf mikrobiologischen Nährmedien (Kultivierungsverfahren für Schimmelpilze und Bakterien)
  • Bestimmung von Endotoxinen (Zellwandbestandteile gramnegativer Bakterien) auf einer Mikrotiterplatte
  • Zytotoxizitätstest, als wichtiges Prüfverfahren im Rahmen der biologischen Beurteilung von Innenraumluft
  • Biomarker-Nachweis: 1,3-ß-Glucane (Pilzzellwandkomponente) zur Klärung umweltmedizinischer Aspekte wie beispielsweise invasiver Pilzerkrankungen

 

Fazit

Der Mykotoxin-Problematik in Innenräumen durch toxinogene Schimmelpilze und der damit einhergehenden Gesundheitsgefährdung wurde bisher nur eine untergeordnete Bedeutung zugeschrieben. In der Praxis beschränkt sich das analytische Vorgehen meist auf den qualitativen (meist nur auf der Gattungsebene des Schimmelpilzes) und quantitativen Nachweis von Schimmelpilzen, ohne dass berücksichtigt wird, ob Mykotoxine gebildet wurden. Ohne die Analyse auf Mykotoxine im beprobten Umfeld können mögliche Risiken für die Gesundheit nicht hinreichend abgeschätzt werden und bleiben daher meist spekulativ. Mit neuen Messgeräten (Bild 8) und -verfahren ist es nun möglich, eine gesundheitsschädliche Wirkung einer spezifischen Raumluftqualität auf Menschen festzustellen.

Die gewonnene Raumluftprobe kann bei Bedarf mithilfe eines Zelltests (toxische Wirkung auf menschliche Zellen) weitergehend untersucht werden. Im Ergebnis kann dadurch eine gesundheitsschädigende Wirkung aller Kontaminanten einer spezifischen Innenraumluftprobe nachgewiesen werden. Mit diesem Fortschritt in Probenahme und Routineanalytik eröffnen sich neue Möglichkeiten, gebäudeassoziierte Erkrankungen festzustellen und zu behandeln.

Literatur

[1] DIN EN 13098:2019-12 Exposition am Arbeitsplatz – Messung von luftgetragenen Mikroorganismen und mikrobiellen Bestandteilen – Allgemeine Anforderungen

Gareis, M.: Mykotoxine in Nahrungsmitteln und Innenräumen. Übersicht, 2020

Nielsen, K. F.; Frisvad, J. C.: Mycotoxins on building materials, in: Adan, O. C. G.; Samson, R. A.: Fundamentals of mold growth in indoor environments and strategies for healthy living. Wageningen Academic Publishers, 2011

Andersen, B.; Frisvad, J. C.; Søndergaard, I.; Rasmussen, I. S.; Larsen, L. S.: Association between Fungal Species and Water-Damaged Building Materials, in: Applied and environmental microbiology, 2011

Fromme, H.; Gareis, M.; Völkel, W.; Gottschalk, C.: Overall internal exposure to mycotoxins and their occurrence in occupational and residential settings – An overview, in: International Journal of Hygiene and Environmental Health, 2016

Cole, R. J.; Cox, R. H.: Handbook of Toxic Fungal Metabolites. Academic Press, 1981

Fromme, H.: Luftverunreinigungen in Innenräumen – Vorkommen und gesundheitliche Bewertungen von chemischen, physikalischen und biologischen Faktoren. ecomed Verlagsgesellschaft, Landsberg am Lech 2021

Robert Koch-Institut: Schimmelpilzbelastung in Innenräumen – Befunderhebung, gesundheitliche Bewertung und Maßnahmen, in: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, Ausgabe 10/2007

Zur Person

Dr. Carolin Hintermeier

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem akkreditierten Umweltlabor. Dort arbeitet sie an interdisziplinären Forschungsprojekten in den Fachbereichen Chemie und Umweltanalytik.

 

Dipl.-Ing. (FH) Robert Priller

Fachausschuss-Vorsitzender Luft des DFLW, Deutscher Fachverband für Luft- und Wasserhygiene e. V., Mitarbeit an Forschungsprojekten zur Innenraumlufthygiene und Bioaerosole, Geschäftsführer eines akkreditierten Prüflabors

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